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Aktuell Hilfsorganisation

»Booster für Demokratie«: DRK-Landesverband tagt in Reutlingen

Naturkatastrophen und EM rücken das DRK in ein neues Licht. Dazu kommt die Bedeutung für gesellschaftliche Stabilität. Ist das dem Innenminister auch Geld wert?

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl spricht am Samstag vor Barbara Bosch (links) und weiteren Präsidiumsmitgl
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl spricht am Samstag vor Barbara Bosch (links) und weiteren Präsidiumsmitgliedern sowie rund 400 Besuchern bei der Landesversammlung des DRK in der Stadthalle Reutlingen. Foto: Jürgen Meyer
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl spricht am Samstag vor Barbara Bosch (links) und weiteren Präsidiumsmitgliedern sowie rund 400 Besuchern bei der Landesversammlung des DRK in der Stadthalle Reutlingen.
Foto: Jürgen Meyer

REUTLINGEN. Naturkatastrophen wie Hochwasser und Hagel in der jüngsten Zeit haben den DRK-Landesverband Baden-Württemberg als größte Hilfsorganisation im Land und Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege in ein neues Licht gerückt. Auch bei Spielen zur Fußball-EM in Stuttgart waren die in 34 Kreisverbänden organisierten 48.164 Ehrenamtlichen ebenso wie die mehr als 3.500 Hauptamtlichen gefordert. Präsidentin Barbara Bosch hob bei der 53. Landesversammlung des Verbands am Samstag in Reutlingen zudem dessen stabilisierende gesellschaftspolitische Rolle hervor. Er sei ein »Booster für Demokratie«. Deshalb mahnte sie die öffentliche Hand, ihrer Pflicht zur Finanzierung staatlicher Aufgaben nachzukommen. Vize-Landeschef Thomas Strobl zollte dem DRK vor rund 400 Vertretern in der Stadthalle höchstes Lob. Und sonst?

Der Landesverband (LV BW) geht auf die weltweit erste nationale Rot-Kreuz-Gesellschaft außerhalb der Schweiz zurück, gegründet in Stuttgart am 22. November 1863, und damit kurz nachdem der Schweizer Henri Dunant mit vier weiteren Genfer Honoratioren das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ins Leben gerufen hatte. Den Grundsätzen der Genfer Konvention bleibe man verpflichtet, betonte Bosch: »Hilfe leisten nach dem Maß der Not, egal wem.« Gerade heute, da sich wieder hunderttausende Menschen auf der Flucht befänden und in Kriegen im Nahen Osten und in der Ukraine »eklatant gegen Menschenrechte verstoßen« werde, sei das wichtig. Aber: »Das verstehen nicht alle. Wir spüren das auch lokal.«

Die Präsidentin des DRK-Landesverbands Baden-Württemberg, Barbara Bosch, blickt auf die Aktivitäten der vergangenen zwei Jahre i
Die Präsidentin des DRK-Landesverbands Baden-Württemberg, Barbara Bosch, blickt auf die Aktivitäten der vergangenen zwei Jahre in der Reutlinger Stadthalle. Foto: Jürgen Meyer
Die Präsidentin des DRK-Landesverbands Baden-Württemberg, Barbara Bosch, blickt auf die Aktivitäten der vergangenen zwei Jahre in der Reutlinger Stadthalle.
Foto: Jürgen Meyer

Die Landesversammlung als höchstes beschlussfassendes Gremium des DRK-Verbands Baden-Württemberg tagt alle zwei Jahre an einem anderen Ort. Reutlingen nannte der 1. Bürgermeister der Stadt, Robert Hahn, ob seiner sozialen Tradition durch Gustav Werner genau die richtige Stadt dafür. Zudem habe man sich zuletzt als »Welthauptstadt des Hagels« hervorgetan.

»DRK-Helfer betreuen Opfer nach Großunfällen oder im Katastrophenfall oft noch wochenlang«

Neben dem Einsatz im Bevölkerungsschutz und Rettungsdienst, als Helfer vor Ort, Notfallsanitäter, in der Bergwacht mit Rettungshundestaffel, in einem der 47 DRK-Seniorenheime oder 20 Kitas, in Tafelläden und Kleiderkammern oder beim Jugendrotkreuz gehören zu den Aufgaben des LV BW auch Bereitschaftsdienste bei Großveranstaltungen wie den fünf Spieltagen der Euro 2024 in Stuttgart, erklärte Präsidentin Bosch. Dabei kamen allein 60.000 Dienststunden zusammen. »Von 120 Schnelleinsatzgruppen im Land sind 111 vom DRK.« Die Kooperation mit Feuerwehren und THW sei dabei gut. Abseits medial übermittelter Bilder evakuierten DRK-Helfer im Hintergrund und betreuten die Opfer oft noch wochenlang nach Großunfällen oder im Katastrophenfall, hob sie hervor.

