ST. JOHANN. Für die Leitung des Chores war 1924 Lehrer Michael Feller zuständig, nach dessen Gutdünken der Sänger als befähigt erklärt wurde oder eben nicht. »Die Aufnahme geschieht durch den Ausschuss in geheimer Wahl«, lautete die strikte Regel. »Den Anordnungen des Dirigenten ist Folge zu leisten«, hieß es in den Statuten. »Es ist Ehrensache für jeden Sänger, pünktlich und fleißig die Singstunden zu besuchen.«
Damit hat die heutige musikalische Leiterin Asya Dittler kein Problem. Ihre »SlideRockLadies – die Damen vom Rutschenfelsen« sind voll motiviert, erscheinen alle pünktlich und voller Tatendrang zu den wöchentlichen Proben. Und sind gespannt, was ihre ukrainische Dirigentin, die noch vier weitere Chöre leitet, an neuen Liedern für sie ausgesucht hat. Von einst strengen Vorgaben an Volksweisen bei Lehrer Feller ist ihr Repertoire gut durchmischt, findet sich alles von peppig-modern wie klassisch-traditionell wieder. Auf jeden Fall aber sind die Stücke für die 23 Stimmen herausfordernd, einzigartig und außergewöhnlich. Vor zwei Jahren haben die Sängerinnen Dittler engagiert, nachdem Reiner Spohn nach über 40 Jahren Dirigentendasein den Taktstock abgab und aus dessen Feder die SlideRockLadies-Hymne stammt. »Das sind zwei ganz unterschiedliche Musikstile«, gibt Marianne Hornung aus dem Vorstandsgremium zu verstehen. Jetzt sei unter anderem mehr a cappella gefordert, das viel Übung und Konzentration verlangt. »Diese stimmliche Begleitung ist sehr anspruchsvoll, man muss sehr aufeinander hören, dass es stimmt.«
Glücklicher Zufall - Retro-Konzert und Gründung an einem 12. Oktober
Die Frauen beschreiben Asya Dittler als sehr spritzig, sie sprühe vor Elan und tische immer wieder Neues auf, das die Sängerinnen zu Höchstleistungen animiert. Das zeigt sich bei ihren Aufführungen. Nicht eines ihrer Konzerte ist wie das andere. Die Räumlichkeiten werden gewechselt, die Themen sind unterschiedlich gewählt. Auch beim Retro-Jubiläumskonzert am 12. Oktober im Bürgersaal mit einer musikalischen Reise durch die Zeit warten sie mit Überraschungen auf. »Wir haben erst später festgestellt, dass das Datum mit dem Tag der Gründung des Sängerbundes vor 100 Jahren übereinstimmt. Ein glücklicher Zufall«, bemerkt die dritte Vorständin im Bunde, Beate Futter.
Die musikalische Bandbreite der »SlideRockLadies« ist umfangreich, reicht von rhythmusbetonten Chor-Highlights aus Südafrika und Sommerhits aus Bella Italia über berühmte Musicals und Filmklassiker bis hin zu Dramatik in Liebesliedern und modernen Popsongs. »Wir freuen uns immer auf die Chorproben. Schon das Einsingen macht so viel Spaß«, sagt Vorstandschaftsmitglied Carmela Kimmerle. »Und dieser gut motivierte Frauenchor hat immer Lust zu singen. Die Frauen sind aktiv und aufgeschlossen gegenüber Neuem«, teilt Dittler Komplimente aus. Auch was die Musikstücke betrifft und zu denen auch sie Vorschläge unterbreiten.
Höchste Auszeichnung mit der Zelter-Plakette beim Jubiläumskonzert
Zehn Jahre singen die Frauen im Alter von 20 bis über 70 Jahre im Chor zusammen, und kein Ende ist in Sicht. Schon vor gut 70 Jahren ließen es sich viele Frauen und Mädchen in Bleichstetten nicht nehmen, ihrer Leidenschaft - dem Singen - im Sängerbund nachzugehen. Diese schafften es, den reinen, durch den Krieg reduzierten Männerchor in einen Gemischten Chor umzuwandeln. »Eine für die damalige Zeit sehr mutige Entscheidung«, liest sich im Bleichstetter Heimatbuch.
Jubiläumskonzert
Am Samstag, 12. Oktober, ist es soweit. Der Sängerbund Bleichstetten feiert sein 100-jähriges Bestehen. Die Jubiläumsfeierlichkeiten werden mit einem Konzert der SlideRockLadies unter dem Motto »Reise durch die Zeit« unter Mitwirkung der Akkordeongruppe Da Capo Münsingen und der Chorgruppe SingaPur aus Bad Urach im Bürgersaal in St. Johann-Bleichstetten (neben der Schule Bleichstetten) stattfinden. Die vom ehemaligen Bundespräsident Theodor Heuss gestiftete Zelterplakette wird als Anerkennung für besondere Verdienste um die Pflege der Chormusik anlässlich des 100-jährigen Bestehens dem Sängerbund Bleichstetten verliehen. Beginn ist um 19 Uhr, Einlass um 18.30 Uhr. Karten im Vorverkauf kosten 10 Euro, an der Abendkasse 12 Euro. Tickets gibt es bis zum 10. Oktober bei Elektro Müller, Bleichstetten, Getränke Rauscher, Lonsingen, Bäckerei Stoß, Upfingen, und bei der Volksbank Würtingen. (GEA)
Bevor Ernst Holder 1957 in den Verein eintreten konnte, musste der damals 19-Jährige wie seine drei anderen Mitbewerber erst vorsingen. Auf Anordnung von Dirigent Franz Laudage, der, begleitend am Klavier, hören wollte, wer sich da um einen Platz im Chor bemühte. »Das war zu der Zeit die Chance für einen jungen Kerl auf Unterhaltung, aus dem Dorf fortzukommen zu Sängerfesten oder mit auf Ausflüge zu gehen. Und junge Fräuleins gab es auch in den Gesangvereinen«, schmunzelt er. »Singen tut gut, das mach ich noch heute. Es nimmt den Staub von der Seele.« In den 1970er-Jahren war er als Vorsitzender des Sängerbundes aktiv, wie Heinz Dieterich, der 1992 in das Amt gewählt wurde. »Wegen uns musste damals beim Sängerfest in Hundersingen das Programm verschoben werden«, ist ihm in guter Erinnerung. Sie hatten die Noten in Bleichstetten vergessen, was sehr peinlich war. Allerdings kam die rettende Hilfe in Person von Richard Vöhringer, der diese schnellstens abholte.
»Im Lauf der Zeit erreichten immer mehr Männer das Rentenalter und verabschiedeten sich vom Chor. Die Frauen hielten Stand, und das war der richtige Weg«, meint Dieterich: Das war der Schritt vom reinen Männerchor zum reinen Frauenchor, der sich 2014 unter Reiner Spohn formierte. Zehn Jahre »SlideRockLadies«, 100 Jahre Sängerbund Bleichstetten - dafür gibt es die Zelter-Plakette, die höchste deutsche Auszeichnung für Amateurchöre, beim Jubiläumskonzert (siehe Box) am 12. Oktober im neuen Bürgersaal in Bleichstetten. (GEA)