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Baugebiet in Mittelstadt vor dem Aus?

Pläne zur Bebauung in der Klingäckerstraße in Mittelstadt sind durch verschärfte Naturschutzbestimmungen für Streuobstwiesen in Gefahr.

Der Naturschutz von Streuobstwiesen wurde verschärft, die Bebauung auf der südwestlichen Seite der Klingäckerstraße in Mittelsta
Der Naturschutz von Streuobstwiesen wurde verschärft, die Bebauung auf der südwestlichen Seite der Klingäckerstraße in Mittelstadt steht dadurch in den Sternen. Foto: Norbert Leister
Der Naturschutz von Streuobstwiesen wurde verschärft, die Bebauung auf der südwestlichen Seite der Klingäckerstraße in Mittelstadt steht dadurch in den Sternen.
Foto: Norbert Leister

REUTLINGEN-MITTELSTADT. Über den Stand der Bebauungsplanung für die südwestliche Seite der Klingäckerstraße in Mittelstadt informierte Erik Böffgen, Projektleiter vom Amt für Stadtplanung und Vermessung, den Bezirksgemeinderat von Mittelstadt: »Das ist ein altes Thema, bei dem nun verschärfte Naturschutzgesetze auf einen fast fertigen Bebauungsplan treffen.«

Etwas konkreter ausgedrückt bedeutet das: Im Lauf des Bebauungsplanverfahrens für die Klingäckerstraße (das schon seit 2015 läuft) wurden die Bestimmungen für den Schutz von Streuobstwiesen drastisch verschärft. Zurückzuführen ist das laut Böffgen auf ein Karlsruher Verwaltungsgerichtsurteil, das der Stadt Bretten im Dezember 2022 die Rodung einer Streuobstwiese untersagt hatte. »Danach gab es Aufruhr im ganzen Land, weil davon auch laufende Planverfahren in anderen Kommunen betroffen sind.« So auch in Mittelstadt, wo das Bebauungsplanverfahren der Klingäckerstraße derart gestoppt wurde.

Ein allgemeingültiges Prüfverfahren wurde eingeführt, das laut Böffgen im vergangenen Sommer dann auch vorschrieb, dass eine Liste an Kriterien erfüllt werden müsse. Nur dann könnte eine Sondergenehmigung für die Rodung einer Streuobstwiese erteilt werden. Zuständig für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung ist die Untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt.

Zuerst Baulücken füllen

Projektleiter Böffgen berichtete, die Liste sei abgearbeitet. Ob die Behörde allerdings zu dem Schluss kommt, dass »ein öffentliches Interesse« bestehe, der den Bau von Häusern an der südwestlichen Klingäckerstraße rechtfertige – das müsse jetzt geklärt werden. Eine Prognose wagte Böffgen nicht. Im März werde der Antrag in den Bau-, Verwaltungs- und Umwelt-Ausschuss (BVUA) des Reutlinger Gemeinderats eingebracht. Klar sei bisher, dass Einfamilienhäuser an der Straße am Ortsrand von Mittelstadt nicht gebaut werden dürften. Warum? Laut Böffgen müsse der Bedarf von zusätzlichem Wohnraum in einer Gemeinde geprüft und gerechtfertigt werden. »Dabei werden auch Baulücken in der Kommune betrachtet, die vorrangig gefüllt werden müssen«, sagte Erik Böffgen.

Baulücken gebe es nun mal viele in Reutlingen. Sogar auf der Seite der Klingäckerstraße, wo bereits Häuser stehen – »da gibt es noch einige Grundstücke, die nicht bebaut sind«. Einfamilienhäuser hätten aber kaum eine Chance auf Genehmigung, Mehrfamilienhäuser eher. »Wir befinden uns hier in einem metropolen Verdichtungsraum der Großregion Stuttgart«, sagte Erik Böffgen.

In Rheinland-Pfalz oder in Brandenburg bräuchte man solch einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung zum Roden von Streuobstwiesen erst gar nicht stellen – das wäre völlig aussichtslos, so der Projektleiter. Sollte man auf die Idee kommen, die Obstbäume auf den Wiesen an der Klingäckerstraße in Mittelstadt einfach umzuhauen – Böffgen winkte ab. Es gebe schließlich Luftbilder – auf denen genau zu sehen ist, wo Bäume standen. Es habe schon Fälle gegeben, bei denen Grundstückseigentümer verpflichtet wurden, Bäume wieder anzupflanzen.

In Zukunft Leerstände

Hinzu komme ein weiterer Aspekt: In wenigen Jahren würden Millionen Wohnungen leer stehen, weil der demografische Wandel gewaltig zuschlage. »Da kommt was nach, bei der ganzen Betrachtung geht es auch um die Leerstände der Zukunft«, sagte Erik Böffgen. Der Bezirksgemeinderat sah es kritisch, dort am Ortsrand größere Mehrfamilienhäuser hinzusetzen. »Wir sind mit Einfamilienhäusern ins Rennen gegangen«, sagte etwa Daniel Böhringer. Thomas Kertschek ergänzte: »Wir wollen keine gefühlten Hochhäuser am Rand des Ortes.«

Das Mittelstädter Gremium stecke in der Klemme, sagte Leonie Neumann: Auf der einen Seite seien die Grundstücksbesitzer, die natürlich gerne hätten, dass dort gebaut werden könnte. Andererseits sei der Naturschutz ein hohes Gut, so Böhringer. Aber es gibt laut Neumann in der Straße Im Trompeter ja immerhin eine Alternativfläche, die bebaut werden könnte.

»Das ist eine ganz verzwickte Sache«, resümierte Anette Bauer. »Wir sind an diesem Bebauungsplan Klingäckerstraße seit zehn Jahren dran, als Bezirksgemeinderat haben wir uns für die Bebauung eingesetzt – können jetzt aber nichts mehr machen.« Gesetze würden sich nun mal ändern, sagte Erik Böffgen. »Und da gibt es auch Eingriffe in Eigentum«, so der Projektleiter. (GEA)