SONNENBÜHL. Malen - das liegt wohl irgendwie in ihrer Familie. Obwohl sie selbst erst als Spätberufene zum Pinsel gegriffen hat. Inge Schairer begann vor etwa 25 Jahren damit, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen. Eigentlich war sie immer schon fasziniert von der Kunst ihres Onkels Hans Kramer. Die Familie stammt aus dem Allgäu, Kramer malte bis in die 1970er-Jahre Ansichten seiner alpinen Heimat: Berge, Almwiesen, idyllische Landschaften. Es ist, wie es ist: Hochzeit, Kinder, Umzug auf die Alb - »mein Onkel konnte mir nichts mehr beibringen«, sagt die in Füssen geborene Inge Schairer.
Seit 50 Jahren ist sie auf der Alb, lebt in Engstingen-Kohlstetten. Geblieben ist die Liebe zu ihrer Heimat, in die sie immer noch oft reist. Geblieben sind auch Bilder ihres Onkels. Und sein Malkasten und seine Farben. Und die lösten die Kraft der Kreativität Anfang des Jahres 2000 in Inge Schairer aus. Nebenbei: Musikalisch war sie schon als Kind, aber erst mit 63 Jahren wollte sie wieder musizieren und nahm Keyboard-Unterricht. »Die Kinder waren aus dem Haus. Nur den Haushalt zu führen, war mir zu wenig«, sagt die heute 76-Jährige.
Als Johann Hölz dazu aufrief, ihm für eine Themen-Ausstellung in seinem Kunsthaus Alte Schule in Sonnenbühl-Undingen Werke über das Schloss Lichtenstein einzureichen, las auch Inge Schairer den Artikel im GEA und war sofort dabei. Denn neben den Schlössern ihrer alten Heimat - Neuschwanstein und Hohenschwangau, »meine Schlösser« - hatte sie auch schon den Lichtenstein auf die Leinwand gebracht. »Das Bild war ganz hinten in einer Ecke gestanden, das habe ich gesucht und hervorgeholt.« Das farbenfrohe Gemälde schaffte es in die Lichtenstein-Schau, die das Bauwerk im vergangenen August 90 Mal aus verschiedener Künstlerhand präsentierte. Damals entstand dann auch die Idee, dass Inge Schairer bei Johann Hölz auch eine Einzelausstellung gestalten könnte.
»Die letzte Ausstellung hatte ich vor zehn Jahren«, sagt Inge Schairer. Malen sei für sie ein Hobby. »Ich sehe mich gar nicht als Künstlerin«, sagt sie bescheiden, dazu sei ihr Respekt vor Kirchenmalern, solchen Künstlern, die ihr Handwerk studiert haben, zu groß. Denn die Kohlstetterin ist Autodidaktin, nahm die Ölfarben ihres Onkels und legte einfach los. »Ich habe kein Atelier, habe einfach im Wohnzimmer gemalt, und über Acrylfarben wusste ich nichts.« Sie wollte lernen und belegte bei der VHS Pfullingen einen Kurs, in dem die ersten Bilder in Acryl, mit Mohn und Bambus als Motiv, entstanden. Berge, Landschaften, Licht und Schattierungen auf den Felsen weckten das Interesse der Hobbymalerin.
Blumen malt Inge Schairer gern. Und Erinnerungen, die sie an Reisen hat. Da findet sich Paris mit dem Eiffelturm in farbenfroher Aufmachung, im Sonnenuntergang, in verschiedenen Darstellungen. Ähnlich gestaltet sie eine ganze bildnerische Weltreise auf einer Leinwand, auf der sind unter anderem der Mont Saint Michel, Paris und Eiffelturm, der Tower in London und die Golden Gate Bridge in San Francisco, Kathedralen und andere Bauwerke anderer Länder vereint. Weiteres Reiseziel: Las Vegas. Die funkelnden Lichter, der Glanz der amerikanischen Metropole in Nevada, die mit Entertainment, Kasinos und Nachtleben lockt, haben Inge Schairer begeistert. Realistische Darstellungen sind das nicht, gleichwohl auch nicht abstrakt. »Mich reizt es, Farben zu mischen«, sagt sie.
Die Ausstellung
Die Ausstellung mit Bildern von Inge Schairer ist mit »Buntes Allerlei« überschrieben. Sie beginnt am Samstag, 11. Januar, und ist bis zum 16. Februar zu sehen. Geöffnet ist das Kunsthaus Alte Schule, Hauptstraße 30, in Sonnenbühl-Undingen immer samstags und sonntags, jeweils von 14 bis 17 Uhr. (cofi)
Weniger farbenfroh hat sie in einer anderen Phase gearbeitet. Dabei sind Bilder in Gold und Schwarz entstanden, zweigeteilt meist, entweder horizontal oder vertikal. Es gibt immer zwei Seiten einer Sache, von verschiedenen Perspektiven aus stellen sich Dinge auf unterschiedliche Weise dar. Ist es der Lebensbaum, eine Tangoszene, an afrikanische Darstellungen erinnernde Figuren, Reiher, ein Heißluftballon mit davor drapierter Dreier-Menschengruppe oder eine Tanzende mit Klaviatur und Notenschlüssel - da kommen Inge Schairers Vorlieben für Tanz und Musik zum Tragen - die Szenerien sind stilisiert, scherenschnittartig visualisiert.
Neben ihren eigenen Bildern präsentiert Inge Schairer auch Werke ihres Onkels Hans Kramer im Kunsthaus. Und so schließt sich ein Kreis, von der ersten Inspiration bis zum letzten Bild, das die Kohlstetterin gemalt hat. Denn auf Leinwand arbeitet sie momentan nicht mehr. Ganz zur Seite gelegt hat sie Pinsel und Farben aber nicht, beschäftigt sich aber nur noch mit »kleineren Dingen«. So bemalt und bearbeitet sie Wurzeln, Steine, die sie aus ihrer Heimat mitbringt. »Da stehe ich oft stundenlang im Bett des Lechs und suche. Aber meist findet der passende Stein mich.«
Auf flachere Exemplare malt sie ganze Landschaften oder »ihre« Schlösser. Und dann liebt sie noch das Spiel mit der Illusion, aus runden Steinen entstehen Kürbisse, es gibt Schuhe, eine Robbe, andere Geschöpfe, »was mir ins Gedächtnis kommt«, sagt sie. »Ich wollte eigentlich nicht mehr ausstellen, aber nun bin ich freudig aufgeregt und bin gespannt auf das Feedback der Leute.« (GEA)