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Aktuell Arbeitsmarkt

Jobmesse für Menschen mit Migrationshintergrund in Trochtelfingen

Firmen suchen händeringend Mitarbeiter. Und arbeitswillige Flüchtlinge tun sich oft schwer, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Jobmesse Matchday bringt im Landkreis Reutlingen regelmäßig beide Seiten zusammen - nun auch zum ersten Mal auf der Alb in Trochtelfingen.

Ho Ngyuyen Nhi, Heike Hänsch und Nematullah Rahmati (von links) werben für die Ausbildung zum Altenpflegehelfer. Das Programm be
Ho Ngyuyen Nhi, Heike Hänsch und Nematullah Rahmati (von links) werben für die Ausbildung zum Altenpflegehelfer. Das Programm beeinhaltet auch eine spezielle Deutschförderung. Foto: privat
Ho Ngyuyen Nhi, Heike Hänsch und Nematullah Rahmati (von links) werben für die Ausbildung zum Altenpflegehelfer. Das Programm beeinhaltet auch eine spezielle Deutschförderung.
Foto: privat

TROCHTELFINGEN. 14 Firmen konnten Sven Jäger und Stefan Rechthaler, die im Landratsamt für Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen zuständig sind, für ihr Projekt gewinnen. In der Turnhalle der Werdenbergschule warteten Vertreter der Unternehmen - überwiegend aus Trochtelfingen und Umgebung - auf Interessierte. Rund 120 Menschen aus den verschiedensten Ländern kamen, um ihre potenziellen Arbeitgeber und Kollegen kennenzulernen. Es war nach Stationen in Dettingen, Reutlingen und Eningen die vierte Auflage des Formats, das etwa im halbjährigen Rhythmus an wechselnden Orten angeboten wird.

Bereiche, in denen dringend Leute gebraucht werden, gibt es viele. Die Qualifikationsvoraussetzungen und -möglichkeiten sind unterschiedlich, eins aber ist allen Arbeitgebern wichtig: Ohne Grundkenntnisse der deutschen Sprache geht's nicht. Hier setzt auch die Akademie für Gesundheit und Soziales gGmbH aus Reutlingen an: Sie bietet Menschen aus dem Ausland, die im Pflegebereich arbeiten möchten, auf sie zugeschnittene Ausbildungsprogramme und -plätze in Kooperation mit dem Landratsamt an. »Altenpflege mit Deutschförderung« heißt der Weg, den auch der 27-jährige Nematullah Rahmati aus Afghanistan und seine 21-jährige Kollegin Ho Nguyen Nhi aus Vietnam eingeschlagen haben. Gemeinsam mit Heike Hänsch stehen sie am Stand der Akademie, um den Messebesuchern Mut und Lust auf einen Job im Gesundheitswesen zu machen.

Ausbildung mit Sprachförderung

»Ich habe in Afghanistan vier Jahre lang Medizin studiert«, berichtet Nematullah Rahmati. Als er vor rund eineinhalb Jahren nach Deutschland floh, wollte er keine Zeit verlieren. Anstatt passiv auf einen freien Platz im Sprachkurs zu warten, half er sich selbst und begann sich mit Deutsch zu befassen - via Youtube, wie er berichtet. Nach fünf Monaten in Deutschland begann er die zweijährige Ausbildung zum Altenpflegehelfer, denn die B1-Prüfung für Deutsch hatte er schon bestanden. Jetzt macht er auf B2-Level weiter, und auch beruflich hat er Ambitionen: Mit der Qualifikation zum Pflegehelfer soll nicht Schluss sein, der junge Mann will weitermachen und die generalistische Pflegeausbildung machen - auch das bietet die Akademie für Gesundheit und Soziales an.

»An unserer Schule ist vieles anders als an anderen Schulen«, sagt Heike Hänsch. »Wir haben 100 Menschen mit Migrationshintergrund bei uns.« Aber nicht nur die Herkunft, sondern auch das Geschlechterverhältnis der Auszubildenden ist bemerkenswert: »Wir haben 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen, auch das gibt es an anderen Pflegeschulen nicht«, so Hänsch. Wie schnell sich Menschen in einem fremden Land zurechtfinden und einbringen können, wenn sie motiviert sind und werden, zeigt auch die Auszubildende Ho Nguyen Nhi: Seit gerade mal einem halben Jahr ist sie in Deutschland, nachdem Verwandte, die bereits hier leben, ihr empfohlen hatten, auch zu kommen. Schon jetzt spricht sie die Sprache so gut, dass eine flüssige Unterhaltung möglich ist.

Ein Praktikum ist schnell genehmigt

Besondere Ausbildungsformen für Migranten mitentwickeln, schnelle Einstiege ins Berufsleben ermöglichen, zwischen Arbeitgebern und Arbeitssuchenden vermitteln: Das ist die Aufgabe von Sven Jäger und Stefan Rechthaler. Die beiden Männer vom Landratsamt sind Netzwerker, mit Arbeitsagentur, Jobcenter, Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer sind sie exzellent vernetzt und suchen nach kurzen Wegen. Das gelingt durchaus, betonen sie - die bürokratischen Hürden sind immer noch hoch, aber es geht mittlerweile bedeutend schneller. »Jedes Beschäftigungsverhältnis muss einzeln genehmigt werden«, sagt Sven Jäger, »die Bearbeitungsdauer hat sich aber von früher vier bis sechs Wochen auf ein bis zwei Wochen verkürzt.«

Stefan Rechthaler war lange Heimleiter in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften im Kreis, außerdem hat er das Jobmentoren-Programm mitentwickelt - er kennt die Arbeit mit Migranten von der Basis her. In den drei Integrationszentren im Landkreis - Ermstal, Alb und Reutlingen/Pfullingen - bieten er und seine Kollegen Sprechstunden an, in denen Migranten auch ganz praktische Hilfen bekommen, beispielsweise beim Schreiben von Bewerbungen. Jäger und Rechthaler arbeiten eng mit der Ausländerbehörde im Landratsamt zusammen, die bei der Jobmesse ebenfalls vertreten war: Im Falle eines »Matches« zwischen Arbeitgeber und -nehmer gab's gleich die entsprechenden Antragsformulare zum Mitnehmen.

Davon Gebrauch gemacht hat Hermann Werz, der für sein Autohaus auf der Haid zwischen Trochtelfingen und Engstingen einen Helfer für Lackierarbeiten gesucht und einen vielversprechenden Kandidaten gefunden hat. »Dafür braucht man nicht unbedingt eine Top-Ausbildung. Wenn jemand die Grundfähigkeiten mitbringt, können wir ihn in diesem Bereich gut einlernen«, sagt Werz. Beim Matchday hat er einen jungen Mann aus Afghanistan kennengelernt, »nach sechs Monaten spricht er schon gut Deutsch, wir konnten uns problemlos unterhalten«.

Geeinigt hat man sich auf ein Praktikum, auch dafür ist ein Antrag nötig - »die Genehmigung liegt aber schon am nächsten Tag vor«, erklärt Stefan Rechthaler. Passt's für beide Seiten nach dem Kennenlernen, steht einem regulären Beschäftigungsverhältnis nichts im Wege, meint Hermann Werz. Die Flüchtlingsunterkunft im Gewerbepark Haid liegt in nächster Nähe zu seinem Betrieb, Kontakt aufnehmen zu den »Nachbarn« und Jobs anbieten sei trotzdem nie gelungen. Jetzt hat Werz die entsprechenden Adressen und weiß, wen er auf dem kleinen Dienstweg fragen kann, wenn er Mitarbeiter sucht - und davon haben schließlich beide Seiten was. (GEA)