SONNENBÜHL. Obwohl viele sich zeitig auf den Weg gemacht hatten, waren Sitzplätze rar, schnell wurden noch Bänke und Stühle herbeigetragen, damit alle dem Vereinigungsereignis in der Erpftalhalle in Sonnenbühl beiwohnen konnten. Im 50. Jahr der Gemeindefusion von Genkingen, Undingen, Willmandingen und Erpfingen, die heuer gefeiert wird, haben nun auch die jeweiligen Kirchengemeinden zum 1. Januar fusioniert.
Passend zum Wochenspruch: »Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes« feiern die Sonnenbühler ihre Kirchenfusion, wie Pfarrer Hansjörg Eberhardt aus Genkingen anmerkte. Eberhardt sprach von gemischten Gefühlen, die in der Gemeinde herrschten: »Nicht allen hat der Gedanke an den Zusammenschluss gefallen, es wurden dicke Bretter gebohrt und oft entstand der Eindruck, dass hier etwas zu Grabe getragen wird.«
»Viele Teile bilden ein Ganzes, der Glaube fügt sie zusammen«
Doch nun gelte es im Geist Gottes, »der unseren Bedenken immer schon einen Schritt voraus war, sich gemeinsam auf den Weg zu machen«. Und so entzündete er gemeinsam mit dem kirchlichen Nachwuchs die Vereinigungskerze. Gemeinsames Singen folgte und danach galt es Gruppen mit jeweils vier unterschiedlich farbigen Liedblättern zu bilden, die zusammen ein Lösungswort ergaben: »Angenommen« kam heraus – als Symbol des sich auf den Wegmachens. Pfarrer Normann Grauer, der der schon 2019 fusionierten Kirchengemeinde Willmandingen-Erpfingen vorsteht, bemühte das Bild von der Gemeinde als Leib Christi: »Viele Teile bilden ein Ganzes, der Glaube fügt sie zusammen.«
»Das neue Konstrukt will mit Leben gefüllt werden«, sagte Pfarrer Simon Wandel in seiner Predigt. Er verglich die Fusion mit einem Baugebiet, das zwar erschlossen, aber noch nicht bebaut ist oder mit einem leeren Blatt Papier, das noch nicht beschrieben ist. Sieben Gemeinden (mit Salmendingen, Stetten und Melchingen), 4.600 Gemeindemitglieder, 400 davon ehrenamtlich engagiert, über 20 Personen mit Arbeitsverträgen, darunter drei Pfarrer und die Vikarin Lydia Keller, dazu noch Gebäude, die saniert werden müssen und unter Denkmalschutz stehen – eine Menge Herausforderungen: »Wie die neue Kirchengemeinde aufs Gleis setzen«, lautet seinen Worten zufolge eine wichtige Frage.
Die wichtigste sei jedoch: »Wo liegt das Zentrum der evangelischen Kirchengemeinde Sonnenbühl?« Die Antwort liegt laut Wandel nicht in den Satzungen und Strukturplänen, sondern in der Bibel. »Das Zentrum ist kein Ort, sondern Christus selbst. Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat«, heiße es beim Apostel Paulus. Wandel versprach allen, dass ins Staunen komme, wer es zulasse und den anderen annehme. »Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingen wird«, sagte der Undinger Pfarrer.
Nach den Fürbitten von vier Kirchengemeinderäten verlangte Pfarrer Eberhardt in seiner gewohnt knitzen Art Multitasking-Fähigkeiten von den Kirchenmitgliedern nämlich gleichzeitiges Singen und den Geldbeutel herausholen, um eine Spende in den Klingelbeutel zu werfen. Das Opfer war für die Johann-Ludwig Schneller-Schule im Libanon bestimmt. Dass Eberhardt den Sonnenbühler Schneller zum berühmtesten Sohn Erpfingens machte, zeigte, dass auch bei ihm der Fusionsgedanke noch nicht ganz gegriffen hat.
»Wo liegt das Zentrum der Kirchengemeinde Sonnenbühl? «
Dekan Marcus Keinath, zuständig für den Kirchenbezirk Reutlingen, zitierte in seinem Grußwort den griechischen Philosophen Platon, der gesagt habe: »Alles Nachdenken beginnt mit Staunen.«»Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet«. Diesen von Luther übersetzten Satz aus einem Brief des Apostel Paulus an die christliche Gemeinde in Rom wollte Keinath nicht als Imperativ verstanden wissen, sondern in der griechischen Auslegung als Indikativ: »Wir sind fröhlich in der Hoffnung …«
Sonnenbühls Bürgermeister Uwe Morgenstern nutzte sein Grußwort, um an die 50 Jahre zurückliegende Fusion der Kommunalgemeinden zu erinnern. »Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern«, griff Morgenstern auf Lampedusa zurück, um deutlich zu machen, dass Veränderungen notwendig sind bei sinkenden Gemeindemitgliederzahlen, was wiederum weniger Geld bedeutet und weniger Pfarrstellen, die besetzt werden können. Auch der weltliche Zusammenschluss 1975 sei keine Liebesheirat gewesen, es habe wie jetzt, schwere Widerstände zu überwinden gegeben. Letztlich habe sich jedoch der Zusammenschluss bewährt. Und sogar der Name gehe heute jedem leicht über die Lippen, was anders hätte enden können, denn damals standen Vorschläge für wie »Höhlenbuch«, »Albstetten« oder »Steinenalb« zur Auswahl. Was aber schenkt ein Bürgermeister zu so einer Fusion fragte Morgenstern ins Publikum. Die Lösung hatte er schon dabei. Es gab für das Pfarrquartett je eine Flasche des ersten Sonnenbühler Bärenhöhlenweins.
Im Namen der kirchlichen Ökumene in Sonnenbühl sprach Marco Allmendinger davon die Türen der Ökumene weiterhin offen zu halten. Er freue sich schon auf viele gemeinsame Veranstaltungen. "Von ihm gab es für die neue Kirchengemeinde eine Skulptur des Gönninger Metallkünstlers Wolfgang Walter, die den beziehungsreichen Titel "Miteinander" trage – "und dies auf dem goldenen Boden von Jesus Christus." (GEA)