REUTLINGEN. »Ja, was willsch denn du da«, entfuhr es Thomas Keck, als einer von so vielen Bekannten des Oberbürgermeisters am vergangenen Samstag im Weltladen vorbeischaute. Keck stand hinter der Kasse, bediente die Käufer, führte die eingekauften Waren vor den Scanner und kassierte ab. Fragte jemand nach Kartenzahlung, musste der Rathauschef passen. »Oh, da müssen Sie mir helfen«, sagte er zu einer der zahlreichen Ehrenamtlichen, die an diesem Tag auch im Laden waren.
»Insgesamt haben wir 70 freiwillige Helfer«, sagte Walter Reiner als einer der Vereinsvorsitzenden. Die Aufgaben im Weltladen sind vielfältig: Waren in den Regalen nachfüllen, bei der Inventur helfen, kassieren, Kaffee oder Tee ausschenken »und natürlich beraten«, sagt Bärbel Haug, die ebenfalls im Vorstand des Vereins tätig ist.
Zum einen müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Laden natürlich wissen, aus welchem Land die jeweilige Ware kommt, welche Initiative und welche Geschichte sich dahinter verbirgt, warum die ein oder andere Ware etwas teurer ist als in anderen Läden. Zum »Reutlinger Kaffee« etwa kann die hauptamtliche Ladenleiterin Mechthild Ruf viel berichten: Der Diplom-Biologe Dr. Rudolf Schwarz – Sohn der ehemaligen Reutlinger Weltvereinsvorsitzenden Maria Schwarz – hat 1992 in Nordperu zusammen mit Agraringenieuren ein Kaffeeprojekt gegründet. Das Ziel lautete damals, die Landflucht der Bauern dort zu verhindern.
»Von auswärts hierher, um Reutlinger Kaffee zu kaufen«
Die Initiative entwickelte sich prächtig, »heute können 10 000 Kaffeebauern davon leben«, sagt Ruf. »Anfangs schmeckte der Kaffee schrecklich, aber im Lauf der Zeit ist er richtig gut geworden«, sagt Mechthild Ruf. »Und ich weiß von einigen Leuten, die von auswärts extra hierher kommen, um den Reutlinger Kaffee zu kaufen«, ruft Thomas Keck von der Kasse her.
Während der Oberbürgermeister konzentriert weiter die Waren abkassiert und ab und zu gar Beratungsgespräche führt, erzählen die Ehrenamtlichen jede Menge weitere wahre Geschichten. Wie etwa über eine Frauengenossenschaft aus Honduras, die von Gepa, dem deutschen Fairhandel-Sozialunternehmen, unterstützt wurde und jetzt vor Ort in Honduras den Kaffee röstet – »das gibt es sehr selten«, berichtet Bärbel Haug. Der Reutlinger Laden läuft gut, wie Walter Reiner berichtet. »Aber wir müssen uns noch etwas mehr anstrengen als andere Läden«, ergänzt Haug. »Wir machen zum Beispiel auch Geschenkkörbe für Privatpersonen oder Firmen«, sagt Reiner. Allerdings will, kann und darf der Trägerverein des Weltladens keinen Gewinn machen. »Wir streben am Ende des Jahres eine schwarze Null an.«
Mit seinen Produkten sieht sich der Laden gut aufgestellt und voll im Trend: »Wenn jetzt die Deutsche Bahn in ihren Zügen Fairtrade-Kaffee und Fairtrade-Tee ausschenkt, dann ist das ein gutes Zeichen«, sagt Haug. Mit der Prominenten-Aktion hinter der Ladenkasse will der Verein zum 25-jährigen Jubiläum zwei Ziele erreichen: »Wir möchten noch bekannter werden und geben einen bestimmten Betrag an die Sterntaler-Aktion«, sagt Walter Reiner.
Doch die Aktivitäten gehen über den Verkauf hinaus: Eine angestellte Bildungsreferentin informiert in Schulen über Fairen Handel und nachhaltigen Konsum. Infoveranstaltungen sollen aufklären über Projekte wie »Schutzengel gegen Kinderprostitution« oder »Fairer Fußball«. (GEA)
WER VERKAUFT?
»Die Resonanz war überwältigend«, berichtet Bärbel Haug über die Anfrage des Weltladens bei Prominenten der Region, ob sie sich zum 25. Geburtstag einen Vormittag hinter die Ladenkasse stellen wollen. Nach Thomas Keck werden an den kommenden Samstagen der katholische Dekan Hermann Friedl vor Ort sein, Kreissparkassen-Chef Michael Bläsius, die Bundestagsabgeordneten Jessica Tatti, Beate Müller-Gemmeke und Michael Donth sowie die Landtagsabgeordneten Ramazan Selcuk und Thomas Poreski. (nol)