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Neue Ausstellung im Modemuseum Granheim

»Verliebt, verlobt, verheiratet«: Unter diesem Motto steht die neue Ausstellung im Modemuseum Granheim. Eröffnet wird sie am Sonntag, 13. Oktober.

Handarbeiten und Textilien rund um Aussteuer, Verlobung und Heirat zeigt Gabriele Bauer-Feigel in ihrem Modemuseum in Granheim.
Handarbeiten und Textilien rund um Aussteuer, Verlobung und Heirat zeigt Gabriele Bauer-Feigel in ihrem Modemuseum in Granheim. Foto: Marion Schrade
Handarbeiten und Textilien rund um Aussteuer, Verlobung und Heirat zeigt Gabriele Bauer-Feigel in ihrem Modemuseum in Granheim.
Foto: Marion Schrade

EHINGEN-GRANHEIM. Mode ist kreativ. Sie ist zweckmäßig. Ausdruck der Persönlichkeit und des Lebensgefühls einer bestimmten Zeit. Sie spricht aber auch Bände über den Alltag derer, die sie schufen und trugen. Die Geheimnisse, die in einem Kleidungs- oder Wäschestück stecken, lüftet Gabriele Bauer-Feigel in ihrem privaten Modemuseum im Granheim in wechselnden Ausstellungen und erzählt darüber. Am Sonntag, 13. Oktober, eröffnet sie ihre neue Schau. Unter dem Titel »Verliebt, verlobt, verheiratet« hat sie Exponate aus ihrem Fundus zusammengestellt, die sich vor allem mit dem befassen, was junge Frauen im 19. Jahrhundert und bis vor wenigen Jahrzehnten noch ganz selbstverständlich in ihren jungen Jahren vor der Ehe beschäftigte: die Aussteuer.

Ebenfalls zu sehen ist eine Auswahl von Brautkleidern. Das Modell, in dem eine Frau in den 1950er-Jahren vor den Altar trat, ist züchtig hochgeschlossen. »Alles andere wäre ein Skandal gewesen«, sagt Gabriele Bauer-Feigel. Die biedere Sittsamkeit war offenbar nur eine Phase, bereits in den 1960ern war's en vogue, im jugendlichen, kurzen Cocktailkleid zu heiraten. Und auch in den 1920er- und 30er-Jahren sah man die Sache zumindest in modischer Hinsicht entspannter: Das Kleid aus jener Zeit ist fließend und lässig. Nicht aus modischen Gründen, sondern aus purer Not und Sparsamkeit hat eine Braut in den Nachkriegsjahren ein anderes Kleid selbst aus Fallschirmseide geschneidert.

Ganz in Weiß? Dieser Trend kam erst mit Queen Victorias Hochzeit 1840 auf. Davor war das Brautkleid  traditionell schwarz.
Ganz in Weiß? Dieser Trend kam erst mit Queen Victorias Hochzeit 1840 auf. Davor war das Brautkleid traditionell schwarz. Foto: Marion Schrade
Ganz in Weiß? Dieser Trend kam erst mit Queen Victorias Hochzeit 1840 auf. Davor war das Brautkleid traditionell schwarz.
Foto: Marion Schrade

Die Hochzeit in Weiß ist eine relativ junge Erfindung. »Den Trend begründet hat Queen Victoria von England, die 1840 Albert heiratete«, erzählt Gabriele Bauer-Feigel. »Davor war, seit der Protestantismus im 16. Jahrhundert Einzug gehalten hatte, das schwarze Kleid die Regel.« In den Dörfern auf der Alb hielt es sich noch lange, Queen Victoria hin oder her. Das schwarze Kleid war einfach praktisch, oft war es nach der Hochzeit ein Leben lang »das gute Kleid«, das zu festlichen Anlässen getragen wurde. Damit es lange passte, war es oft zweiteilig, der Rock hatte einen verstellbaren Bund - auch dafür findet sich in Gabriele Bauer-Feigels Sammlung ein Beispiel. Nicht aus einer armen Bauernfamilie, sondern auch dem gut betuchten, bürgerlichen Milieu stammen die beiden schwarzen Seidenkleider aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts, die die Museumsmacherin in ihre Ausstellung aufgenommen hat.

