MÜNSINGEN. »Die Irokesen-Spikes der haarigen Raupen bedürfen für das Styling jedoch keines Gels oder von Zuckerwasser«, beschreibt Günter Künkele auf humorvolle Weise diese nett anzuschauende Laune der Natur. Künkele, Natur-Fotograf und Verfasser zahlreicher Bücher über das Biosphärengebiet Schwäbische Alb und seine einzigartige Natur, hat das besondere Exemplar vor die Linse bekommen. Dass er es überhaupt entdeckt hat, verdankt er seinen Enkeln, die ihn beim Streifzug im Lautertal begleitet haben.
Spitzahorn, Ahorn, Rosskastanie, Linde und Salweide: Die Raupe ist nicht allzu wählerisch und hat sich genügend Gewicht angefuttert, um den Winter im Puppenstadium zu überstehen – erst im April oder Mai wird sie ihren Kokon verlassen und ihr vergleichsweise kurzes Leben als Ahorn-Rindeneule beginnen. Der Nachtfalter wird meist nur wenige Wochen alt, »tagsüber ruht er fast unsichtbar an Baumstämmen«, erläutert Künkele. Eine auffällige Schönheit ist der zwar große, aber unspektakulär graue Schmetterling nicht: »Die Raupe ist hübscher«, sagt Künkele. Und – im Gegensatz zu den Nachtfaltern – auch nicht zu verwechseln. Das wilde Haarkleid ist nicht ohne Hintersinn: »Die Haare schützen die Raupe vor Fressfeinden«, erklärt Künkele. Außerdem ist es zumindest bunt genug, um als Warnfärbung durchzugehen und das Tierchen für Vögel und andere Futtersuchende unappetitlich genug auszusehen.
Trotz der ausgeklügelten Verteidigungsstrategie habe die Häufigkeit der Ahorn-Rindeneule und ihrer Raupe in den vergangenen Jahrzehnten überall nachgelassen, bedauert der Naturschützer, der die Menschen mit seinen Publikationen vor allem auch für die Artenvielfalt, deren Erhalt und den achtsamen Umgang mit der Natur sensibilisieren will. (ma)