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Ein ganzes Jahr fast ohne Auftritt: Künstler in der Region in der Misere

Musiker und Theaterleute aus der Region tauschen sich über die Auswirkungen des Lockdowns aus. Viele neue Projekte

Applaus per Bildschirm: Livestream »Kreativ in der Krise«. FOTO: PRIVAT
Applaus per Bildschirm: Livestream »Kreativ in der Krise«. FOTO: PRIVAT
Applaus per Bildschirm: Livestream »Kreativ in der Krise«. FOTO: PRIVAT

MÜNSINGEN. »Kreativ in der Krise – Künstler im Corona-Jahr«: Es ging ans Herz, was da zu sehen war beim Live-Stream von SPD-Landtagskandidat Klaus Käppeler und dem Musiker Carl W. Vom »Ave Maria« bis zu »Iron Maiden« reichte das Spektrum. Das Fazit: Die Kultur fehlt den Menschen, und viele Künstler sind in ihrer Existenz gefährdet.

Am Sonntag waren es 365 Tage, dass die Künstler nicht mehr live arbeiten durften, abgesehen von ein paar kleinen Auftritten im Sommer, draußen und auf Abstand. »Wir Kulturschaffenden sind ganz klar in unsere Existenz gefährdet«, erzählt Joe Vox, hauptberuflicher Musiker aus Reutlingen im Livestream »Kreativ in der Krise«. Zwar sei er ein Optimist und froh, dass er in Deutschland lebe, aber die lange Dauer ohne Kultur live macht vielen zu schaffen.

Einbußen fürs Naturtheater

Eine bunte Truppe hatte sich an diesem Abend versammelt, natürlich jeder zu Hause vor dem Bildschirm, Käppeler und Carl W., selbst Musiker und Organisator der offenen Bühne in Dettingen, hatten zu diesem Kulturevent eingeladen. Zum einen, damit die Betroffenen erzählen konnten, wie es ihnen in diesem Jahr der Pandemie ergeht, »aber auch um zu zeigen, dass viele kreative Projekte wie Pilze aus dem Boden geschossen sind«, so Carl W. So standen auch die musikalischen Beiträge im Vordergrund, weniger die Talkrunden.

Joe Vox beispielsweise ist es im ersten Lockdown gelungen, 20 Künstler aus acht Ländern für ein CD- und Videoprojekt zu gewinnen. »COVered IDentities 20« heißt es und das neueste Stück, gemeinsam mit dem Metzinger Musiker Moert, wurde an diesem Abend sogar als »Weltpremiere« gezeigt. Vox trifft der Lockdown besonders hart, da er davon lebt, aber auch die anderen leiden unter der Situation. Eva Schleker vom Naturtheater Hayingen berichtete von enormen Einbußen, aber vor allem, dass sie nicht auf der Bühne stehen könne, breche ihr beinahe das Herz, sagte sie sichtlich bewegt in der digitalen Runde.

»Wir hatten einen Auftritt unter Pandemie-Bedingungen – und das war recht seltsam«, erzählt Sina Müller, die gemeinsam mit Markus Beck für die Band »Cat down the river« dabei war und die zwei ihrer neu entstandenen Videos zeigten. Denn viele Musiker haben sich ins Studio zurückgezogen, um Stücke aufzunehmen. So auch »Rebeldes Minds«, eine Newcomerband aus Münsingen mit dem Sänger Fabio Lentini, der schon Gast bei DSDS war. »Der Lockdown war Pech und Segen zugleich für uns«, erzählt er, denn so hatten sie Zeit für eine Aufnahme und das Ergebnis hat durchaus Hitpotenzial, wie die Zuhörer selbst hören und sehen konnten.

Für Gänsehaut und einen Kontrast sorgte an diesem Abend Karina Aßfalg, Opernsängerin aus St. Petersburg, die es der Liebe wegen vor 15 Jahren nach Zwiefalten verschlagen hat. Ein Stück aus »Nabucco« und das »Ave Marie« hatte sie eingesungen. Den Abschluss des unterhaltsamen Abends machte die Countryband »Wild Country & Udo G.«, die seit einigen Jahren live für Stimmung sorgen, die aber nun auch online zu finden sind. Carl W. spielte zum Abschluss live ein Stück, das es üblicherweise nicht zu hören gibt: »Sintflut« aus der Feder eines guten Freundes, wie er berichtet.

»Ein grandioser Abend, der viel Spaß gemacht hat«, kommentierte eine Zuschauerin. Aber ein richtiger Ersatz für ein Livekonzert ist es eben dennoch nicht. Wenn jeder vor dem Bildschirm sitzt und stumm applaudiert. »Ich hoffe, dass es nicht still wird in unserem Land, denn auch die Kunst ist systemrelevant«, lautete ein Kommentar. Und damit ist alles gesagt. (fm)