SIGMARINGEN/GAMMERTINGEN. Verfahren eingestellt: Der vierte - und letzte - Verhandlungstag gegen den Pyrotechniker, der die Hochzeit von Bruno und Corinna Göggel am 23. Juli 2022 mit einem Musik-Feuerwerk bereicherte, fand ein überraschendes und schnelles Ende. Verteidigerin Regina Rick zog sich mit Staatsanwältin Denise Merkle und Richterin Ruth Rosauer kurz zur Beratung zurück, um zu klären, ob eine Einstellung des Verfahrens in Betracht käme. Ja, entschied die Richterin, der 48-jährige Angeklagte muss zwar die happige Summe von 15.000 Euro »zugunsten der Staatskasse« bis Mitte Januar begleichen. Damit ist das Verfahren gegen ihn wegen fahrlässiger Brandstiftung aber zu Ende. Im Strafbefehl, der ursprünglich gegen ihn verhängt wurde, wurde er zur Zahlung von 120 Tagessätzen à 70 Euro verurteilt - deutlich weniger als die jetzt verhängte Summe. Allerdings wäre er wegen der Zahl der Tagessätze vorbestraft gewesen - dazu hätten 90 Tagessätze gereicht.
Die rauschende Hochzeitsfeier in Gammertingen mit Promis und Flugshow fand ein flammendes Ende. Große Teile des Göggel-Areals, auf dem das Fest stattfand und das Feuerwerk abgebrannt wurde, gingen in Flammen auf. Der Großbrand beschäftigte über das Laucherttal hinaus Bürger und Medien, der Schaden war beträchtlich. Entsprechend wurden an den drei vorangegangenen Verhandlungstagen eine Vielzahl von Zeugen gehört: Brandgutachter, ein Sachverständiger für Brandursachen, aber auch die Feuerwehr, die damalige rechte Hand von Bruno Göggel, der das Unternehmen mittlerweile verlassen hat, einer der Göggel-Söhne, der jetzt Geschäftsführer ist, und Corinna Göggel. Was hat Richterin Rosauer also bewogen, das aufwändige Verfahren einzustellen? Es sei an diesem Tag »unglaublich viel schief gegangen«, sagte Rosauer in ihrer kurzen Begründung: »Dass Sie wollten, dass es zum Brand kommt, war nie ein Thema.« Und möglicherweise habe der Mann Fehler gemacht, er hätte es besser machen können. Aber es sei nicht Aufgabe der Strafverfolgung, dem zivilrechtlichen Prozess vorzugreifen.
Aus dem Schneider ist der Feuerwerker damit noch lange nicht. Die Brandschutzversicherung hat an die Firma Reifen-Göggel 20,1 Millionen Euro für zerstörte Reifen und Gebäude überwiesen, wie ein Geschäftsführer des Reifen-Großhandels am dritten Verhandlungstag aussagte. Dem Pyrotechniker steht sicher noch ein zivilrechtliches Verfahren ins Haus, in dem es um seine bürgerliche Existenz geht - seine eigene Versicherung würde nur einen Bruchteil der Schadenssumme abdecken, sagte er zu Beginn des Prozesses.
»Dass Sie wollten, dass es zum Brand kommt, war nie ein Thema«
Mit der Einstellung des Verfahrens - und dem Wegfall einer drohenden Vorstrafe - hat er auf jeden Fall seine Position verbessert. Dass keine Entscheidung gefallen sei, sei allein schon eine Aussage, sagte Richterin Rosauer. Und seine Anwältin hat den Grundstein für das Zivilverfahren gelegt. Auch wenn es für einen Freispruch nicht gereicht hat: Regina Rick hat mit ihren beharrlichen Nachfragen an alle Beteiligten klargemacht, dass sie nicht bereit ist, ihren Mandanten den alleinigen Sündenbock spielen zu lassen.
Bei der Schulung zum Pyrotechniker spielt Brandschutz nur am Rande eine Rolle, sagte der Pyrotechniker glaubwürdig aus. Für den Brandschutz oder ein Brandschutzkonzept sind möglicherweise andere zuständig, im aktuellen Prozess wurde das nicht geklärt. Der Veranstalter, die genehmigenden Behörden, die Feuerwehr: deren Rollen dürften im Zivilprozess genauer beleuchtet werden. Dass glimmende Feuerwerkskörper wenn's dumm läuft Reifenstapel entzünden können, hatte der den Prozess begleitende Sachverständige Karl-Heinz Simon in einem Versuch simuliert. Allerdings muss da einiges zusammen kommen. Simon hatte dargelegt, dass in einem »Kamin« aus Reifenstapeln ein Feuer aus einer kleinen Flamme entstehen könnte. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass ohne diese Kamine die Feuerwerksreste wahrscheinlich harmlos verglüht wären.
Auch die Rolle der Feuerwehr dürfte noch einmal zur Sprache kommen. Die Gammertinger Abteilungen und die Kameraden aus den umliegenden Ortschaften haben in der Brandnacht - am Ende waren 380 Feuerwehrleute mit 70 Fahrzeugen im Einsatz - Schlimmeres verhindert. Die Brandwache war mit einem Löschfahrzeug und sechs Mann vor Ort, aber vor dem Feuerwerk fand keine Begehung statt. Ein Security-Mitarbeiter sagte aus, dass wahrscheinlich zur Besucherlenkung abgestellte Lkw den Einsatz der Brandwache behindert hätten. Bisher gar nicht gehört wurde auch der Hersteller beziehungsweise der Vertreiber der Feuerwerkskörper. Ein Feuerwerk soll ja schließlich am Himmel verglühen und nicht Veranstaltungsräume in Brand setzen.
Im Zivilprozess dürften also noch eine Menge Fragen zu klären sein. Da es weder Plädoyers noch Urteil gab, wurden die Hintergründe vorm Sigmaringer Amtsgericht nicht erläutert. Eine Frage, die die Gammertinger nach der Katastrophe besonders beschäftigte, wurde ebenfalls nicht vertieft: Der Sommer 2022 war heiß und trocken, bis kurz vor den Hochzeitstag durfte nicht einmal gegrillt werden. Aber ein nicht gerade kleines Feuerwerk durfte veranstaltet werden? (GEA)