Logo
Aktuell Prozess

Prozess in Münsingen: Kontrollwut und Stalking am Ende einer Ehe

Kameras im Bad, Sender im Auto, Verfolgungsfahrten per Auto - das Ende einer Ehe hat zu einem Prozess wegen Stalking vorm Münsinger Amtsgericht geführt.

Justitia hatte über das Verhalten eines Mannes zu befinden, der seine Ex-Frau in den psychischen Ausnahmezustand getrieben hatte
Justitia hatte über das Verhalten eines Mannes zu befinden, der seine Ex-Frau in den psychischen Ausnahmezustand getrieben hatte. Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa
Justitia hatte über das Verhalten eines Mannes zu befinden, der seine Ex-Frau in den psychischen Ausnahmezustand getrieben hatte.
Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa

MÜNSINGEN. Über die tieferliegenden Gründe wurde vor Gericht nicht gesprochen, der Münsinger Amtsrichter Marian Jander hielt sich an die Fakten: Ein Mann hat seiner Frau nach der Trennung auf verschiedene Art nachgestellt, sie beobachtet. Am Ende stand eine Strafe von 140 Tagessätzen à 15 Euro - der Angeklagte ist auch wegen der Trennung in einer finanziell angespannten Lage.

Was war passiert? Bereits im April 2022 trennte sich das Paar nach einer wohl nicht besonders glücklichen Ehe, wie von beiden Seiten immer wieder durchklang. Der Mann zog aus, die Scheidung läuft noch, beide Ex-Partner wohnen nach wie vor in derselben Albgemeinde. Ein Jahr nach dem Auszug fand die Frau einen Sender unterm Beifahrersitz ihres Autos, damit war für die 43-Jährige das Ende der Fahnenstange erreicht, sie ging zur Polizei und erstattete Anzeige.

Außer dem Sender konnte die Polizei bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten auf einem Smartphone zwei Videos sicherstellen, die von einer versteckten Kamera im Badezimmer der jetzt allein lebenden Frau gemacht wurden. Weiter sagte die Frau aus, dass ihr Ex ihr häufig bei ihren Hundespaziergängen begegnet sei, so häufig, dass von Zufall ihrer Meinung nach nicht mehr gesprochen werden konnte.

Schwere nervliche Belastung

Der Mann war angeklagt wegen der beiden Badezimmer-Videos und wegen Stalkings - »Nachstellung« nach Paragraf 238 des Strafgesetzbuches -, da sich die Frau wegen der wiederholten Begegnungen bedroht fühlte. Dass er die versteckte Kamera installiert hatte, räumte er im Verlauf der Verhandlung ein. Wenn auch erst nach einigem Hin und Her. Er habe zwei Videos von außen durch die Badezimmer Tür mit dem Smartphone gefilmt, mit Wissen seiner Frau, kniend auf dem Boden. Das sei seine Art der Annäherung gewesen, er sei in der Beziehung der Schwächere gewesen. »Und wenn noch was lief, dann nur im Badezimmer«, sagte er. Auf den Clips sei zu sehen, wie seine Ex irgendwann die Badezimmertür schloss.

Da hatte er wohl was verwechselt. Nach einem Blick auf die von der Polizei gesicherten Filmchen kam Richter Jander zu einem anderen Ergebnis. Kein Wackeln, keine Tonspur, kein Filmen vom Smartphone, keine Tür, die sich schließt, nur die junge Frau bei ihren Verrichtungen. Nach kurzer Besprechung mit seinem Anwalt räumte der Angeklagte dann doch ein, eine Kamera eingebaut zu haben. Sie habe seines Wissens nie funktioniert, alle intimen Clips habe er gelöscht, sein neues Handy müsse die Filmchen wohl bei der Neuinstallation aus der Cloud gezogen haben. Für Richter und Staatsanwaltschaft war der Fall trotzdem klar: Ob so eine Kamera funktioniere oder nicht, spiele keine Rolle, sagte der Richter bei der Urteilsbegründung. So etwas sei verboten und im Badezimmer »besonders perfide.«

Besonders perfides Vorgehen

Bei der Beweisaufnahme lag der Schwerpunkt dann auf dem Anklagepunkt der Nachstellung, das Gericht nahm sich hier einige Zeit. Zufällige Begegnungen in und um einen Ort auf der Alb können ja nicht ausgeschlossen werden. Der Ex-Frau, die als Zeugin geladen war, und ihren Begleitern beim Gassigehen fiel auf jeden Fall auf, dass der allen bekannte Wagen des Angeklagten häufig auftauchte. Und meist mit hoher bis sportliche Geschwindigkeit an den Hundefreunden vorbei bretterte.

Es gab eine gewisse Routine. Wo und wann man letztlich lief, sei aber spontan verabredet worden, sagte einer der Zeugen aus der Hundegruppe. Ihm sei der Wagen auf jeden Fall auch aufgefallen, als sie einmal fernab der üblichen Route - nach Anfahrt mit den Pkws - unterwegs waren. Hat ihn der »Airtag«, der Sender, dorthin geführt? Der habe auch nicht funktioniert, sagte der Angeklagte, und er habe ihn eh nur wegen der Fahrtkostenabrechnung ins Auto gelegt. Auch die befragte Polizistin konnte dazu nichts Konkretes aussagen. Aber das spielte keine signifikante Rolle für das Urteil. Einige Fälle der Nachstellung seien durch die Zeugenaussagen bestätigt. Man könne annehmen, dass der Mann »zufällige Begegnungen« gesucht habe, das Vorkommnis fernab vom gewohnten Terrain spreche sogar für »gewollte Begegnungen«. Das Airtag, ob funktionierend oder nicht, runde das Bild von Kontrollzwang und Eifersucht ab.

Im Gerichtssaal

Richter Marian Jander
Verteidiger Manuel Rogge

Die Ex-Frau litt unter den ständigen Vorfällen, das sagten auch ihre Bekannten aus. Ob der psychische Stress aber aus der Zeit nach der Trennung, also wegen der Nachstellungen, entstand oder schon aus der Endphase der Ehe resultierte, konnte das Gericht nicht beurteilen. Nachstellung ja, aber kein besonders schwerer Fall, zog Richter Jander sein Fazit, verzichtete aber auf eine Haftstrafe. (GEA)