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Aktuell Konjunktur

Vorstoß für Infrastrukturfonds

Berater der Bundesregierung erwarten fürs laufende Jahr, dass die deutsche Wirtschaft leicht schrumpft

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen E
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Hand, während die Mitglieder des Sachverständigenrats (von links) Martin Werding, Achim Truger, Monika Schnitzer (Vorsitzende), Ulrike Malmendier und Veronika Grimm neben ihm stehen. FOTO: KAPPELER/DPA
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Hand, während die Mitglieder des Sachverständigenrats (von links) Martin Werding, Achim Truger, Monika Schnitzer (Vorsitzende), Ulrike Malmendier und Veronika Grimm neben ihm stehen. FOTO: KAPPELER/DPA

BERLIN. Die Wirtschaftsweisen haben ihre Konjunkturprognose für das laufende und das kommende Jahr gesenkt. Für 2024 steht in der Vorhersage des Sachverständigenrats nun sogar ein Minus: Statt um 0,3 Prozent zu wachsen, dürfte die deutsche Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent sinken. Auch die Aussichten für 2025 sind mau. Nur ein Mini-Wachstum von gerade einmal 0,4 Prozent sehen die Berater der Bundesregierung am Horizont, das ist ein halber Prozentpunkt weniger als vor einem halben Jahr gedacht.

Die Prognose könnte sich sogar noch als zu optimistisch erweisen, wie Ratsmitglied Achim Truger mit Hinblick auf die im Haushaltsstreit zerbrochene Bundesregierung erklärte. Der Bericht war noch vor der Wahl von Donald Trump in den USA und dem politischen Beben in Berlin abgeschlossen. Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung, von der durchaus positive Impulse zu erwarten gewesen seien, ist noch eingepreist. Doch das Maßnahmenpaket muss erst noch vom Bundestag beschlossen werden. »Die momentane Unsicherheitsphase kommt zu einer ganz schlechten Zeit«, sagte Truger.

Doch es geht längst nicht mehr nur um eine konjunkturelle Schwäche der deutschen Wirtschaft. Über Jahre und Jahrzehnte verschleppte Investitionen haben am stabilen Sockel der Volkswirtschaft genagt. »Man ist bei der Infrastruktur auf Verschleiß gefahren«, sagte die Ratsvorsitzende Monika Schnitzer im Hinblick etwa auf den Güter- und Personenverkehr.

Verpasste Chancen

Im Bildungsvergleich hat Deutschland im internationalen Vergleich zuletzt so schlecht abgeschnitten wie nie zuvor. Schuld daran sind nach Meinung des Beratergremiums: zu geringe öffentliche Ausgaben, besonders für frühkindliche Bildung und Grundschule. Auch die Finanzprobleme bei der Modernisierung der Bundeswehr konnten nur mit einem Schuldenpaket übertüncht werden.

Die Rolle der Wirtschaftsweisen ist nicht, kurzfristige Lösungen für den Haushaltsstreit vorzuschlagen. Das Gremium skizziert grundsätzlichere Lösungen – und zeigt dabei wenig Vertrauen in die Politik. Denn beim Schielen auf den nächsten Wahltermin kämen zukunftsorientierte Ausgaben zu kurz, die langfristige Erträge für kommende Generationen schaffen.

Damit künftig nicht nur die Schuldenbremse eingehalten, sondern das verfügbare Geld auch nachhaltiger ausgegeben wird, schlagen die Wirtschaftsweisen für den Verkehrsbereich einen Infrastrukturfonds vor, der etwa aus einer Maut eigene Einnahmen erzielen und gegebenenfalls auch Kredite aufnehmen können sollte. Für die Bereiche Verteidigung und Bildung sprechen sich die fünf Expertinnen und Experten für Mindestausgabenquoten aus, die sich an klar definierten Kennzahlen orientieren. »Durch die Übertragung dieser Einnahmen aus dem Kernhaushalt wird gewährleistet, dass dort keine zusätzlichen Spielräume für konsumtive Ausgaben geschaffen werden«, schreiben sie der Politik ins Stammbuch.

Wie dringend es ist, die Weichen auf mehr Wachstum zu stellen, belegt das Gremium mit Zahlen. Demnach ist die deutsche Wirtschaft in den vergangenen fünf Jahren real insgesamt nur um 0,1 Prozent gewachsen. Die USA können da im Vergleich mit zwölf Prozent glänzen, im gesamten Euroraum waren es immerhin vier Prozent. »Deutschland ist nicht mehr die Wachstumslokomotive«, betonte Schnitzer.

Das Gutachten trägt den Titel »Versäumnisse angehen, entschlossen modernisieren«, und die Expertinnen und Experten sehen verpasste Chancen bei der Wirtschaft. Die Probleme der deutschen Autobauer beim Wandel zu E-Mobilität sind bekannt. Ulrike Malmendier bemängelt fehlende digitale Kompetenzen in der Finanzbranche und eine Vernachlässigung neuer Geschäftsmodelle mit künstlicher Intelligenz. (GEA)