Fürs weibliche Selbstbewusstsein jenseits aller Konventionen steht das schwarz-rote Designerkleid von Jil Sander. Die Braut, die es trug, heiratete in den 1980er-Jahren - vermutlich war's eine Liebesheirat. Auch die ist eine neuere »Erfindung« und war lange ein gewisser Luxus, denn schließlich sollte mit der Hochzeit auch das Vermögen erhalten oder vermehrt werden. Wie wichtig dieser Gedanke war, lässt sich an der Mitgift ablesen. Eine kleine Auswahl an Fotos, die Gabriele Bauer-Feigel in einer der Vitrinen zeigt, spricht Bände. Aufgenommen wurden sie in Suppingen bei Ulm im Jahr 1930 - eine klassische Dorfhochzeit.

Das Bett als Statussymbol: Die Aussteuer wurde 1930 öffentlich durchs Dorf gefahren und präsentiert.
Das Bett als Statussymbol: Die Aussteuer wurde 1930 öffentlich durchs Dorf gefahren und präsentiert. Foto: Privat
Das Bett als Statussymbol: Die Aussteuer wurde 1930 öffentlich durchs Dorf gefahren und präsentiert.
Foto: Privat

Aus heutiger Sicht wirkt die Szene fast skurril, damals war sie üblich, vielleicht aber trotzdem auch nicht allen Beteiligten unbedingt angenehm: Die Aussteuer wurde auf Gespanne verladen und durch den Flecken kutschiert. So wurde auch das Ehebett, das samt Kissen und Decken ins künftige Schlafzimmer der Braut transportiert wurde, zur öffentlichen Angelegenheit. »Der Umzug durchs Dorf war am Tag vor oder am Tag der Hochzeit Tradition«, weiß die Historikerin. Was die Aussteuer angeht, ist Angelika Bischoff-Luithlens Buch »Der Schwabe und sein Häs« eine wichtige Informationsquelle für sie. »Dort gibt es richtige Listen, was die Braut in die Ehe mitbringen sollte«, sagt sie.

Überliefert ist beispielsweise, dass von einer der Damen erwartet wurde, dass sie sage und schreibe 52 Tag- und Nachthemden mitbringen sollte. Für jede Woche eines also - weil offenbar nur einmal im Jahr gewaschen wurde. Ob das nun praktisch war oder nicht: Es sagt eine ganze Menge über das Alltagsleben auf den Höfen damals aus. Nicht nur Leib-, sondern auch Tisch- und Bettwäsche hatte die Braut mitzubringen, dazu zusätzliche Ballen Leinen - Stoff, der fürs ganze Leben reichte und oft weit darüber hinaus. Gabriele Bauer-Feigel könnte, wenn sie alle Spenden annehmen würde, bergeweise unberührter Wäsche und Stoffballen horten. Die Menschen waren sparsam und die Qualität der Waren oft so gut, dass sie Jahrzehnte lang hielten. Und wenn nicht, dann wurden sie eben geflickt.

Dieses Hemd wurde ein Leben lang getragen und zigfach geflickt. Es zeigt, welchen Wert Alltagsgegenstände vor Jahrzehnten auf de
Dieses Hemd wurde ein Leben lang getragen und zigfach geflickt. Es zeigt, welchen Wert Alltagsgegenstände vor Jahrzehnten auf dem Dorf noch hatten. Foto: Marion Schrade
Dieses Hemd wurde ein Leben lang getragen und zigfach geflickt. Es zeigt, welchen Wert Alltagsgegenstände vor Jahrzehnten auf dem Dorf noch hatten.
Foto: Marion Schrade

Ob eine potenzielle Heiratskandidatin für den Herrn Sohn auch eine gute Hausfrau war, wurde vor der Hochzeit überprüft. »Sie musste der künftigen Schwiegermutter ihren Fleck zeigen«, berichtet Gabriele Bauer-Feigel. Der Fleck war eine Art Bewerbungsschreiben: Auf dem Stück Stoff waren Kostproben verschiedener Handarbeitstechniken vereinigt, die Aufschluss darüber gaben, wie geschickt die junge Frau mit Nadel und Faden umgehen konnte. Fand ihre Arbeit vor den Augen der Schwiegermutter Gefallen, konnte es gut sein, dass sie »vom Fleck weg« geheiratet wurde, erklärt Gabriele Bauer-Feigel die Entstehung einer Redensart.

