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Thesen und Bronzereliefs an der Kirchentür zu Dapfen

Vor sieben Jahren formulierte Ursula Bogner-Kühnle über 50 Thesen. Anlass war das Reformationsjubiläumsjahr 2017. Der Dottinger Künstler Jochen Meyder hatte dazu Tonreliefs geschaffen, die nun in Bronze ausgeformt und an der Brautpforte der Dapfener Martinskirche angebracht sind.

Ursula Bogner Kühnle, Siegfried Kühnle, Jochen Meyder und Annegret Schock betrachten das fertige Werk an der Tür der Dapfener Ki
Ursula Bogner Kühnle, Siegfried Kühnle, Jochen Meyder und Annegret Schock betrachten das fertige Werk an der Tür der Dapfener Kirche. Am Reformationstag wurden die Thesen und Bronzereliefs an der Brautpforte »angeschlagen«. Foto: Cordula Fischer
Ursula Bogner Kühnle, Siegfried Kühnle, Jochen Meyder und Annegret Schock betrachten das fertige Werk an der Tür der Dapfener Kirche. Am Reformationstag wurden die Thesen und Bronzereliefs an der Brautpforte »angeschlagen«.
Foto: Cordula Fischer

GOMADINGEN-DAPFEN. Am 31. Oktober 2017 jährte sich zum 500. Mal die Veröffentlichung von Martin Luthers 95 Thesen. Luther soll im Jahr 1517 diese Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen haben. Diese Begebenheit gilt als Beginn der Reformation. Die Geschichte wiederholt sich - auch im kleinen Gomadinger Teilort Dapfen. Ursula Bogner-Kühnle von der Kirchengemeinde Dapfen hatte damals zum Reformationsjubiläum ihrerseits Thesen formuliert, Appelle an christliches, an menschliches Handeln in der heutigen Zeit. »Es geht ums miteinander leben«, präzisiert der ehemalige Dapfener Pfarrer Siegfried Kühnle. Um diese Thesen nicht nur schriftlich zu veröffentlichen, sondern ihnen auch eine Bildsprache zu verleihen, wollte sie sich aus dem Werk des Dottinger Künstlers Jochen Meyder, der auch die Tonfiguren des Projekts »Grafeneck 10.654« geschaffen hatte, Reliefbilder aussuchen. Doch Meyder schuf ganz neue Relieftafeln aus toskanischem Ton, gab den Thesen von Ursula Bogner-Kühnle künstlerischen Ausdruck und verband biblische Geschichten mit aktuellen Themen, die ihn beschäftigen.

Zwölf Tontafeln gestaltete Jochen Meyder, übersetzte die Thesen und biblischen Geschichten in seine ihm eigene Formensprache. Die Platten wurden an die Dapfener Kirchentür, die sogenannte Brautpforte, geschraubt und am 30. Juli 2017 im Rahmen eines Festgottesdienstes vorgestellt. »Jochen Meyder hat die Tafeln mit viel Einfühlungsvermögen geschaffen«, sagt Ursula Bogner-Kühnle. Was sie besonders freut: Meyder habe der Kirchengemeinde die Tontafeln geschenkt, »das heißt man Segen«.

Künstler Jochen Meyder mit einer Original-Ton-Platte. Daraus entstanden Bronzeabgüsse für die Tür der  Dapfener Martinskirche.
Künstler Jochen Meyder mit einer Original-Ton-Platte. Daraus entstanden Bronzeabgüsse für die Tür der Dapfener Martinskirche. Foto: Cordula Fischer
Künstler Jochen Meyder mit einer Original-Ton-Platte. Daraus entstanden Bronzeabgüsse für die Tür der Dapfener Martinskirche.
Foto: Cordula Fischer

Jochen Meyder modellierte die »Geschichtsserien« in Ton, ziselierte mit feinen Strichen, formte Figuren und Szenen, brannte den Ton. Zu sehen ist etwa die Geschichte vom barmherzigen Samariter, von einem, der hilft, von einem, der einen Rollstuhlfahrer schiebt, von jemandem, der sich für Gerechtigkeit und Frieden starkmacht. Er thematisiert Adam und Eva, das bedrohte Paradies, das heute von Krieg und Umweltzerstörung gefährdet ist. Es geht um die Schöpfung, um den Lauf des Lebens, um das, was der Mensch daraus macht. Er appelliert daran, dem Elend Einhalt zu gebieten, mahnt, dass sich Geschichte nicht wiederholt, sich gegenseitig zu achten und zu stützen.

