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Bosch-Betriebsrat droht mit Konfrontation

Stellenabbau bei Bosch treibt die Mitarbeiter auf die Barrikaden. IG Metall sieht auch Politik in der Pflicht.

Frank Sell, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates Mobility Solutions im Industriekonzern Bosch, will im Notfall auch auf Arbeits
Frank Sell, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates Mobility Solutions im Industriekonzern Bosch, will im Notfall auch auf Arbeitskampf- maßnahmen zurückgreifen. FOTO: WEISSBROD/DPA
Frank Sell, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates Mobility Solutions im Industriekonzern Bosch, will im Notfall auch auf Arbeitskampf- maßnahmen zurückgreifen. FOTO: WEISSBROD/DPA

STUTTGART. Bei Bosch stehen die Zeichen auf Sturm. Betriebsrat und IG Metall drohen der Geschäftsführung mit Aktionen, sollte sie nicht in Gespräche über die Zukunft der Beschäftigung beim Stuttgarter Technologiekonzern einsteigen. »Einen Streik schließen wir nicht aus«, sagt Betriebsratschef Frank Sell während einer Pressekonferenz. Die Stimmung hat sich in den vergangenen Wochen weiter verschlechtert, nachdem das Management verkündet hat, dass in Deutschland weitere 3.800 Stellen wegfallen sollen. Insgesamt stehen somit hierzulande nach Betriebsratsangaben bis zu 10.000 Arbeitsplätze auf der Kippe. In Deutschland beschäftigt Bosch rund 140.000 Mitarbeiter. Weltweit sind es 430.000.

Besonders im Fokus steht der Bereich »Mobilitiy Solutions«, der als größter Autozulieferer der Welt rund 80.000 Beschäftigte zählt. In Schwäbisch Gmünd sollen nun insgesamt 3.800 Stellen wegfallen. »Dann bleiben noch 1.500 übrig« rechnet der örtliche Betriebsratschef Claudio Bellomo vor. Für die Pläne hat er kein Verständnis: »Wir produzieren Lenkungen und Bremssysteme. Die braucht man immer.« Die Stellen würden tatsächlich auch ins Ausland verlagert. Noch schlimmer soll es das Werk im niedersächsischen Hildesheim treffen. Der Produktion von Elektromotoren mit 750 Beschäftigten droht sogar die Schließung.

Strategie als Bankrotterklärung

Stefan Bischoff, der die Belegschaft in Leonberg vertritt, wertet die Strategie der Bosch-Führung als Bankrotterklärung: »Wir entwickeln Assistenzsysteme, Lösungen für das autonome Fahren und Zentralrechner. Wir sind also die Speerspitze auf dem Weg zur Software-Company.« Der Bereich »Cross-Domain Computing Solutions« war erst 2021 gegründet worden. Noch vor zwei Jahren hatte Bosch diesen Entwicklungsbereich um 2.500 Spezialisten aufgestockt. Jetzt sollen 40 Prozent der insgesamt 6.500 Beschäftigten ihre Stelle verlieren.

Bisher will der Konzern Kündigungen vermeiden. Das Management auf der »Schillerhöhe« – der Zentrale vor den Toren Stuttgarts setzt auf Fluktuation, Umbesetzungen, bietet Abfindungen und lockt mit einem vorzeitigen Wechsel in die Rente. Der Betriebsratschef bangt aber, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen. Allerdings habe er noch keine Signale für Kündigungen. Der Arbeitnehmervertretung fehle allerdings bisher der Gesamtüberblick denn das Management betreibe eine Politik der Salamitaktik. Nach einer Einigung im Sommer sei nun ohne Vorwarnung die nächste Hiobsbotschaft gefolgt. Dazu zählt auch, dass immer mehr Beschäftigten die Arbeitszeit und somit das Gehalt gekürzt wird. Von derzeit 2.500 soll die Zahl der Betroffenen auf bis zu 10.000 steigen. Dies erfolge ebenfalls ohne Absprache, rügt Sell.

