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Aktuell Gefahr

Ein sesshafter Wolf auf der Schwäbischen Alb nur noch Frage der Zeit

So richtig glauben mag Schäfer Stotz nicht, dass der Wolf die Schwäbischen Alb verschont und sich dort nicht niederlässt. Ob er seinen Betrieb mit drei Herden aufrecht erhalten kann, steht in den Sternen.

Das Bild zeigt einen Wolf, der in einem Wildpark hinter einem Baum hervorschaut. Von dem Römersteiner Wolf gibt es nur ein Schwa
Das Bild zeigt einen Wolf, der in einem Wildpark hinter einem Baum hervorschaut. Foto: dpa
Das Bild zeigt einen Wolf, der in einem Wildpark hinter einem Baum hervorschaut.
Foto: dpa

MÜNSINGEN. Der unlängst in Römerstein auf der Schwäbischen Alb gesichtete Wolf kam seiner Schafherde gefährlich nahe. Das gibt Schäfer Christian Stotz zu denken. Bisher war er dankbar für jedes Jahr, wo der Wolf vorbeizieht und sich nicht niederlässt. »Es ist aber nur eine Frage der Zeit. Ich kann mir nur nicht so richtig ausmalen, welche Veränderungen es für uns nach sich zieht, wenn der Wolf sesshaft wird«, sagt Stotz. 13 Betriebe mit Schafhaltung gibt es im Umkreis.

Der 36-Jährige lebt in Münsingen, mitten im Biosphärengebiet Schwäbische Alb. 2.000 Muttertiere nennt er sein Eigen, hinzu kommen zwischen 25 und 30 Böcke. Stotz und Familie leben vom Verkauf lebender Schafe und der Schlachtung von Lämmern. Schlachttag ist immer freitags. Die Ware vertreibt die Familie in Restaurants und Metzgereien. Die ursprünglich reine Wanderschäferei habe sich mit den Jahren gewandelt, sagt Stotz. Im Winter sind die trächtigen oder abgelammten Mutterschafe mit ihrem Nachwuchs im Stall in Münsingen. Eine Herde zieht auf die Winterweide nach Oberschwaben. 

Stotzs Tiere sind in drei Herden unterteilt. Deswegen komme für ihn auch kein Herdenschutzhund in Frage. Denn: Durch die Geburten und Kleinlämmer werden die Herden in der Schäferei immer wieder neu zusammengestellt. Ein Herdenschutzhund könne deswegen dort nie die optimale Bindung zu einer bestimmten Herde, dem Schäfer und seinen Hütehunden aufbauen.

14 Hektar Eigenland hat der Schäfer, 28 Hektar hat er von der Stadt gepachtet. Seine Schafe weiden an steilen Hängen auf Wacholderheiden und auf Kalkmagerrasen, überall dort, wo nicht gepflügt werden kann. Die Hauptweidefläche allerdings ist der nahe, ehemalige Truppenübungsplatz. »Für mich persönlich habe ich Sorge, dass der Wolf am Truppenübungsplatz hängen bleibt, dort herrschen ideale Bedingungen«, erzählt Stotz. 6.400 Hektar Land, 3.500 Hektar Wald - und viele Schafe.

Mehrere Wolfnachweise

Laut dem Wildbiologen Felix Böcker von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg gibt es auf der Schwäbischen Alb schon mehrere Wolfsnachweise. Zwei im Juni im Landkreis Esslingen und eben jener im August in Römerstein (Kreis Reutlingen), der Stotz Sorgen bereitet. Die Gemeinde Römerstein liegt außerhalb der Fördergebiete Wolfsprävention Schwarzwald und Odenwald. »Wir erwarten, dass sich Wölfe auch in anderen Regionen des Landes niederlassen«, sagt Böcker. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Zahl der geschützten Tiere in Baden-Württemberg noch gering. Im Schwarzwald gibt es schon ein Rudel. Ein Welpe wurde fotografiert. Ob es weitere Welpen gibt, könnten nur Nachweise in den kommenden Monaten zeigen, sagt Böcker.

Innerhalb eines Fördergebietes unterstützt das Land mit mehreren Millionen Euro Tierhalter etwa bei der Anschaffung und beim Unterhalt von Weidezäunen und Herdenschutzhunden. Zudem gibt es Ausgleichszahlungen für gerissene Nutztiere, Tierkörperbeseitigung oder Tierarztkosten. Unter anderem deswegen bereitet sich Stotz nach eigenen Angaben noch nicht auf den Wolf vor. Denn auch er wäre auf Unterstützung angewiesen. Seine Zäune, die er immer auf- und abbaut, sind 90 Zentimeter hoch. Zum Schutz vor einem Wolf sind 120 Zentimeter vorgeschrieben. »Aber ob diese Höhe ausreicht, da bin ich mir nicht sicher. Manche sagen, dass der Wolf drüberspringen kann. Meine Schafe springen aus dem Stand rund einen Meter hoch«, sagt Stotz. Und die Sache mit den Herdenschutzhunden käme in seinem Betrieb mit drei Herden ohnehin nicht in Betracht. Wie also vorbereiten?

Auf der Suche nach einem Territorium

Die verschiedenen Wolfsnachweise im Land führt Böcker darauf zurück, dass Jungwölfe von ihren Eltern abwandern und nach einem geeigneten Territorium oder einem Partner, dem man sich anschließen kann, suchen. »Wir rechnen seit vielen Jahren, dass immer mehr Tiere kommen werden. Die Frage ist nur: Wo gibt es das nächste Rudel?« Da das Durchziehen des Wolfes dynamisch sei, könne sich deren Zahl innerhalb kürzester Zeit vervielfachen. Böcker fragt sich, wie Gesellschaft und Politik mit dem Wolf umgehen. »Wird der Wolf überall die Möglichkeit bekommen, zu leben und sich zu vermehren?«

Manuel Hailfinger, Landtagsabgeordneter in Stuttgart, kommt aus dem Wahlkreis Hechingen-Münsingen und ist mit vielen Schäfern dort im Kontakt. Die meisten sagten, sie würden aufgeben, falls sich ein Wolf niederlasse. »Die Gefahr ist relativ hoch, dass wir hier einen dauerhaft sesshaften Wolf bekommen. Eher früher als später«, sagt Hailfinger.

Der größte Konflikt besteht aus seiner Sicht zwischen dem Wolf und der Weidetierhaltung, die einen sehr großen Mehrwert für die Biodiversität darstellt. »Die Masse an Wölfen wird dazu führen, dass Weidetierhalter aufgeben. Dadurch wird dann die wertvolle Landschaft, die man Jahrzehnte lang aufgebaut hat, zerstört.« (dpa)