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Prozess zum Göggel-Brand in Gammertingen: Fachleute kommen zu Wort

Am zweiten Tag der Verhandlung gegen den Pyrotechniker, der die Göggel-Hochzeit in Gammertingen illuminierte, waren die Brandsachverständigen der Kriminaltechnik und Gutachter dran. Eindeutige Erkenntnisse zur Brandursache gab es noch nicht zu hören.

Aus diesen Röhren wurde das Feuerwerk abgefeuert.
Aus diesen Röhren wurde das Feuerwerk abgefeuert. Foto: Thomas Warnack
Aus diesen Röhren wurde das Feuerwerk abgefeuert.
Foto: Thomas Warnack

SIGMARINGEN/GAMMERTINGEN. Die Verteidigerin des angeklagten Pyrotechnikers schien von den Vorführungen des Gutachterbüros nicht besonders überzeugt. Der Experte zeigte vor Gericht zehn Videoclips, in denen verschiedene Versuchsanordnungen in Aktion gezeigt wurden. Zumindest eines wurde den Zuschauern dabei klar: Eine stabile PVC-Folie mit Feuerwerk in Brand zu setzen, ist nicht so einfach. Nur in einem Fall gelang es, ein Feuer zu entfachen, sonst blieb es bei Verschmelzungen des Kunststoffs. Dabei hatte sich das Büro richtig Mühe gegeben: Bis zu 15 Sekunden lang wurde die Folie angefackelt, mit Römischem Feuer, Goldregen, einem Feuerwerks-Wasserfall. Die Folie wehrte sich standhaft, auch wenn die Abstände zwischen Fackel und Ziel nach und nach schrumpften.

Vor dem Amtsgericht Sigmaringen muss sich der Feuerwerker verantworten, der die Hochzeit der Familie Göggel im Juli 2022 bereichern sollte. Die Vorführung endete in der Katastrophe, der Brand einer Halle und vieler, vieler in Folie verpackter Reifenstapel beendetet die rauschende Feier schnell und spektakulär. Der Mann aus dem Landkreis Esslingen ist wegen fahrlässiger Brandstiftung angeklagt. Gegen einen Strafbefehl hatte er Einspruch eingelegt, nun wird verhandelt. Am ersten Verhandlungstag hatten Augenzeugen aus Feuerwehr, Security und von der Polizei ausgesagt. Nun waren die Brandsachverständigen der Kriminaltechnik und Gutachter dran.

Leicht tat sich keiner bei der Beschreibung der Brandursache. Als die Spezialisten der Polizei am Montag, 25. Juli 2022 die Suche aufnahmen - gebrannt hatte es kurz vor Mitternacht am Samstag davor -, waren viele Spuren schon nicht mehr vorhanden. Das sei bei großen Bränden nicht ungewöhnlich, sagten die beiden Polizisten übereinstimmend aus. Schon die Löscharbeiten wirbeln das Gelände durcheinander, tatsächliche oder mögliche Brandherde werden auseinandergezogen, die angebrannten Gebäude müssen vorm Einsturz gesichert werden, auch auf dem Göggel-Areal waren die ersten Aufräumarbeiten bereits im Gang. Auf den zahlreichen Fotos waren lastwagenhohe Schrotthaufen wie beim Alteisenhändler zu sehen, Gebäudetrümmer und mehr. Wie im TV-Krimi, wenn in weiße Overalls gewandete Ermittler erst einmal den Tatort hermetisch abriegeln, darf man sich das nicht vorstellen.

Technischer Defekt möglich?

