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Warum das Kennzeichen »MÜN« nichts mit München zu tun hat

Foto: Marion Schrade
Foto: Marion Schrade

MÜNSINGEN-BREMELAU. Ein paar Mal muss Matthäus Jörg die Kurbel mit Schmackes drehen. Dann beginnt das Herz des Lanz Bulldog, Baujahr 1950, kräftig zu schlagen. »Einen Anlasser hat der nicht«, sagt der 73-Jährige, der in Bremelau seine eigene kleine Werkstatt betreibt. Beruflich kümmert er sich allerdings um Schuhe, nicht um Landmaschinen. Aber der Bulldog aus dem oberschwäbischen Aulendorf gehört trotzdem seit vielen Jahren dazu. »Mein Vater hat ihn 1960 gekauft«, erzählt Jörg. Damals war der Lanz schon ein Gebrauchter – wo er überall war, ist im originalen Fahrzeugbrief dokumentiert.

Erstmals zugelassen wurde der Lanz in Denkendorf, 1954 bekam er ein neues Zuhause in Mehrstetten – und zum ersten Mal einen Stempel vom Landratsamt Münsingen in die Papiere. Das Nummernschild MÜN–D–643 durfte er auch behalten, als August Jörg, der Vater von Matthäus Jörg, den Traktor als dritter Besitzer übernahm. »1971 habe ich dann mein erstes Auto gekauft«, erinnert sich der Schuhmacher. Das hatte natürlich auch ein MÜN-Kennzeichen, ist aber – im Gegensatz zum unverwüstlichen Lanz – längst Geschichte.

»Das war so was wie eine Weltsensation, eine echte Errungenschaft«

Als der Traktor aus der Landwirtschaft ausgemustert und durch ein modernes Modell ersetzt wurde, übernahm ihn Matthäus Jörg: "Jetzt ist er alt und schön und gerichtet", sagt der Mann, der sich jedes Mal darauf freut, mit seinem Lanz in den Reisschlag zu fahren und Holz zu machen. An dem Bulldog hängen Erinnerungen: »Das war so was wie eine Weltsensation, eine echte Errungenschaft«, schildert Jörg seinen Eindruck als damals Elfjähriger. Bis dahin hatte die Familie ihre Äcker mit Viehgespannen bewirtschaftet.

In den Papieren ist ein Neupreis von 5.950 D-Mark vermerkt. Das war 1950 ein Vermögen. Heute ist Sammlern ein Lanz wie dieser locker dieselbe Summe in Euro wert, weiß Jörg. Hergeben will er ihn trotzdem um keinen Preis. Unfreiwillig trennen musste er sich allerdings vom MÜN-Kennzeichen, als er den Lanz als neuer Besitzer nach dem Tod des Vaters neu zulassen musste – im Landkreis Reutlingen. Das alte Nummernschild aber hat er aufgehoben. Als Erinnerungsstück und manchmal auch als Anschauungsmaterial für kleine, heitere Unterrichtseinheiten in Heimat- und Sachunterricht. Wenn er Kindern erklärt, dass MÜN nicht für München steht, sondern für Münsingen, ist das Staunen meistens groß. (GEA)