PFRONSTETTEN. Pfronstettens Ex-Bürgermeister Michael Waibel steht seit Montag in Ravensburg vor Gericht. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern muss er sich wegen »gemeinschaftlicher Nachstellung in besonders schwerem Fall« und »Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes« vor dem Amtsgericht verantworten. Die Waibels sollen ihre Nachbarn in einer Reihenhaussiedlung im Dürerweg in Weingarten jahrelang regelrecht terrorisiert haben. Die Schwäbische Zeitung berichtet, dass die Familie allein 2022 und 2023 mehr als 150 Videos von ihren Nachbarn aufgenommen und unerlaubt Telefonate mitgeschnitten haben soll. Der Nachbarschaftsstreit, der es deutschlandweit in die Medien geschafft hat, führte in der Vergangenheit zu mehr als 100 Polizeieinsätzen in der Straße. Allein die Verlesung der Anklageschrift am Montag dauert fast zwei Stunden, wie die Schwäbische Zeitung berichtet.
»Seit der Herr hier wohnt, bevormundet er alle«, sagte ein betroffener Nachbar dem GEA im Februar 2023. »Er spielt den Stadtsheriff.« Kennzeichen von Besucher-Autos würden fotografiert und der Polizei gemeldet, Nachbarn würden bei Behörden oder sogar bei ihrem Arbeitgeber angeschwärzt, beschimpft und verunglimpft. Die Polizei zeigte sich lange Zeit machtlos. »Man hat uns gesagt, wenn wir als Nachbarn etwas erreichen wollen, dann wegen Stalking«, sagte der Anwohner im GEA-Gespräch. Und so begannen die Nachbarn also, die Waibels beim Filmen zu filmen. Und reichten die Beweise gesammelt bei der Staatsanwaltschaft ein. Im Februar 2023 kam es schließlich zu einer Razzia bei den Waibels, in ihrem Haus wurden unter anderem etwa 20 Kanister einer brennbaren Flüssigkeit gefunden.
»Wir sind die Opfer, die anderen sind die Täter. Alles ist komplett verkehrt«
Stalking? In den Augen der Familie Waibel stellt sich die Sache anders da, wie am Montag vor Gericht deutlich wurde. »Wir sind die Opfer, die anderen sind die Täter. Alles ist komplett verkehrt. Die stellen uns nach, die wollen bei uns einbrechen und uns umbringen«, wird die jüngere Tochter in der Schwäbischen Zeitung zitiert. Auf Nachfragen von Richter Manuel Pflug hätten die Familienmitglieder aber immer wieder die Aussage verweigert, so die Schwäbische Zeitung weiter.
Die Situation im Dürerweg in Weingarten hat sich nach Hausdurchsuchung und Anklageerhebung wohl etwas beruhigt. Zumindest legen das die Einsatzzahlen der Polizei nahe. »In den vergangenen 12 Monaten gar es rund zwei Dutzend Einsätze vor Ort«, sagt eine Polizeisprecherin aus Ravensburg dem GEA. »Es ist also generell etwas ruhiger geworden.« Aber: »Erst in jüngster Zeit gab's nochmal einen Einsatz.« Das Medieninteresse am Prozess war sehr groß. Angesetzt sind fünf Verhandlungstage, das Urteil wird am 25. November erwartet.
»Man hat damals mit offenen Augen gesehen, dass das mit ihm nichts wird«
Für Michael Waibel ist es ein weiterer Höhepunkt in puncto Negativschlagzeilen. 2004 war er zum Bürgermeister von Pfronstetten gewählt worden. Schon an seinem zweiten Arbeitstag offenbarte sich, dass das keine klassische Dienstzeit wird: Waibel blieb einfach einer Besprechung fern, sein Stellvertreter Rudolf Beck musste einspringen, erinnert sich dieser im Februar 2023 im Gespräch mit dem GEA. Beck weiter: »Man hat damals mit offenen Augen gesehen, dass das mit ihm nichts wird. Und trotzdem haben ihn die Leute gewählt, weil er vom Fach war.«
Waibel trat immer wieder negativ in Erscheinung, bezahlte laut Beck Bewirtung bei Veranstaltungen nicht, im Rathaus seien reihenweise Rechnungen und Briefe liegengeblieben. Immer wieder ließ sich der Rathaus-Chef lange krankschreiben, Beck musste einspringen. Deshalb leitete das Landratsamt im Juni 2007 ein Verfahren zur Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit ein. Im März 2008 wurde Waibel letztendlich mit 41 Jahren in den Ruhestand versetzt. Für seine Altersversorgung zahlt die Albgemeinde bis heute - wie für alle Pensionäre - eine Umlage an den Kommunalen Versorgungsverband. (GEA)