Ein sehr berührendes Exponat ist in dieser Hinsicht ein Unterkleid, das die Historikerin von einer Familie aus dem Ort für ihr Museum bekommen hat. Dünne Stellen wurden immer wieder ausgebessert, das Kleidungsstück wurde offenbar wirklich ein Leben lang getragen, gepflegt und in Ehren gehalten. In Zeiten des massenhaften Textilkonsums sicher kein Fehler, mal darüber nachzudenken. Schlucken muss man auch, wenn Gabriele Bauer-Feigel die Geschichte zu einem feinsäuberlich gebügelten und gefalteten Wäschestapel erzählt.

Der Blaustich des gestickten Monogramms verrät es: Diese Aussteuer wurde nie  benutzt, die Frau, der sie gehörte, hat nie geheir
Der Blaustich des gestickten Monogramms verrät es: Diese Aussteuer wurde nie benutzt, die Frau, der sie gehörte, hat nie geheiratet. Foto: Marion Schrade
Der Blaustich des gestickten Monogramms verrät es: Diese Aussteuer wurde nie benutzt, die Frau, der sie gehörte, hat nie geheiratet.
Foto: Marion Schrade

Die Monogrammstickerei hat noch einen Blaustich. Und der spricht Bände: »Die Buchstaben wurden mit blauer Farbe auf den Stoff gepaust und dann gestickt. Die Farbe ging beim Waschen raus.« Dass die Stickerei der Wäsche noch blau ist, bedeutet also: Sie wurde nie benutzt. Warum? In diesem Fall nicht aus Überfluss, sondern aus einem eher traurigen Grund. »Die Frau, der die Wäsche gehörte, hat nie geheiratet. Wer nicht geheiratet hat, durfte seine Aussteuer auch nicht benutzen - und wurde damit doppelt bestraft.« Ob sie damit vielleicht am Ende glücklicher war als manche Geschlechtsgenossin, die von den Eltern in eine Ehe vermittelt wurde? Gut möglich. Ihre Nachthemden hätte sie vielleicht aber trotzdem gerne benutzt.

Ehelosigkeit war ein Stigma, und die Arbeit, die man vorher in die Aussteuer investiert hatte, vergebliche Liebesmüh. Wie viele Stunden, Wochen und Monate die jungen Frauen damit verbracht haben, ihre Wäschestücke mit Borten zu verzieren oder zu besticken, zeigen etliche Exponate in der neuen Ausstellung. Erst in den 1950er-Jahren bekam das Selbstgemachte ernsthafte Konkurrenz: »Alle Frauen waren stolz, wenn sie etwas aus Laichingen hatten«, spielt Gabriele Bauer-Feigel auf die berühmte Textiltradition der Leinenweberstadt an. Die Tisch- und Bettwäsche aus Halbleinen oder Baumwolle mir Maschinenstickerei dürfte sich heute noch in etlichen Wohn- und Schlafzimmern auf der Alb und darüber hinaus finden. (GEA)

Termine

Die Ausstellung »Verliebt, verlobt, verheiratet - alles rund um die Aussteuer der Braut« wird am Sonntag, 13. Oktober, um 10.30 Uhr im Modemuseum in Ehingen-Granheim, Von-Speth-Schülzburg-Straße 38, eröffnet. Gabriele Bauer-Feigel hält einen Vortrag zum Thema. Das Museum kann am 9./10. November, 7./8. Dezember und 11./12. Januar immer zwischen 13 und 16 Uhr besucht werden. Der Eintritt ist frei. Zu Beginn jedes Öffnungstags gibt es um 13 Uhr eine Einführung mit Vortrag. Weitere Termine sind auf Anfrage möglich. Der Eintritt ist frei. (GEA) www.modemuseum-feigel.de