Mit ihrem unangekündigten Arbeitskampf im Tarifkonflikt des privaten Omnibusgewerbes, der auch den Reutlinger Stadtverkehr voll trifft, hat die Gewerkschaft Verdi ganz offenbar nur wenige Fahrgäste vollkommen überrascht. Die Mehrheit scheint rechtzeitig über Nachrichten-Apps, Zeitung oder den Rundfunk vom Streik erfahren zu haben. Die Haltestellen sind menschenleer. Die wenigen ratlos auf ihr Smartphone blickenden Passanten sprechen wenig Deutsch. Unten an der Karlstraße ist mehr los, weil hier auch jene Busfahrer aus dem Umkreis ankommen, deren Verbindungen nicht bestreikt werden.
»Kein Bus? Ok« meint eine Jugendliche an der Bushaltestelle beim List-Denkmal, macht große Augen, lässt sich gerade noch einige Satz entlocken. »Ich komme aus Neckartenzlingen und wollte in die Ringelbachstraße zur Arbeit«, sagt Lea Z. Nö, ihren vollständigen Namen möchte sie in ihrem Frust keinesfalls verraten. »Ich habe mich da nicht drum gekümmert«, gibt Lea zu, »jetzt laufe ich, oder ein Kollege holt mich ab«. Von solchen Transportmöglichkeiten kann eine ältere Frau aus Wittlingen nur träumen.
»Das habe ich nicht mitgekriegt«, sagt Silvia Schittenhelm zum Streikmontag. Sie müsste dringend zu einem Arzttermin nach Betzingen, aber mit ihren Krücken wird sie dorthin nicht laufen können. Hat sie Verständnis für den Arbeitskampf der Chauffeure? »Gut, ihr Geld sollen sie kriegen«. Eine andere Wartende ist zu keinem Gespräch bereit. »Was soll man machen«, meint sie nur - dreht sich um, geht verärgert weg.
Den Ärger ihrer Fahrgäste, die sie nicht befördern können, kriegen die Mitarbeiterinnen der RSV-Mobilitätszentrale an der Karlstraße direkt ab. Nein, etwas dazu sagen möchte keiner, dafür sei der Pressesprecher zuständig. Derweil klingeln die Telefone pausenlos, sind Gesprächsfetzen zu hören: »Nein, wir haben's auch aus den Medien erfahren. Wir hoffen, Morgen fahren wieder Busse«. (GEA)