MÜNSINGEN. Die Förderung von Vereinen ist eigentlich eine Routine-Angelegenheit: Die Stadt fördert Institutionen, die vorwiegend im Bereich Musik und Sport aktiv sind und eine intensive Jugendarbeit betreiben, mit einem Fixbetrag von 500 Euro, für begründete Anschaffungen gibt’s weitere Zuwendungen. Voraussetzung dafür sind Anträge – passt alles, stimmt der Gemeinderat in der Regel ohne Diskussion zu. Dieses Mal ging das Thema allerdings nicht so reibungslos innerhalb von Minuten über die Bühne: Gemeinderat Daniel Stark erhob Einwände gegen die Förderung des CVJM Münsingen.
Seine Vorwürfe schilderte er nach der Sitzung auch schriftlich in einer E-Mail an den GEA. Bei einer Sommerfreizeit habe der CVJM Münsingen mit Kindern an einem Zeltlager mit charismatischer Ausrichtung teilgenommen. »Dort wurde Kindern höchst manipulativ der Glaube an den Heiligen Geist eingeflößt«, so Stark. »Durch die Handlungen kam es zum Umfallen/ohnmächtig werden von Kindern.« Die Eltern seien nicht über diese charismatische Ausprägung informiert gewesen. Die charismatische Ausrichtung sei offenbar nur bei einer Untergruppe des CVJM Münsingen vorhanden und werde nicht von allen Vereinsmitgliedern unterstützt, schreibt der Gemeinderat.
Eine von vielen Ausrichtungen
Mit diesen Schilderungen konfrontiert, hat CVJM-Vorsitzender Martin Schwenkedel nun eine umfangreiche Stellungnahme vorgelegt. Die Vorwürfe beziehen sich demnach auf eine Jugendfreizeit, die im August 2019 stattgefunden habe. Seit 30 Jahren, führt Schwenkedel aus, veranstalte der Verein Kirche im Aufbruch die sogenannte Zeltstadt auf ihrem Freizeitgelände in Deggingen. Ebenso lange nehmen Mitglieder des CVJM Münsingen daran teil, seit einigen Jahren auch in Form einer Jugendfreizeit. "Kirche im Aufbruch arbeitet mit der Evangelischen Landeskirche und mit Christen aus allen Konfessionen zusammen und versteht sich als charismatische Erneuerungsbewegung", erläutert Schwenkedel. In den verschiedenen christlichen Konfessionen gebe es geistliche Strömungen, die den persönlichen Glauben ausdrücken: "Hierzu zählen evangelikale, pietistische, pfingstliche und charismatische Ausprägungen. Bei der zuletzt Genannten wird neben der Liebe zu Gott Vater und zu Jesus Christus seinem Sohn auch die Beziehung zum Heiligen Geist betont."
Starks Vorwurf, dass den Eltern diese Ausprägung nicht bekannt gewesen sei, widerspricht Schwenkedel: Man habe bei der Ausschreibung der Freizeit kein Geheimnis aus dem Veranstalter und dessen Ausrichtung gemacht. Teil der Freizeit seien Predigten. »Inwieweit sich ein Teilnehmer darauf einlässt, liegt im eigenverantwortlichen Handeln der Jugendlichen und Erwachsenen. Natürlich kann es sein, dass die Kenntnis von einem Wirken des Heiligen Geistes bisher unbekannt und deshalb neu war«, so Schwenkedel weiter. Auf eine Begegnung mit dem Heiligen Geist reagieren Menschen demnach verschieden, eine mögliche Reaktion sei das »Ruhen im Geist«. Dabei könne es vorkommen, »dass Personen in sich zusammen sacken, bei vollem Bewusstsein auf dem Boden liegen und einen tiefen Frieden empfinden. Das wird als wohltuend empfunden.« Er betont, dass die Teilnehmer zu keiner Zeit zu etwas gezwungen wurden und die Veranstaltungen jederzeit hätten verlassen können.
»Natürlich bleibt es bei einer Vereinsgröße von etwa zweihundert Mitgliedern nicht aus, dass es unterschiedliche Auffassungen, auch zu den konkret gelebten Frömmigkeitsstilen, gibt«, formuliert der Vorsitzende in seiner Stellungnahme weiter. Das spiegle sich auch in den Freizeiten wider: »Während es diese eine Jugendfreizeit mit charismatischerer Ausrichtung gibt, bietet der CVJM jeden Sommer drei weitere Freizeiten für Kinder und Jugendliche an, die der charismatischen Ausrichtung nicht folgen.«
Diese Details waren dem Gemeinderat in seiner Sitzung noch nicht bekannt. Das Thema wurde deshalb vertagt. Die Verwaltung will sich bis zur nächsten Sitzung ebenfalls mit den Hintergründen befassen, so die im Rathaus für Kultur und Sport zuständige Anja Noppel. (ma)