Lieber Geld statt Vertrauen verlieren

Der Betriebsrat wertet dies als Kulturbruch. Früher habe es zu den Bosch-Werten gehört, dass sich die Leitung an Absprachen gehalten hat. Das ist ein besonders heftiger Vorwurf, denn der Konzern legt großen Wert auf die eigenen Grundsätze, die noch auf Gründer Robert Bosch zurückgehen. Der hatte als erster Industrieller den Acht-Stunden-Tag eingeführt und prägte als Maxime seines Unternehmens: »Lieber Geld verlieren als Vertrauen.«

IG Metall und Betriebsrat streiten gar nicht ab, dass sich Bosch – wie die gesamte Autoindustrie – in einer schwierigen Lage befindet. »Wir sind bereit, über alles zu reden«, betont Sell, der bei Bosch auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist. Er schließt auch nicht aus, dass man wie bei VW in Wolfsburg über Lohnkürzungen verhandeln könnte. Es müssten Lösungen gefunden werden, wie der Konzern die Durststrecke überwinden kann. »Wenn es eine Drei-Tage-Woche sein muss, dann reden wir darüber«, betont Sell.

Bosch habe in allen Bereichen fertige Lösungen und Produkte, so Sell. Darum könne der Konzern sofort loslegen, wenn beispielsweise die E-Mobilität breit nachgefragt werde. Denn daran glauben auch Betriebsrat und IG Metall. Sie wollen aber mit dem Management über ein Gesamtkonzept verhandeln. Dazu wollen sie in den kommenden Wochen den Druck erhöhen und notfalls auch auf Arbeitskampfmaßnahmen zurückgreifen. Im Frühjahr hatten bereits 25.000 »Boschler« gegen die Abbaupläne des Konzerns protestiert. Dabei waren mehr als 10.000 vor die Konzernzentrale auf der »Schillerhöhe« gezogen. Das hatte es zuletzt 1993 gegeben.

Verlässliche Leitlinien

Die IG Metall nimmt aber auch die Politik in die Pflicht. Gemeinsam müssten zusammen mit Wirtschaft und Gewerkschaft verlässliche Leitlinien entwickelt werden, wie die Transformation in der Autoindustrie bewältigt werden kann. »Wir brauchen keinen Gipfel einmal im Jahr sondern entschlossenes Handeln, egal ob Wahlkampf ist oder nicht. Und das brauchen wir jetzt!«, stellt Sell klar.

Das sieht man offenbar auch beim Arbeitgeberverband Südwestmetall so. »Dieser Industriezweig ist von so herausragender Bedeutung für Beschäftigung, Fortschritt und Wohlstand in Baden-Württemberg, dass wir ihn unbedingt erhalten müssen«, betont Hauptgeschäftsführer Oliver Barta: »Jeder Arbeitsplatz, der hier verloren geht, bedeutet einen Steuer- und Beitragszahler weniger und gefährdet so die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.«

Allein bei den Autobauern und Zulieferern in Baden-Württemberg arbeiten eine Viertelmillion Menschen, im gesamten Automotive-Cluster mit verbundenen anderen Branchen und Dienstleistungen sind es rund doppelt so viele. »Damit hängt jeder zehnte Arbeitsplatz im Land am Auto«, sagte Barta: »Wer hier über Gesundschrumpfen fabuliert, hat die Zusammenhänge nicht begriffen.« Noch verfüge Baden-Württemberg über ein einmaliges Innovations-Cluster im Automobilbereich, das erhalten werden müsse, sagt Barta. »Hier brauchen die Unternehmen aber gerade jetzt in einer äußerst schwierigen Phase der Transformation und des Übergangs zur Elektromobilität noch mehr Unterstützung von der Politik.« Südwestmetall zählt dazu bessere Rahmenbedingungen. »So lange die Steuern und Abgaben hoch, die Strompreise kaum wettbewerbsfähig oder die Bürokratie erdrückend sind, wird es schwierig bleiben, neue Investoren zu gewinnen. Hier benötigen wir dringend auch einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel auf Bundesebene«, sagte Barta. (GEA)