Den Witterungseinflüssen ausgesetzt wären die tönernen Relieftafeln aber nicht dauerhaft erlebbar geblieben. Und so entstand die Idee, die visualisierten Thesen in ein Material zu übertragen, das der Ewigkeit standhält. Ein Teil der Erlöse aus den Eiermärkten 2023 und 2024 und die Großzügigkeit einzelner Stifter haben das letztlich ermöglicht.

Jochen Meyder hat sich auf die Suche nach einer Bronzegießerei gemacht, ein Freund vermittelte den Kontakt zu Marc-Andreas Hofmeister und seiner Kunstgießerei am Starnberger See. Er hat die Tonreliefs noch einmal in seinem Dottinger Atelier und in Italien überarbeitet und besprach alles in der Gießerei. Von seinen Tontafeln wurden dort Negativabdrücke aus Kautschuk genommen. Diese wurden mit Wachs ausgegossen, das Jochen Meyder noch einmal nacharbeitete. Danach kam der Wachsabdruck in einen Block aus Schamott, dieser wurde gebrannt, wobei das Wachs geschmolzen ist. In die so entstandene Höhlung wurde flüssige Bronze gegossen. Auch der Bronzeguss musste überarbeitet, geebnet, gereinigt, nachziseliert und patiniert werden. Außerdem erhielten die Abgüsse noch einen Rahmen aus Bronze. Jochen Meyder hat die zwölf Bronzetafeln selbst aus der Gießerei abgeholt.

Das Kunstwerk von Jochen Meyder in Großaufnahme.
Das Kunstwerk von Jochen Meyder in Großaufnahme. Foto: Cordula Fischer
Das Kunstwerk von Jochen Meyder in Großaufnahme.
Foto: Cordula Fischer

Es wurde außerdem eine Holzplatte mit Kupfer überformt, auf der die Reliefs angebracht sind. So schließt sich ein Kreis: Am diesjährigen Reformationstag, am 31. Oktober, hat Jochen Meyder sie an der Dapfener Kirchentür montiert, die Thesen wurden erneut angeschlagen. Am Sonntag, 3. November, fand ein Reformationsfest-Gottesdienst, gestaltet vom Projektchor, zur Einweihung des Kunstwerks statt. »Es ist schön, dass es genau auf diesen Tag fertig wurde«, sagt Kühnle, sieben Jahre, nach dem ersten Thesenanschlag zu Dapfen.

Auch manche Stifter der zwölf Bronzeplatten waren beim Gottesdienst zugegen. Sie erhalten die Original-Tontafeln, für die Jochen Meyder noch extra Holzboxen gefertigt hat, als Dank für ihren Stifter-Beitrag. »Jedes Bild ist für sich spannend«, sagt Siegfried Kühnle. Vom Pfarrhaus aus können seine Frau und er jetzt oft Menschen beobachten, die vor der Kirchentür verharren, die Bildreliefs betrachten und sich darüber austauschen. Und genau das sollen sie bewirken. »Lasst uns einander achten! Lasst uns einander beachten! Lasst uns miteinander das Gute suchen!«, lauten einige der Thesen, die ebenfalls an der Kirchentür nachzulesen sind. Außerdem bieten die Bronzetafeln auch ein haptisches Erleben der Geschichten und Thesen, eine Berührung schadet ihnen nicht, im Gegenteil: Sie dienen - wie Luthers Thesen - als Basis für Diskussion und Auseinandersetzung, angeschlagen an der Kirche zu Dapfen. (GEA)