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Historische Hüle bei Münsingen wiederbelebt

Naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme für die Akustikmessstrecke. Lebensraum für viele Tiere.

Für ehemaliger Gruorner und ihre Nachkommen bedeutet die wieder angelegte Hüle »ein Stück Heimat und Erinnerung«.  FOTO: KÜNKELE
Für ehemaliger Gruorner und ihre Nachkommen bedeutet die wieder angelegte Hüle »ein Stück Heimat und Erinnerung«. FOTO: KÜNKELE
Für ehemaliger Gruorner und ihre Nachkommen bedeutet die wieder angelegte Hüle »ein Stück Heimat und Erinnerung«. FOTO: KÜNKELE

GRUORN. Nachdem das Dorf Gruorn Ende der 1930er-Jahre für die Erweiterung des damaligen Truppenübungsplatzes geräumt wurde und seine Bewohner in alle vier Himmelsrichtungen zerstreut wurden, geriet die Hüle des Dorfs in Vergessenheit, sie wurde allmählich zugeschüttet. Im Jahr 2017 entstand die Idee, diese Hüle an ihrem früheren Platz in der ehemaligen Ortsmitte wieder herzustellen. Dieses Projekt ist inzwischen umgesetzt, die neue Hüle ist vor Kurzem in einer kleinen Feierstunde gewürdigt worden. Das teilt der Bundesforstbetrieb Heuberg mit, der für das Herzstück des Biosphärengebiets Schwäbische Alb zuständig ist.

Die Wiederherstellung dieses historischen, kulturell und ökologisch bedeutsamen Gewässers ist Teil eines naturschutzfachlichen Ausgleichskonzepts, das von der Daimler Truck AG finanziert wird. Die Kompensationsmaßnahme soll einen unvermeidbaren Eingriff in die Natur ausgleichen, der für den Bau der Akustikmessstrecke auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz erforderlich war.

»Das Wasserloch entwickelt sich zur Kinderstube für Erdkröte, Bergmolch und Co«

Nach dem Grußwort von Marco Reeck, Leiter des Bundesforstbetriebs Heuberg, ließ Marlene Jandt, Sachbearbeiterin für Ausgleichsmaßnahmen, in einer unterhaltsamen Zusammenfassung die Herausforderungen und Meilensteine des Projekts Revue passieren. Ihr Fazit lautet: Die wiederhergestellte Hüle ist das Ergebnis der erfolgreichen Zusammenarbeit in einem großen unternehmens- und organisationsübergreifenden Team. Klemens Benz vom Projektleitungsteam der Daimler Truck AG ergänzte den Beitrag mit Anekdoten von der Baustelle und stellte den Bezug zur Akustikmessstrecke her. Günter Braun vom »Komitee zur Erhaltung der Kirche in Gruorn« rundete die Veranstaltung mit seiner Vorstellung der kulturellen und gesellschaftlichen Bedeutung von Hülen in der wasserarmen Karstlandschaft der Schwäbischen Alb ab. Er freut sich, dass Gruorn nun wieder »ein Stück Heimat und Erinnerung mehr« bekommen hat.

Die zündende Idee zur Wiederbelebung einer Hüle in Gruorn kam von Seiten des ehrenamtlichen Naturschutzes. Bundesforst und Daimler unterstützten diesen Vorschlag. Anhand einer Karte von Gruorn aus dem Jahr 1938 wurde der ursprüngliche Standort einer großen Hüle gewählt, die an einem freigegebenen Weg liegt und damit für Besucher zugänglich ist. In unmittelbarer Nähe gibt es bereits eine kleine Schautafel, die das Thema »Wasserversorgung in Gruorn« behandelt. Ein Planungsbüro erarbeitete dann die konkrete Ausführungsplanung für dieses Projekt im Detail.

