TÜBINGEN. Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech will den Rivalen Curevac aus Tübingen übernehmen. Beabsichtigt sei, alle Aktien von Curevac zu erwerben, teilten Biontech und Curevac mit. Damit wollen sich die Mainzer demnach weiteres Know-how auf dem Weg zu Krebstherapien auf Basis von Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) ins Haus holen. Die Transaktion wird ein Milliardenvolumen haben. Am Wettlauf um einen Corona-Impfstoff im Jahr 2020 hatten sich Biontech und Curevac beteiligt. Biontech war erfolgreich, Curevac nicht.
Die Mainzer wollen nach eigenen Angaben jede Curevac-Aktie in Biontech-Aktienhinterlegungsscheine tauschen. Beide Firmen sind an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert. Es werden demnach rund 5,46 US-Dollar für jede Curevac-Aktie angesetzt, das entspräche einer Bewertung des Tübinger Unternehmens von etwa 1,25 Milliarden US-Dollar (1,08 Mrd. Euro). Nach Abschluss der Übernahme, die vorbehaltlich behördlicher Genehmigungen bis Ende 2025 angepeilt wird, werden Curevac-Aktionäre voraussichtlich zwischen 4 und 6 Prozent an Biontech halten, wie es hieß.
Standort Tübingen bleibt
Biontech hatte nach früheren Angaben Ende vergangenen Jahres weltweit etwa 7.200 Beschäftigte. Für Curevac sind etwa 800 Menschen tätig, davon das Gros in Tübingen; weitere Standorte hat Curevac in den Niederlanden, Belgien, den USA und in der Schweiz. Im Pressetext ist nun die Rede davon, dass nach Abschluss der Transaktion Biontech »den hochmodernen Forschungs- und Produktionsstandort von Curevac in Tübingen in ihr Netzwerk eingliedern« werde.
Auf dem Weg zur kompletten Übernahme sieht sich Biontech auf einem guten Weg. Aktionäre, die zusammen 36,76 Prozent der Curevac-Aktien halten, hätten Vereinbarungen unterzeichnet, ihre Aktien vorbehaltlich der Bedingungen anzudienen, darunter die Biotech-Holding Dievini von SAP-Mitgründer Dietmar Hopp. Die Bundesregierung habe bestätigt, dem Geschäft grundsätzlich positiv gegenüberzustehen. Biontech gehe daher davon aus, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die im Namen der Bundesrepublik Deutschland 13,32 Prozent an Curevac hält, die Transaktion unterstützen werde.

So kämen dann schon 50,08 Prozent der Curevac-Aktien zusammen. Bedingung für das Übernahmeangebot ist eine Mindestannahmeschwelle von 80 Prozent. Laut Biontech soll später bei einer vorgesehenen Umstrukturierung Curevac-Aktionären, die ihre Anteilsscheine zunächst nicht angedient haben, pro Aktie die gleiche Gegenleistung geboten werden. Im Zusammenhang mit dem Umtauschangebot werde eine außerordentliche Hauptversammlung der Curevac-Aktionäre einberufen, hieß es in der Pressemitteilung weiter.
»Diese Transaktion ist für uns ein weiterer Baustein in Biontechs Onkologie-Strategie und eine Investition in die Zukunft der Krebsmedizin«, wird Biontech-Chef und -mitbegründer Ugur Sahin zitiert. Er hob zudem hervor, dass sich gegenseitig ergänzende Fähigkeiten und Technologien zusammengebracht werden sollten. Alexander Zehnder, Vorstandsvorsitzender von Curevac, stellte fest: »Für mich ist diese Transaktion weit mehr als nur ein geschäftlicher Schritt. Sie unterstreicht die gemeinsame Entschlossenheit, das volle Potenzial von mRNA als wegweisende Technologie zu nutzen, um transformative Therapien schneller und für mehr Menschen zugänglich zu machen.« Die (anhängigen) gerichtlichen Streitigkeiten der beiden Unternehmen um Patentrechte werden im Pressetext nicht erwähnt.
Daten zu den beiden Firmen
Biontech, einst mit seinem Covid-Impfstoff auf mRNA-Basis bekannt und reich geworden, forscht an Krebs-Immuntherapien und peilt einen ersten Zulassungsantrag in den USA bis Ende dieses Jahres an – für eine Art Chemotherapie der nächsten Generation gegen Gebärmutterkrebs. Bei einer solchen Therapie kommen Antikörper-Wirkstoff-Konjugate zum Einsatz.
Wirkstoffe der Chemotherapie sollen mit Hilfe von Antikörpern gezielter an Krebszellen gebracht werden. Ein anderes Standbein, auf das Biontech bei Krebstherapien setzt, ist die mRNA-Technologie. Sie setzt an den Bauplänen körpereigener Eiweiße an, berühmt wurde sie durch Corona-Impfstoffe, wie das von Biontech und dem US-Konzern Pfizer entwickelte Vakzin.
Auch Curevac forscht seit Jahren an der mRNA-Technologie. Die Tübinger galten einst neben Biontech und anderen als einer der Hoffnungsträger bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Virus. Dann zog das Unternehmen seinen ersten Impfstoffkandidaten wegen einer vergleichsweise geringen Wirksamkeit aus dem Zulassungsverfahren zurück. Zuletzt hatten die Tübinger Stellen abgebaut und wollten sich auf die Forschung fokussieren.
Biontech, gegründet im Jahr 2008, wies im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 2,75 Milliarden Euro einen Nettoverlust von 665 Millionen Euro aus. Dies wurde mit hohen Investitionen für teure klinische Studien begründet. Durch das Geschäft mit dem Covid-19-Impfstoff hatte das Unternehmen im Jahr 2022 einen Gewinn von 9,4 Milliarden Euro gemacht, 2023 waren es noch 930 Millionen Euro.
Zum 31. März 2025 verfügte Biontech über liquide Mittel, Zahlungsäquivalente und Wertpapieranlagen von 15,9 Milliarden Euro. Mit der angekündigten Kooperation mit dem US-Konzern Bristol Myers Squibb zur Entwicklung eines der vielversprechendsten Krebs-Wirkstoffkandidaten namens BNT327 sind Milliardenzahlungen an Biontech verbunden – insgesamt 3,5 Milliarden US-Dollar (rund 3,06 Milliarden Euro) werden ohne Bedingungen fließen. Sofern bestimmte Schritte bei der Entwicklung erreicht werden, kann Biontech weitere bis zu 7,6 Milliarden US-Dollar bekommen.
Curevac, gegründet im Jahr 2000, hat im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 535 Millionen Euro einen Gewinn vor Steuern von 191 Millionen Euro erzielt. Dies hing allerdings mit Vereinbarungen mit dem britischen Konzern (GSK) zusammen, die mit positiven Einmaleffekte durch Verkauf der Rechte an Impfstoffkandidaten gegen Grippe und Covid-19 einhergingen. Für das Jahr 2023 war von einem Verlust vor Steuern von 260 Millionen Euro berichtet worden. Ende März 2025 hatte Curevac nach eigenen Angaben flüssige Mittel in Höhe von 438 Millionen Euro. (dpa/GEA)