Wo das Feuer tatsächlich ausbrach, war daher auch nur auf Drohnenaufnahmen des Hochzeitsfotografen und einigen Fotos zu sehen. Spuren von Brandbeschleuniger, meist Benzin, waren da nicht mehr zu finden. Natürlich habe man in alle Richtungen ermittelt, auch mit Blick auf gezielte Brandstiftung oder mögliche technische Defekte, gefunden habe man aber in dieser Richtung nichts. Die Ermittlungen haben sich schnell auf das Feuerwerk als Ursache fokussiert, andere Hinweise gab es nicht und die Zeitabläufe haben dazu gepasst. Ein Brandsachverständiger - nicht zu verwechseln mit dem von der Versicherung beauftragten Gutachter - begleitet die Verhandlung an allen Tagen. Er stellte unter anderem Fragen zu den Trümmern der Strahler, die sonst das weitläufige Firmengelände beleuchten, und die unter ihrem Mast in einem der Gitterboxen gefunden wurden, die bis zum Brand Reifen beherbergten. So ganz will er vielleicht einen Kurzschluss noch nicht ausschließen.

Der Pyrotechniker hatte am ersten Verhandlungstag ausgesagt. Er war bis zur Hochzeit in Gammertingen acht Jahre im Geschäft, davor hatte er schon privat gefeuerwerkt. Die Pyrotechnik kauft er bei deutschen Firmen ein, Probleme habe er bis dahin noch nie gehabt. Ein Feuerwerk soll eigentlich in der Luft verglühen, am Boden kommen ausgebrannte Pappröhren oder Ähnliches an, wie an Silvester eben auch, wie seine Verteidigerin immer wieder betonte. Allerdings hatte ein Security-Mitarbeiter ausgesagt, dass er kurz vor oder kurz nach Ende des Feuerwerks glühende Teile vom Himmel fallen sah und wenige Minuten später ersten Qualm in den Reifenstapeln.

Schwer entzündliche Folien

Das von der Göggel-Versicherung beauftragte Gutachterbüro hatte einen Auftrag: Festzustellen, ob ein Feuerwerk die zum Schutz der Reifen verwendete Folie in Brand setzen kann und dann später die Reifen selbst. Mit viel Mühe wurde das auch geschafft, meist blieb es bei Brandlöchern. Die Verteidigung wird sich mit Sicherheit auf das Gutachten stützen. Die Versuchsanordnung war sehr experimentell. Reifen wurden nicht in Brand gesetzt, von Stapeln ganz zu schweigen, die Folie lag auf einer leeren Gitterbox, später lag noch eine Lage auf dem Boden der Box. Ergebnis: Nach viel Beschuss kann die Folie brennen, der Kunststoff nach unten tropfen und dort weiteren Schaden anrichten. In einer leeren Box geht das sicher, meinte die Verteidigerin, aber wie das in einem mit Reifen gefüllten und mit Folie verstopften Behälter funktionieren könne, erschließe sich ihr nicht. »Sie stimmen mir zu, dass der Versuch nicht der Realität entspricht?«, fragte sie. Auch der Sachverständige hakte nach, ob die Schmelzspuren an den Außenwänden der folierten Boxen untersucht worden seien. Feuer sei eher von unten nach oben kritisch. »Nein«, musste der Gutachter antworten, es war nicht Teil des Auftrags.

So blieben viele Fragen der Verteidigung offen. Etwa bei welcher Temperatur Reifen anfangen zu brennen, und wie lange das dann dauert. Oder wie es mit dem Brandschutzkonzept des Reifenhandels aussah und ob die Brandwache der Gammertinger Feuerwehr nicht schneller hätte reagieren können. Die Staatsanwältin sieht allerdings Fragen zur Mitverantwortung aller Beteiligten erst im Zivilprozess an der richtigen Stelle, wenn es um Schadensansprüche geht. Da waren die Juristen sich nicht einig. Am nächsten Verhandlungstag werden ein weiterer Verantwortlicher der Firma Göggel und ein Familienmitglied gehört, voraussichtlich auch der Sachverständige. Dann könnte es an die Plädoyers gehen. Es bleibt spannend. »Bisher erlaube ich mir nur den Schluss, dass es ein Feuerwerk gegeben hat«, sagte der Sachverständige. (GEA)