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Urgeschichtliches Blaubeurer Museum: Tiffany in der Steinzeit

Das Urgeschichtliche Museum in Blaubeuren stellt in seiner neuen Dauerausstellung die Anfänge des Juwelierhandwerks vor. Denn auf der Schwäbischen Alb wurden vor 42.000 Jahren die ersten Schmuckstücke der Menschheit gefertigt.

Die Dame trägt Doppellochperlen und Albtracht, wie sie vielleicht vor 42.000 Jahren en vogue waren.
Die Dame trägt Doppellochperlen und Albtracht, wie sie vielleicht vor 42.000 Jahren en vogue waren. Foto: urmu
Die Dame trägt Doppellochperlen und Albtracht, wie sie vielleicht vor 42.000 Jahren en vogue waren.
Foto: urmu

BLAUBEUREN. »Wie bei Tiffany«, beschreibt Urmu-Pressesprecherin Heike Roth den ersten Raum der neuen Dauerausstellung im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren, dem Urmu. Weil die Vitrinen gefüllt sind mit Schmuck aus Elfenbein und Muscheln, aus Rentierzähnen oder Gagat, tiefschwarzem fossilen Holz auf dem Weg zur Steinkohle. Die jüngsten Schmuckstücke sind vor etwa 15.000 Jahren entstanden, die ältesten vor 42.000 Jahren, hier im Ach- und Lonetal. Sie sind damit die ältesten Schmuckstücke überhaupt und weltweit - bevor der Pietismus Einzug hielt, waren die Älbler offensichtlich noch eitler und gewillt, sich herauszuputzen und zu zeigen, was sie sich leisten konnten. Wie die Gemälde im zweiten Raum der Urmu-Ausstellung eindrücklich zeigen.

Ganz stimmt es nicht mit dem ersten Schmuck der Menschheit. Muscheln oder Schneckenhäuser hat man und frau sich schon vorher um den Hals gehängt, schon vor 100.000 Jahren, erzählt Professor Nicolas Connard, der wissenschaftliche Leiter des Urmu und Professor an der Universität Tübingen. Prächtige Muscheln sind nicht selten, und ein Loch ist schnell hineingebohrt. Die im Urmu gezeigten 279 Fundstücke sind aber komplex und mit erheblichem Zeitaufwand gefertigte Preziosen, genau wie die bei Tiffany.

Winzig und schwer zu bearbeiten

Mammutelfenbein ist nicht leicht zu bearbeiten, an der Universität Tübingen werden zurzeit Arbeiten erstellt, die zeigen werden, wie genau unsere Altvorderen die filigranen Stücke hergestellt haben. Typisch für die Region sind Doppellochperlen, die meist nur zwischen einem halben und einem Zentimeter messen. Der Bohrer wurde erst Jahrtausende später erfunden, allein die Löcher in den harten Zahn zu bringen, war ein mühsames Geschäft. »Das war ein hoher Aufwand, das waren keine Wegwerfartikel«, ordnet Connard ein. Trotzdem werden die Doppellochperlen häufig gefunden, aber - und das ist bemerkenswert - ausschließlich auf der Schwäbischen Alb.

Schmuck kann den Träger hervorheben, im zweiten Raum der Dauerausstellung sind Beispiele dafür zu finden: eine Louis-Vuitton-Tasche, Orden oder als Leihgabe die Goldmedaille, die Dieter Baumann 1992 bei den Olympischen Spielen in Barcelona erlaufen hat. Die Doppellochperlen scheinen eine andere Bedeutung zu haben, glaubt Connard. Sie stehen nicht für den Reichtum einer Person, sie stehen für die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, vielleicht wie lokale Ornamente oder Knöpfe von Trachten. Bei Schmucktraditionen dürfte das Wir-Gefühl nicht aufgehört haben, vielleicht gab es eine eigene Sprache oder einen Dialekt, vielleicht eigene Gebräuche, spekuliert Connard.

Die Doppellochperlen findet man nur auf der Alb.
Die Doppellochperlen findet man nur auf der Alb. Foto: urmu
Die Doppellochperlen findet man nur auf der Alb.
Foto: urmu

Auf jeden Fall scheint es den Älblern vor vier Jahrzehntausenden nicht schlecht gegangen sein. Die Schmuckfertigung kostet viel Zeit, die muss man erst mal haben - von der Hand in den Mund haben unsere Vorfahren 30.000 Jahre vor Erfindung des Ackerbaus nicht gelebt. Auf der Alb finden die Forscher Spuren von allen Fertigungsschritten, das schiere Elfenbein, angearbeitete Rohlinge, geschnittene Teile - teils bereits poliert. Weniger fragile Stücke, wie etwa die in Europa weit verbreiteten tropfenförmigen Anhänger, wurden auch repariert: »Jedes Stück hat eine Biografie«, sagt Connard.

Goldmedaillen und Eiszeitschmuck

Im ersten Raum der Dauerausstellung macht die Gesamtschau eiszeitlichen Schmucks aus der Region den Anfang, in allen Phasen der Bearbeitung. Im zweiten Raum wird die Steinzeitkunst dann in die Kulturgeschichte eingereiht, mit Exponaten aus dem Mittelalter und der Neuzeit. Eine besondere Note setzen Gemälde frühzeitlicher Schmuckträger - eine junge Frau, ein Mann und ein Kind aus drei frühzeitlichen Epochen mit dem zeitlich passenden Schmuck. Sagen wir mal so: Früher war mehr Lametta beziehungsweise Perle. Die Dame trägt einen prächtigen Halsschmuck und Tracht, wie sie auf der Alb vor 42.000 Jahren angesagt gewesen sein könnte. Der Künstler hat die Doppellochperlen als verbindende Elemente in das Netz eingebaut. »Wir finden Perlen mit ausgerissenen Ösen, dass könnte darauf hindeuten, dass sie ein (Schmuck-)Netz zusammengehalten haben«, glaubt Heike Roth.

Urzeitliches Museum

Das Urzeitliche Museum in der Altstadt von Blaubeuren am Kirchplatz 10 hat von April bis Oktober Dienstag bis Samstag und an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 17 Uhr geöffnet. In der Steinzeitwerkstatt bietet das Museum seinen Besuchern die Möglichkeit, selber tätig zu werden und mit steinzeitlichen Techniken Gebrauchsgegenstände oder auch Schmuck herzustellen. Die nächste Werkstatt zum Thema »Schmuck - natürlich schön« wird am Samstag, 22. Juni, von 11 bis 16 Uhr angeboten. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. (GEA) www.urmu.de

Mit der Eröffnung der Abteilung zum eiszeitlichen Schmuck ist die Neukonzeption des Urmu - vorerst - abgeschlossen. Neben zahlreichen Installationen zum Leben in der Eiszeit auf der Schwäbischen Alb sind Räume der Malerei, der Musik und der Werkzeugnutzung zu sehen. Höhepunkte sind die älteste Kunst und die ältesten Musikinstrumente der Menschheitsgeschichte und jetzt die ältesten komplexen Schmuckstücke mit Originalfunden aus der Region. Prominentestes Exponat ist die »Venus vom Hohle Fels«. Ein Besuch lohnt sich, das Museum steht in der malerischen Altstadt von Blaubeuren, der Blautopf ist bequem zu Fuß zu erreichen. (GEA)