REUTLINGEN-BETZINGEN.. Ob Seniorentreff, Mittagstisch, Keine Angst vor Papierkram (KAP) oder die Seniorenpaten: Nach der Corona-Delle sind die Projekte des Fördervereins »Gemeinsam vor Ort -Diakonie Leben« wieder gut ins Laufen gekommen. Wertvolle Projekte, die vor allem für ältere Menschen Mehrwert bedeuten. Mehr Gemeinschaft nämlich, mehr Unterhaltung, mehr Freude, mehr Abwechslung. Um all das bieten zu können, braucht es viele ehrenamtliche Helfer. Und da ist noch Luft nach oben.
»Gemeinsam vor Ort« ging 2019 aus der Fusion der Krankenpflegevereine Betzingen, Rommelsbach und Degerschlacht/Sickenhausen hervor. Kaum war die Neugründung erledigt, kam Corona und bremste die Aktivitäten des jungen Vereins aus: Die Angebote mussten nahezu auf null runtergefahren werden. Nahtlos weitermachen funktionierte nach der Pandemie aber nicht, weil viele Ehrenamtliche - meist aus Altersgründen – ausgestiegen waren. Eine Wiederbelebung der beliebten Seniorennachmittage schien aussichtslos, auch beim Mittagstisch sah es mangels freiwilliger Helferinnen zum Leidwesen von Stammgästen und Projektverantwortlichen zappenduster aus.
Neustart nach Corona
»Wir haben uns gesagt: Das kann’s nicht sein«, erinnert sich Sabine Lehmkühler, die seit vielen Jahren das Seniorenpaten-Projekt leitet. Mit Lucy Lichtenberger und Corinna Lorch vom Vorstandsteam machte sie sich an die Wiederbelebung der Seniorennachmittage – mit Erfolg: Auf einen Artikel im GEA hin meldeten sich so viele Freiwillige, dass auch der Mittagstisch neu gestartet werden konnte.
Der Seniorennachmittag heißt jetzt Seniorentreff, seine Macherinnen Sabine Lehmkühler, Lucy Lichtenberger und Corinna Lorch. Einmal monatlich – immer dienstags von 14 bis 18 Uhr - steigt der Treff in der alten Eisenbahnschule in Betzingen. Erst wird’s gemütlich bei Kaffee und von den Vereinsfrauen selbst gebackenen Kuchen, danach gibt es Programm. Mal unterhaltsam, mal informativ: Musik ist geboten, auch zum Mitsingen. Vorträge, beispielsweise über Gesundheitsthemen oder »ferne Länder«. Das Betzinger Urgestein Wilhelm Schmid mit seinem Klavier und Akkordeon ist eine feste Größe im Treff, der Reutlinger Filmclub auch. »Die Gäste finden das ganz toll«, erzählt Lucy Lichtenberger.
Ohne großen Aufwand
Die Gäste, meist um die 30 Frauen und Männer im Alter von 70 bis Ende (!) 90, wissen das Angebot zu schätzen. Viele, sagen die Organisatorinnen, leben alleine, freuen sich darauf, mit anderen zusammenzukommen, sich auszutauschen. »Das ist eine Möglichkeit, sich ohne großen Aufwand mit anderen zu treffen«, erklärt Corinna Lorch. Manche kennen sich von früher, auch neue Freundschaften sind entstanden. Nicht minder beliebt ist der Seniorennachmittag in Rommelsbach. Erst recht der »Newcomer« Degerschlacht/Sickenhausen, den es erst seit diesem Herbst gibt und der schon etwa 80 Gäste zählt. »Das boomt«, sagt Uwe Altenmüller, geschäftsführender Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Reutlingen West-Betzingen und Vereinsvorsitzender.
Was in Betzingen nicht boomt, ist die Zahl der Ehrenamtlichen. Das Betreuerinnen-Team ist geschrumpft, auch jetzt ist meist das Alter der Grund fürs Aufhören. Aktuell organisieren fünf Frauen den Seniorentreff. Wenn eine ausfällt, wird's knapp. Verstärkung ist deshalb willkommen. Der Aufwand ist überschaubar, mit etwa vier Stunden einmal monatlich. Kuchen backen, Getränke besorgen, Tische decken, Programmpunkte vorbereiten, vor allem aber Freude am Umgang mit älteren Menschen mitbringen - mehr braucht es nicht. Die Organisatorinnen freuen sich nicht nur auf neue Ehrenamtliche, sondern auch auf neue Gäste.
Sogar mit Abholservice
Auch der immer donnerstags um 12 Uhr angebotene Mittagstisch ist nach der Corona-Zwangspause wieder gut in Fahrt gekommen. Das von der BruderhausDiakonie gelieferte Essen wird nicht mehr im evangelischen Gemeindezentrum serviert, sondern im Café des Betzinger Seniorenzentrums In der Au. Ein schönes Ambiente, findet Organisatorin Brigitte Koitka-Beck. Die Besucher, sagt sie, kommen nicht nur wegen des guten Essens, sondern vor allem wegen der Gemeinschaft. »Da wird geschwätzt und gelacht – das gefällt den Leuten wirklich.« Sogar einen Abholservice gibt es.
Doch auch hier ist bei Ehrenamtlichen und Gästen noch Luft nach oben. Ebenso bei der dritten Säule des Vereins, den Seniorenpaten. Über 40 »Tandems« betreut Sabine Lehmkühler, doch der Bedarf steigt. Die Seniorinnen und Senioren müssen im Zuständigkeitsbereich des Vereins – also Betzingen, Sickenhausen, Degerschlacht und Rommelsbach – wohnen, die Patinnen und Paten können von überall her kommen. Tun sie auch, manche Ehrenamtliche kommen sogar von der Alb. Die Jüngste ist 28, die Älteste an die 80 Jahre alt. Die Begleitung kann individuell gestaltet werden, reicht von Spaziergängen über Ausflüge bis hin zum Vorlesen oder sich einfach nur Unterhalten. Auch hier, weiß Sabine Lehmkühler, entstehen feste Freundschaften. Sie erzählt von einem Paten, der »seinen« Senior noch immer besucht, obwohl er längst nach Bad Wörishofen gezogen ist.
Die Macherinnen und auch Pfarrer Altenmüller würden sich wünschen, dass nicht nur mehr Ehrenamtliche die Arbeit des Vereins unterstützen, sondern auch mehr Mitglieder dazustoßen. »Auch Jüngere, die sehen, wie wichtig es ist, solche Strukturen zu erhalten«, sagt Sabine Lehmkühler. Ein Engagement, das einem selbst nutzen kann. Alt wird schließlich jeder. (GEA)
07121 504026
www.GemeinsamVorOrt.org