TROCHTELFINGEN. Simon Boegler hat gut zu tun. Dass er schon um 2.30 Uhr aufgestanden ist, erst mal das acht Monate alte Söhnchen Artur versorgt hat und dann 150 Kilometer bis nach Trochtelfingen zurückgelegt hat, merkt man dem jungen, freundlichen Mann nicht an. Die Kisten in seinem Wagen sind gefüllt, an Arbeit mangelt es ihm nicht. »Der rollende Schleifstein« hat Konjunktur. Viele seiner Zunft gibt es nicht mehr, der Reutlinger Mathias Schwarz kam immer nach Trochtelfingen zum Martinimarkt, im vergangenen Jahr blieb nach seinem Tod im Oktober sein Standplatz im Städtle leer. Für viele Trochtelfinger traurig, wussten sie doch verlässlich, dass im November ihre Scheren und Messer gut geschliffen wieder weiter ihren Dienst tun werden. »Mathias Schwarz war mein Mentor«, sagt Simon Boegler.
Einem Kunden, der nachfragt, zeigt er eine Fotocollage zum Beweis. Zu Ostern 2023 hätten sie sich noch unterhalten und gescherzt, dass der Augsburger in fünf Jahren Schwarz' Aufgabe übernimmt. »Das ist jetzt leider viel früher passiert«, sagt Simon Boegler. Die Trochtelfinger freut's, dass die Lücke geschlossen ist. Seit April ist Boegler auf Märkten landauf, landab unterwegs. Und in Trochtelfingen ist er nicht allein: Am Stand nebenan bringt seine Schwiegermutter Tischdecken an den Mann, nun ja, meist eher an die Frau. »Der Martinimarkt ist ein super Markt, gut sortiert«, sagt Boegler, auch wenn er eine weite Anreise auf sich nehmen muss.

Ohne Gabel und Messer geht's aber auch: Ob Dinnete, Rote, Schupfnudeln und mehr - Herzhaftes wird einfach aus der Hand verspeist. Zur Mittagszeit füllen sich Straßen und Gassen. »Hosch scho a Wurschd ghet?«, rufen sich Bekannte zu, die sich zwar zufällig begegnen, aber fast zu 100 Prozent sicher sein können, dass jeder jemanden trifft, den man kennt. Denn Martinimarkt - das sei ja der ultimative »Trochtelfinger Nationalfeiertag«, wie ein Besucher erklärt. Und sich nicht weiter ins Gespräch vertiefen lässt, sondern schon wieder jemanden erspäht und über die Straße ruft: »Ah, ihr habt schon Tüten in der Hand, habt schon eingekauft!«
Das kann man beim Martinimarkt. Von Staubsaugern bis Unterwäsche, von ätherischem Öl bis Tee und Gewürzen, von Honig über Karten bis Spielzeug, von Tiroler Spezialitäten und Käse bis zu Wurst von Schmauders Hof, von Klamotten, Hüten, Mützen über Spielzeug, Socken, Schuhen und Haushaltswaren bis zu Süßigkeiten, Lebkuchenherzen, Zuckerwatte, gebrannten Mandeln und Magenbrot: Das Angebot ist riesig. Die Standplätze der Händler haben sich zum Vorjahr etwas verändert, unten an der Marktstraße ist Schluss, der Lindenplatz bis zum Albquell Bräuhaus blieb diesmal verwaist.
»Schöne Schuhe, gutes Leder ist das«, sagt ein Verkäufer, der einen kleinen Tritt vor sich stehen hat. »Kommen Sie doch her, an solches Leder dürfen Sie nicht mit normaler Schuhcreme drangehen«, sagt er und macht sich am Schuhwerk der Kunden zu schaffen, reibt es mit der Pflegetinktur ein. Dass sein Lederpflegemittel funktioniert, die Oberfläche versiegelt, beweist er dann sofort und schüttet etwas Wasser aus einer Flasche über den Schuh. Es perlt ab, hinterlässt keine Flecken. Bestes Verkaufsargument. »Für Ihren Ledermantel können Sie es auch nehmen, und haben Sie Ledersitze im Auto oder Ledermöbel?«
»Für uns sind diese Zusatzmärkte toll«, sagt Lea Stooß. Der Martinimarkt in Trochtelfingen sei immer schön. »Und das Wetter wird jetzt auch noch richtig toll«, sagt die Verkäuferin, die den Kunden Wurst & Co. von Schmauders Hof über die Verkaufstheke reicht. Messen, Krämermärkte und Feste gehören neben Wochenmärkten auch zu den Terminen des Mehrstetter Hofs, gerade war der Hof bis Sonntag noch bei der Messe schön&gut, am Montag also schon wieder auf Tour und in Trochtelfingen.
Weniger auf Deftiges haben es die Kinder abgesehen, die sich in der Stadt tummeln. Ganz wie früher haben sie ihren »Marktgroschen« dabei, wenn es Schaufenster geben würde, dann würden sie sich daran die Nasen platt drücken. Spielzeug gibt's in großer Vielfalt, Schleck auch. Und vielleicht noch eine Runde auf dem Karussell. Und wenn sie doch wieder in die (Grund-)Schule müssen: Ist nicht so schlimm, dort an der Werdenbergschule entstehen die neuen Kleinspielfelder, deren Bau von der Elterninitiative »Ab in die Pause« initiiert wurde. Die ist auch wieder mit einem Stand am Martinimarkt vertreten, und so mancher Besucher lässt neben dem Geld für eine Rote auch noch gern eine Spende da. Eine sinnvolle Sache, finden viele. Simone Werner freut's, vor allem weil der jetzt laufende Bauabschnitt bald abgeschlossen werden kann.
Der Sonntag vor dem Martinimarkt - es war ein verkaufsoffener - lief auch richtig gut für die Händler, sagt Ewald Heinzelmann von der Manufaktur Steinhilber Alblikör. Der Montag startet indes etwas verhalten, aber das wird schon. Schließlich endet der Martinimarkt erst dann, wenn alle Mägen gefüllt und Gelüste befriedigt sind, und nach dem Markt geht's in einem der Gasthäuser noch weiter. Eben wie an einem echten Nationalfeiertag. (GEA)