MÜNSINGEN. Nachhaltigkeit ist ein oft inflationär genutztes Buzzwort. Eine abgedroschene Phrase, eine leere Floskel. Ein plattes Modewort ist es aber nicht. Das beweist die von Stephan Allgöwer mit seiner Reutlinger Werbe- und Eventagentur solutioncube entwickelte Lifestyle-Messe schön&gut seit 2008 Jahr um Jahr, die sich als riesige Plattform für Besonderes und Handgemachtes, vor allem für Regionales etabliert hat. Was Nachhaltigkeit bedeutet, lässt sich hier aufs Feinste entdecken. Dafür stehen die Aussteller – in diesem Jahr mit 223 mehr als je zuvor – Pate, die den Beweis antreten, dass man leben, wirtschaften, arbeiten und produzieren kann, ohne auf Kosten von morgen zu leben. Dabei geht es nicht nur um Umwelt- und Klimaschutz. Nachhaltigkeit, einst als Begriff in der Forstwirtschaft entstanden, betrifft heute alle Lebensbereiche, vereint ökologische, soziale und ökonomische Dimensionen. Es darf also mit Fug und Recht behauptet sein, dass »schön&gut« als Synonym für nachhaltig steht.
- Lecker Lamm!
Burger, Frikadellen, Maultaschen: Klassisch aus Rind, Schwein oder Kalb sind sie in aller Munde. Aus Lamm sind die Gerichte eher exotisch. Wer traut sich ran? »Die Technik bei der Zubereitung ist nicht das Problem und nicht anders als bei anderen Fleischsorten«, sagt Koch, Food-stylist und Rezeptentwickler Andreas Miessmer. Wohl aber gilt es bei vielen Verbrauchern, eine Hemmschwelle zu überwinden. »Der Endverbraucher hat, wenn er an Lammfleisch denkt, im Kopf: Es böckelt.« Vor allem ältere Menschen haben in früheren Zeiten oft Hammel gegessen und den strengen Geschmack gehasst. Heute vermarktetes Lammfleisch stammt aber von zwar ausgewachsenen Tieren, die Lämmer werden aber vor der Geschlechtsreife geschlachtet und haben kein strenges Aroma entwickelt. Nachhaltig wird die Verwendung in der Küche, wenn das Fleisch nicht aus Übersee kommt, sondern aus der Region, wie das Württemberger Lamm, das Miessmer am Stand der Edeka Südwest zubereitet und das das Lebensmittelunternehmen in seinen Märkten verkauft. Die Partnerschaft besteht seit 20 Jahren. Mit neuen Rezepten könne man den »alten Muff« rausbringen, junge Leute vom Geschmack überzeugen, sagt Miessmer und denkt dabei an ein Lammcurry mit Zitronenreis. Und mit dem Verzehr regionaler Lämmer unterstützt man die heimische Schäferei und Landwirtschaft, die Pflege und den Erhalt der Kulturlandschaft. Alles Schaf: Auf der schön&gut gibt es jede Menge Aussteller, die Lamm- und Schaf-Produkte im Angebot haben.
- Was für ein Käse!
Franz Erhardt hat’s gewagt, Mut bewiesen, seinen landwirtschaftlichen Betrieb von Milchkuh- auf Schafhaltung umgestellt. Auch das gehört zum nachhaltigen Denken und Wirtschaften. »Ja, es braucht Mut, etwas zu verändern«, sagt er. Vor zehn Jahren hielt er noch 35 Milchkühe, trieb 40 bis 50 Hektar um. Schafe hatte er schon vorher, im kommenden Jahr stellt er im 30. Jahr Käse aus ihrer Milch her. Aber sich komplett umzustellen, war nach dem Wegfall der Milchquote ein nötiger Schritt, um nicht weiter in der Tretmühle von Bürokratie und ungesundem Wachstum festzuhängen. Der Schafhof Erhardt aus Ellwangen-Killingen vermarktet die Produkte der ostfriesischen Milchschafe wie Wolle, Käse, Wurst und Fleisch, wirtschaftet in geschlossenem Kreislauf, achtet auch bei der Schlachtung auf kurze Wege. »Man muss erklären, was man warum wie macht und informieren«, sagt Erhardt. Das tut er auf Wochen- und Schafmärkten, ebenfalls bei der schön&gut und ist gern bereit, Interessierten am Hof zu erläutern, wie er arbeitet. Transparenz ist wichtig, um Kunden zu gewinnen und zu binden.
- Das geht auf keine Kuhhaut!
»From nose to tail«: Nicht nur in der Küche sollten alle Teile eines Tieres verarbeitet werden. Denn es bleibt ja immer noch was übrig. Nämlich die Häute. »Das ist eine sinnvolle Verwertung vom Rest eines Tiers«, sagt Dietmar Weis aus Mössingen beim Blick auf Gürtel, Taschen, Geldbörsen und Rucksäcke. Sein Stand steht direkt neben dem der Hohensteiner Hofkäserei. Das Leder für Weis’ Produkte stammt nämlich unter anderem von dort, von der Albbüffeln. Das sind wirklich mal kurze Wege! Weis kauft die ganzen Häute und lässt sie in der Gerberei David Schmid verarbeiten. Was daraus entsteht, ist lang haltbar. Zehn Jahre und mehr, sagt Weis. »Auch das ist nachhaltig.« Wer Qualität kauft, hat länger etwas davon, wirft weniger weg. Den Unterschied erklärt Weis einer Kundin, die einen neuen Gürtel möchte, weil ihr altes industriell hergestelltes Exemplar sichtliche Schwächen aufweist.

