HOHENSTEIN. Die Energiewende ist zugleich auch eine Infrastrukturwende: Nicht in erster Linie die Erzeugung von Strom, sondern die Frage, wie er dorthin kommt, wo er verbraucht wird, stand bei der Sitzung des Gemeinderats Hohenstein im Mittelpunkt. Christina Schanne von der Netze BW erläuterte in einem Sachvortrag, wie der Konzern seine Infrastruktur für die Energiewende rüstet - im Allgemeinen, aber auch im Speziellen für Hohenstein. In den vergangenen Jahren hat sich viel verändert. Früher lieferten große Kraftwerke 80 Prozent des Stroms, transportiert wurde er über Höchst- und Hochspannungsleitungen. Heute muss man mit rund acht Millionen kleineren Anlagen umgehen, die ins Netz einspeisen - Windparks, PV– und Biogasanlagen.
Strom spielt eine große Rolle beim Heizen - Stichwort Wärmepumpe - und beim Aufladen von Elektroautos: »Das bringt ganz neue Herausforderungen für das Verteilnetz mit«, so Schanne. Mittel- und Niederspannungsleitungen müssen massiv ausgebaut werden. Bis 2045 wolle Netze BW insgesamt 36 Milliarden in den Netzausbau investieren, davon entfallen 21 Milliarden auf das Mittel- und Niederspannungsnetz. Aber auch die »Stromautobahnen« mit 220 und 380 kV werden weiterhin gebraucht, um die Energie von A nach B zu transportieren. Eine wichtige Trasse verläuft von Reutlingen nach Herbertingen, die Firma Amprion hat sie in den zurückliegenden Jahren erneuert.
548 PV- und sieben Biogasanlagen in Hohenstein
Das Hohensteiner Stromnetz ist insgesamt 136,8 Kilometer lang und hat 1.583 Hausanschlüsse. Davon sind 51,1 Kilometer Mittelspannungsleitungen, etwa die Hälfte davon sind noch Freileitungen. Das Niederspannungsnetz (85,8 Kilometer) ist bereits zu großen Teilen unter die Erde verlegt worden: Der Kabel-Anteil liegt hier schon bei 71,7 Prozent. Auch erzeugt und eingespeist wird in Hohenstein fleißig: Von 2020 bis 2023 hat die Netze BW 195 Anfragen von Anlagenbesitzern zur Einspeisung erhalten, davon allein 91 im vergangenen Jahr.
Der größte Teil der Hohensteiner Stromproduktion entfällt auf Fotovoltaik: Die Netze BW zählt in der Gemeinde 548 Anlagen. Hinzu kommen sieben Biogasanlagen, die allerdings den Löwenanteil der erzeugten Energie liefern: 48.028 Megawattstunden speist Hohenstein insgesamt ein, rund 40.000 davon stammen aus Biogasanlagen. Die Stromproduktion ist in der Alb-Gemeinde fast vier mal so hoch wie der Bedarf: Verbraucht wurden im vergangenen Jahr 12.270 Megawattstunden, rund die Hälfte davon von Industrie und Gewerbe.
Immer mehr an Bedeutung gewinnt die Elektromobilität. 2024 gab es 64 Ladepunkte in Hohenstein, die meisten davon privat. An diesen Stromtankstellen werden regelmäßig 103 elektrifizierte Fahrzeuge gefüttert, davon 65 Elektroautos und 38 Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge. Mit 3,7 Prozent, gemessen am Gesamtfahrzeugbestand, ist die Elektrifizierungsquote allerdings noch relativ gering.
Hohenstein behält Anteile an der Netze BW
Stefan Dangel, Kommunalberater bei der EnBW, war in der Sitzung des Gemeinderats Ansprechpartner für einen anderen Aspekt. Die Gemeinde Hohenstein ist bereits seit fünf Jahren Anteilseignerin bei der Netze BW, die vor viereinhalb Jahren das Projekt »EnBW vernetzt« aufgelegt hat. In Baden-Württemberg sind aktuell 214 Kommunen mit 307 Millionen Euro an der Netz BW GmbH beteiligt. Das entspricht 14 Prozent des Unternehmenswerts. Alle fünf Jahre haben die Anteilseigentümer Gelegenheit, neu zu entscheiden: Bleiben sie dabei, stocken sie ihre Einlagen auf oder ab? Bisher ist die Gemeinde Hohenstein mit 200.000 Euro dabei, und daran wird sich auch nichts ändern: Der Gemeinderat stimmte zu, das Modell so fortzuführen.
Sowohl der Aspekt der Partizipation und Mitsprache als Partnerin des Unternehmens als auch das überschaubare Risiko und die gute Rendite überzeugten die Räte. Die EnBW gehört etwa zu gleich großen Teilen dem Land Baden-Württemberg und den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken (OEW). Letztere wiederum sind ein Zusammenschluss aus neun Landkreisen, darunter auch Reutlingen.
Verzinst wird das eingelegte Kapital für die Jahre 2020 bis 2025 mit 3,6 Prozent, künftig wird die garantierte Ausgleichszahlung bei 4,38 Prozent liegen, so Dangel. Der Mindestbeitrag, mit dem sich eine Kommune beteiligen muss, liegt bei 200.000 Euro. Diesen Betrag legte Hohenstein bisher an - dabei bleibt es mit Zustimmung des Gemeinderats auch in Zukunft. (GEA)