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Aktuell Ferienprogramm

Achterbahnfahrt mitten in Reutlingen

Der Verein Dialog und das Theater-Pädagogik-Zentrum BW lassen Kinder »Spielend sprechen«

Die Kinder der Theatergruppe lassen ihrer Kreativität freien Lauf. Dadurch entstand die Idee für eine virtuelle Fahrt. FOTO: NIE
Die Kinder der Theatergruppe lassen ihrer Kreativität freien Lauf. Dadurch entstand die Idee für eine virtuelle Fahrt. FOTO: NIETHAMMER
Die Kinder der Theatergruppe lassen ihrer Kreativität freien Lauf. Dadurch entstand die Idee für eine virtuelle Fahrt. FOTO: NIETHAMMER

REUTLINGEN. Der 15-jährige Nico zeigt per Beamer Videoaufnahmen vom Europapark Rust. Die 25 Kinder der Ferien-Theaterprojektgruppe »Spielend sprechen« fühlen sich dadurch in den Freizeitpark versetzt. Sie fahren sogar Achterbahn. Und das in der Reutlinger Ringelbachstraße.

Die Schauspieler sind mitten in der Probe. Nico ist der technische Assistent des Stücks. Bereits mit sieben Jahren hat er im Ferientheater des Theater-Pädagogik-Zentrum BW (TPZ) und des Vereins Dialog mitgemacht. Seit 13 Jahren gestalten die beiden Vereine für Kinder von acht bis zwölf Jahren das zehntägige Projekt während der Pfingstferien.

»In diesem Jahr geht es um die kleinen Dinge«, verrät TPZ-Sprecherin Monika Hunze. »Dinge, die nicht bemerkt werden, aber die Gedanken anregen«, erklärt sie die Themenwahl. Damit meint Hunze beispielsweise einen kleinen Glitzerstein oder eine Wolke am Himmel.

Für das Stück können die Kinder ihrer Kreativität freien Lauf lassen: Mit den Theaterpädagogen Volker Schubert und Ulrike Tilke suchen sie nach Ideen. Die beiden Pädagogen geben den Workshop-Teilnehmern vorab eine Geschichte vor. In diesem Jahr ist es bei Volker Schubert der Austauschschüler Erik, der irgendwie anders ist. Niemand weiß so richtig, was ihn anders macht. Nachdem der Plot am ersten Tag vorgestellt wurde, sammeln Tilke und Schubert mit den Kindern Ideen und schreiben einen passenden Text.

Geld von GWG und Stadt

Finanziert wird das Laienschauspiel von der Reutlinger Wohnungsgesellschaft GWG und der Stadt Reutlingen mit insgesamt 12 000 Euro, sagt Sprecherin Monika Hunze. Auch in diesem Jahr mussten die Eltern 60 Euro pro Kind dazugeben. Dafür sind die Kinder an jedem Wochentag theaterpädagogisch betreut und bekommen ein Mittagessen. Die Aktion Sterntaler übernimmt den Betrag für 14 Kinder, deren Familien die Kosten nicht stemmen können. Neben den Pädagogen helfen Betreuerinnen des Dialogs sowie Studenten und Schüler mit. Am elften Tag, 22. Juni, zeigen die beiden Theatergruppen ihre Stücke der Öffentlichkeit.

»Die Nachfrage ist ungebrochen hoch«, berichtet Hunze über das Erfolgsprojekt: »Dieses Jahr sind wir an der Oberkante.« Die beiden Theaterpädagogen betreuen je eine Gruppe von 25 Kindern. Viele Kinder kommen jedes Jahr wieder.

Der technische Assistent Nico wollte, als er die Altersgrenze von zwölf Jahren erreicht hatte, nicht aufhören: »Ich habe es geliebt, hier Theater zu spielen«, schwärmt er. Seine Mutter ist mit Pädagoge Volker Schubert bekannt, und so kam es, dass Nico sich mit Schubert traf und der Pädagoge ihm dabei erklärt hat, wie das Licht und die Beleuchtung bei Aufführungen eingestellt werden. Am jetzigen Stück gefällt ihm, dass Videosequenzen aus der Augenperspektive gefilmt werden: Die Kamera ist die Figur Erik, und das Objektiv zeigt, was der Austauschschüler sieht.

In der Schule gemobbt

Ein Mädchen der Gruppe ist zudem auf die Idee gekommen, dass Erik ein Außenseiter ist. Damit zog sie eine Parallele zu sich, erklärt Schubert. »Sie hat erzählt, dass sie in der Schule gemobbt wird, hier erfährt sie Wertschätzung«, berichtet Schubert berührt. Auch zehn geflüchtete Kinder spielen mit, sie sind voll integriert. »Theater inkludiert«, betont Monika Hunze. Den Fortschritt der geflüchteten Naya findet Dialog-Betreuerin Yelena Yulish bemerkenswert: »Vor zwei Jahren sprach sie kaum Deutsch und war stumm. Jetzt spielt sie die Lehrerin.« Naya gefällt am besten, dass die jungen Laienschauspieler im Theaterstück einen Ausflug zum Europapark machen und dass immer wieder Videosequenzen eingeblendet werden. Besonders witzig finden die Kinder die Szene, in der Alisa den kleinen Erik verschluckt. Der ist auf dem Suppenlöffel des Mädchens gelandet und wird von ihr übersehen. Alisa wird daraufhin auf den Kopf gestellt, bis sie Erik ausspuckt.

Auch das zweite Stück, von Ulrike Tilke und ihren Kindern, wird sicherlich spannend: »Im Königreich der großen Dinge gibt es fette Burger und im Königreich der kleinen Dinge nagen sie an Knäckebroten«, verrät Hunze. Einst gehörten die beiden Königreiche zusammen. (GEA)