Innenminister Thomas Strobl und Bürgermeister Robert Hahn (vorne von links) mit den Landtagsabgeordneten Thomas Poreski (SPD) un
Innenminister Thomas Strobl und Bürgermeister Robert Hahn (vorne von links) mit den Landtagsabgeordneten Thomas Poreski (SPD) und Stefan Teufel (CDU) sowie Regierungspräsident Klaus Tappeser in der Stadthalle Reutlingen. Foto: Jürgen Meyer
Innenminister Thomas Strobl und Bürgermeister Robert Hahn (vorne von links) mit den Landtagsabgeordneten Thomas Poreski (SPD) und Stefan Teufel (CDU) sowie Regierungspräsident Klaus Tappeser in der Stadthalle Reutlingen.
Foto: Jürgen Meyer

Stellvertretend für tausende Helfer befragte Nabila Munz vom DRK-Landesverband Baden-Württemberg zwei Ehrenamtliche zu ihren Erfahrungen bei Hochwassereinsätzen: Michael Linde vom DRK-Kreisverband Rems-Murr und Tobias Lerch vom DRK-Kreisverband Biberach. Linde berichtete, selbst wenn Unwetter angekündigt sind, wisse man nie, »was genau wo kommt«. Im Juni beim Jahrhunderthochwasser der Rems sei er schon bei der Anfahrt von Waiblingen zu an sich kleinen Bächen im Welzheimer Wald »um drei Erdrutsche herum Slalom gefahren«. Auch wenn die Bundesstraßen gut ausgebaut sind – »alle Senken waren voll mit Wasser«. »Wir brauchen mehr hochwassertaugliche Fahrzeuge wie Unimogs«, forderte auch Lerch, der berichtete, beim Hochwasser der Rot drohte jüngst die Trinkwasserversorgung in Schwendi abzureißen.

»Wir sind immer zur Stelle, wenn Hilfe benötigt wird«, resümierte Barbara Bosch. Das neue Rettungsdienstgesetz biete eine gute, moderne und verlässliche Grundlage. Dass Helfer nun innerhalb zwölf statt 15 Minuten vor Ort sein sollen, stelle eine Herausforderung dar. Der Tübinger Regierungspräsident Klaus Tappeser befürchtet, dass das angesichts der zunehmenden Krankenhausferne nach der Gesundheitsreform gerade im ländlichen Raum noch schwieriger wird.

»Keine Selbstverständlichkeit, sondern Folge exzellenter Vorbereitung, Begleitung und Durchführung«

Jeder in Freiwilligendienste angelegte Euro sei gut angelegtes Geld und helfe, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken, erklärte Bosch. Für junge Menschen seien die oft »eine Einstiegshilfe in soziale Berufe«. Deshalb brauche das DRK »mehr Mittel statt Kürzungen im Bundeshaushalt«. Auch an die Adresse der anwesenden Landtagsabgeordneten Thomas Poreski (Grüne) und Stefan Teufel (CDU) sowie des stellvertretenden Landeschefs und Innenministers Strobl bat sie, das bei Budgetberatungen zu bedenken. Beim gesetzlich verankerten Bau von Rettungswachen bestehe im Land ein Förderstau von 60 Millionen Euro. Der Präsident des Kreisverbands Reutlingen mit 450 Haupt- und rund 700 Ehrenamtlichen, Siegfried Mahler, stimmte zu: »Wir brauchen dringend höhere Zuschüsse.«

Innenminister Thomas Strobl (CDU) nennt das DRK im Land einen »verlässlichen, hochgeschätzten, kompetenten Partner«.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) nennt das DRK im Land einen »verlässlichen, hochgeschätzten, kompetenten Partner«. Foto: Jürgen Meyer
Innenminister Thomas Strobl (CDU) nennt das DRK im Land einen »verlässlichen, hochgeschätzten, kompetenten Partner«.
Foto: Jürgen Meyer

Innenminister Thomas Strobl (CDU) nannte das DRK im Land einen »verlässlichen, hochgeschätzten, kompetenten Partner« im Bevölkerungsschutz und Rettungsdienst. Dass sowohl die EM- als auch die Hochwassereinsätze der jüngsten Zeit so gut bewältigt wurden, sei »keine Selbstverständlichkeit, sondern die Folge von exzellenter Vorbereitung, Begleitung und Durchführung«. Dass Baden-Württemberg das »Ehrenamtsland Nummer 1« in Deutschland sei, mache ihn stolz. Fast jeder Zweite hier engagiere sich unentgeltlich. Zum Vergleich: Der Bundesdurchschnitt liege bei 39 Prozent.

Die »stillen Helden des Alltags« im DRK sind für die Stabilität im Land unverzichtbar, betonte Strobl. »Gerade jetzt, wo die Demokratie so unter Druck steht.« Mit dem Rettungsdienstgesetz sei Baden-Württemberg im Bund Avantgarde. Auch dabei war der DRK-LV mit seiner Expertise »ein wertvoller, verlässlicher Partner«. Für den Bevölkerungsschutz würden im Haushalt 2025/26 nochmal mehrere Millionen draufgesattelt und die Pauschalen zur Fahrzeugausrüstung und Schutzausrüstung Ehrenamtlicher werde erhöht – »keine ganz schlechte Perspektive«, meint der Innenminister. (GEA)