Erste Erdabtragung wurde von Archäologen begleitet

Die ersten Erdabtragungen im denkmalgeschützten Ortsgebiet von Gruorn wurden auch von Archäologie begleitet. Relativ schnell stellte sich jedoch heraus, dass mit keinen historisch wertvollen Entdeckungen zu rechnen war. Baubegleitend hielt ein Kampfmittelexperte Ausschau nach gefährlichen Sprengkörpern, glücklicherweise wurden keine gefunden. Stattdessen brachte die Baggerschaufel neben leeren Patronenhülsen jede Menge Unrat, insbesondere Schuhe, Glühbirnen und Schrott, ans Licht. Die Hüle war nach der Truppenübungsplatzerweiterung Ende der 30er-Jahre schlicht als Müllhalde ge-nutzt worden.

Wegen des Altlastenverdachts wurde im Frühjahr 2022 die Bodenschutzbehörde des Landratsamts hinzugezogen, umfangreiche Untersuchungen des Erdaushubs wurden veranlasst. In der Zwischenzeit entwickelte sich »das Wasserloch zur Kinderstube für Erdkröte, Bergmolch und Co«, wie Marlene Jandt erläuterte. Zum Schutz der Kaulquappen wurden die Bauarbeiten über die Sommermonate eingestellt. Im Herbst 2022 sollten die Bauarbeiten fortgesetzt werden, doch war es wetterbedingt zu nass, der Bagger drohte im Erdreich zu versinken.

Darüber hinaus bereitete das in die Grube fließende Wasser Schwierigkeiten. Der mit ingenieur- und altlastentechnischen Aufgaben betraute Geologe Marius Egner (IWE, Tübingen) erläuterte, dass der wasserstauende Untergrund aus Vulkantuff und Lehm in Gruorn verhindere, dass das Wasser in tiefere Schichten sickert. Dies führe mancherorts zur Entstehung von Quellaustritten. Das Problem ließ sich schließlich durch Absaugen und Abfahren des (Schlamm-)Wassers lösen.

»Die Hüle wird ihrer ökologischen Funktion bereits voll gerecht«

Als die Hüle endlich Gestalt angenommen hatte, wurde sie sorgsam mit einem Lehmschlag versehen. Dem Baggerfahrer der Firma Kleinwächter gelang das in filigraner Arbeit, denn aufgrund des Kampfmittelverdachts durften keine schweren Erschütterungen erzeugt werden.

Nachdem die Hüle erstmals mit Wasser befüllt wurde, soll sie künftig vor allem aus Niederschlagswasser gespeist werden. Mitarbeiter des Bundesforstbetriebs haben aus Sicherheitsgründen einen Holzzaun um die Hüle gezogen, der die Sicht auf die Hüle und »hautnahe« Beobachtungen dennoch erlaubt. Informationen zur wiederhergestellten Hüle liefert eine neue Tafel auf einem großen Kalkstein. Auch für Truppenübungsplatz-Guides ist das neue Gewässer eine Bereicherung ihrer Touren auf dem ehemaligen Militärgelände.

»Die Hüle wird ihrer ökologischen Funktion bereits voll gerecht«, freut sich Marlene Jandt. »Es wimmelt nur so von Amphibien und Libellen schwirren dicht über der Wasseroberfläche.« Auch Fledermäuse, Vögel und viele andere Tiere aus der Umgebung profitieren von dem Gewässer.

»Die Tiere erobern sich ihren Lebensraum zurück«

Dass diese Maßnahme unmittelbar effektvoll ist, bereitet ihr besondere Freude. »Die Tiere erobern sich ihren Lebensraum zurück, als hätten sie beinahe ein ganzes Jahrhundert nur auf diese Gelegenheit gewartet.« Lydia Nittel, Leiterin des Funktionsbereichs Naturschutz beim Bundesforstbetrieb, betont, dass der Uferbereich bewusst der natürlichen Entwicklung überlassen und nicht eingesät oder bepflanzt wurde. Bereits jetzt ist er geschmückt von einer roten, blauen und gelben Blütenpracht aus Klatschmohn, Kornblume und Ackersenf und wird von Schmetterlingen und zahlreichen anderen Insekten umschwärmt. (pm)