GAMMERTINGEN. Rein kommen sie, raus nicht immer: Das Gammertinger Narrengericht musste heuer auf dem Großen Schlossplatz gleich zwei Fälle von unfreiwilliger familiärer Freiheitsberaubung verhandeln. Artur Acker »wankte und fiel«, hieß es in der Klageschrift, ausgerechnet gegen die Tür der Duschkabine. Dort saß nun die Gattin fest und erst Arturs Schwiegervater konnte sie aus der prekären Lage befreien. So was kann vorkommen, der zum Tatzeitpunkt schwanger gehende Vater hatte für zwei getrunken. Der zweite Fall war da schon mauerstein-schwerwiegender. Herbert Göggel und Ewald Heinzelmann halfen löblicherweise beim Hausbau des Nachwuchses. Und mauerten sich dabei ein.
Eingemauert in der Erden
Sie hätten sich wohl an den Plan der Zisterne gehalten, meinten die Ankläger Ewald Thiel und Wolfgang Göggel. Befreit werden mussten sie durchs Dach mithilfe eines Krans – ein Fest für alle Nachbarn, die dem »Wunder von Hörschwag« atemlos beiwohnten. Und wahrscheinlich auch ein Fest für die Kreishandwerkerschaft Reutlingen, deren Vorsitzender der Ewald Heinzelmann ist. Da war Gnade von Richter Wolfgang Herre nicht zu erwarten: Die fleißigen Handwerker wurden zur Mithilfe beim Berliner Flughafen und bei der Gammertinger Stadthalle verdonnert.
Wahrscheinlich hätte Bauunternehmer Wolfgang Lieb die beiden nicht aus ihrer Zisterne befreien können. Der musste den Fassanstich beim Stadtkapellenfest nach vom Gericht geschätzten 300 Schlägen und einem zweimal zerlegten Hammer aufgeben – das Fass war irgendwann mal ausgelaufen. Stadtrat Lieb kam mit einer milden Strafe davon. Der Hauptschuldige sei schließlich die Brauerei, die einen lausigen Schlegel und einen zu großen Zapfhahn geliefert habe. Trotz der Guinessbuch-verdächtigen Leistung will Richter Herre im nächsten Jahr erfahrene Biertrinker am Hammer sehen.
Auch Lieb-Bruder Berthold stand auf der Anklagebank, der kam sogar mit einem Freispruch davon. Pikant dabei: Berthold sorgt als Bolizei-Brolde dafür, dass vorm Narrengericht alles eine Ordnung hatte. Mit ihrem Amtssäbelschwinger wollten es sich Richter und Ankläger vielleicht nicht verderben, obwohl er eine nicht unwesentliche Rolle im Moorbad-Skandal gespielt hatte.
In Tateinheit mit Josef Rogg, Walter Bollmann und Werner Knöhr war er beim Anflexen einer städtischen Wasserleitung in der Kiverlinstraße beteiligt. Jung-Stadtrat Bollmann habe sich mit dem dabei entstandenen Spaßbad ein Denkmal setzen wollen – Bollmann muss zur Strafe das Schwimmabzeichen Seepferdchen nachholen.
Verteidiger sieht die Prozessordnung des historischen Narrengerichts nicht vor, das beschleunigt die Verhandlungen ungemein und kann zu drakonischen Strafen führen, wie Jörg Wehner von der Katzamusik erfahren musste. Der Hobbyaquarianer trank bei der vergangenen Fasnet wie einer seiner Fische, strippte wie ein Profi und verweigerte den weiblichen Fans dann den versprochenen Schlummertrunk. So geht’s natürlich nicht, nächstes Jahr strippt er mit Ansage bei der Frauenfasnet und zehn Prozent der Trinkgelder aus seiner Unterhose gehen an die Narrenkasse.
Frühe Ostern
Wenn die glückselige Fasnet zu Ende geht, sind es noch sieben Wochen bis zum Auferstehungsfest. Österlich war es Pfarrer Wolfgang Drescher schon bei der Christmette zumute, als er seinen Schäfchen »Frohe Ostern« wünschte. Ein Freud’scher Wunsch, meint das Gericht, zwischen den Krippenfiguren habe sich ein Hase gemischt. Künftig auf Hasen an Weihnachten und Weihnachtsmänner an Ostern achten und den Messweinbestand zugunsten der Gerichtskasse senken, lautete der Schiedsspruch.
Mit »Malifizium Justitium Finnissimum Punktum« beschloss Seine Ehren Herre die Verhandlung. Klagen für den Gerichtstag 2021 können ab sofort gesammelt werden. (wu)