- Ziemlich viel Holz vor der Hütte!
150 bis 180 Jahre hat die Eiche im Wald gestanden. Ein stattliches Stück ihres Stamms hat Jürgen Felbinger im Freigelände aufgebockt. Weil Sägewerke in seiner Gegend schlossen, hat er sich ein mobiles Sägewerk gekauft und schneidet Holz aus heimischen Wäldern selbst zu. Asiatische oder andere Importware kommt ihm nicht unters Sägeblatt. »Wir haben hier so tolle Hölzer, aus denen sich so viel herstellen lässt.« Auch Nussbaum und Ahorn wird er noch während der schön&gut zerteilen. Wenn er den ersten Schnitt gesetzt hat und endlich den Längsschnitt des Stamms betrachten kann, pocht sein Herz. »Jeder ist anders, jeder ein Unikat. Und jedes Holz riecht anders«, schwärmt er. Aus der imposanten, 200 Kilo schweren Eichenscheibe wird einmal eine Tischplatte. »Mein Herz schlägt für Holz«, ein hochwertiger und nachhaltiger Werkstoff.
- Wie süß!
Einfach verführerisch! Naschkatzen kommen nicht am Stand von Edmund Mallek vorbei, ohne die mediterranen Gourmetträume zu kosten: weißer Nougat aus Frankreich, Pasta di mandorla (sizilianische Mandelplätzchen) und Cannoli, die italienischen Teigröllchen mit Ricotta-Füllung. Was hat süßes Gebäck mit Nachhaltigkeit zu tun? Zum einen geht es ja bei der schön&gut auch um Genuss. Zum anderen kann man dabei über den Umgang mit Ressourcen philosophieren. Denn Ricotta, der weiche, etwas krümelige italienische Frischkäse, entsteht – der Name sagt’s – aus Molke, die »nochmals gekocht« wird. Molke ist ein Nebenprodukt der Käseherstellung, landet häufig als Viehfutter im Stall. Etwas für Sportler ist Ricotta auch: wenig Fett, viel Eiweiß. Nur der Zucker in der Cannoli-Füllung macht den gesunden Käse zur süßen Sünde. Aber das sei beim Messebummel erlaubt wie auch eine Pause bei den Ständen auf dem Street-Food-Markt.
INFORMATIONEN ZUR SCHÖN&GUT
Anreise, Tickets, Eintritt und Shuttle-Service
Die Messe schön&gut auf dem Gelände des Albguts/Altes Lager in Münsingen hat noch bis zum Sonntag, 3. November, jeweils von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Tageskarten kosten zehn Euro. Kinder, Schüler, Studenten, Auszubildende, Arbeitslose und Menschen mit Behinderung, die sich ausweisen können, erhalten freien Eintritt. Tickets gibt es an der Tageskasse sowie vorab online über den Easy-Ticket-Service. Sich eine Eintrittskarte im Vorverkauf zu sichern, lohnt sich schon deshalb, weil man damit im öffentlichen Nahverkehr im Naldo-Gebiet kostenlos unterwegs ist. Vom Bahnhof in Münsingen wird ein ebenfalls kostenloser Shuttle-Service zum Messegelände angeboten. Auch die Haltestellen beim ehemaligen Hallenbad in der Lehenstraße, am Biosphärenzentrum und bei den Manufakturen im Albgut, die ebenfalls geöffnet haben, fährt der Shuttlebus an. Für die, die mit dem Auto anreisen, gilt: Mit Verkehrsbehinderungen rund um Münsingen ist an den Messetagen erfahrungsgemäß zu rechnen, die Anfahrtswege sind beschildert. Auf dem Messegelände gibt es Parkplätze, für die eine Gebühr von vier Euro erhoben wird. Weitere Informationen gibt’s im Internet. (GEA) www.schön-und- gut.com
- Echter Durchblick!
Hingucker, Durchgucker, dufte Idee: Jedes Stück aus der Manufaktur von Optik Gut ist echte Hand- und Maßarbeit. Da sitzt der Duft der Schwäbischen Alb, der so typischen Heidelandschaften auf der Nase der Träger, die sich für eine Wacholderbrille entscheiden. »Alles daran ist echt schwäbisch«, sagt Simone Herrmann: die Idee, die Rohstoffe, die Beschläge, die komplette Fertigung. Und auch die Holzreste werden verwertet: »Wir sind jetzt nämlich auch in die Schmuckproduktion eingestiegen«, sagt sie und zeigt ihre Hand, auf deren Ringfinger ein hölzerner Reif mit einer blank polierten, runden Scheibe steckt. Das ist der ausgesägte Innenteil des Brillengestells, wo einmal das Glas eingesetzt wird. Wertschöpfungskette mega! Der Nachhaltigkeits-Check auf der schön&gut hat ergeben: Mehr geht nicht. (GEA)