SONNENBÜHL. Der Fachkräftemangel macht sich nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der evangelischen Kirche bemerkbar. Die Generation der Baby-Boomer ist so weit, um in den Ruhestand zu gehen. Es entstehen Lücken in der Besetzung der Pfarrstellen, die nicht von nachrückenden Pfarrern geschlossen werden können. Auch Gemeindegliederzahlen sind rückläufig, was Auswirkungen auf die Finanzkraft der Kirchengemeinden hat.
Auf dem Land ist die Abnahme der Bindung an die Kirche weniger gravierend als in der Stadt. Trotzdem sind Landkirchengemeinden nicht von einer Kürzungsrunde ausgenommen. Eine Personalstrukturplanung muss her, um den Pfarrdienst künftig finanzieren zu können. Name: Pfarrplan 2030. Für den Kirchenbezirk Reutlingen heißt das, 30 Prozent der Pfarrstellen sind zu streichen.
Auch die drei Kirchengemeinden in Sonnenbühl sehen sich dieser Forderung und Herausforderung gegenüber. Zwar haben sich die Kirchengemeinden aus Erpfingen und Willmandingen bereits 2019 zusammengeschlossen und kennen den zuweilen schmerzhaften Prozess, der in eine Fusion mündet.
Das hatte damals zwar keine Auswirkungen auf die Zahl der Pfarrstellen, Erpfingen und Willmandingen wurden bereits vorher seit 2015 gemeinsam von einem Pfarrer betreut. Die Kirchengemeinden Undingen und Genkingen haben jeweils einen eigenen Pfarrer. Nun ist es laut Pfarrplan das Ziel, dass eine der bisher drei Pfarrstellen in Sonnenbühl 2030 gestrichen werden wird.
Wie soll das gehen? Was bedeutet das für den Pfarrdienst, das Gemeindeleben, wie soll die Organisation funktionieren? Diesen Fragen sahen sich die drei Sonnenbühler Kirchengemeinden gegenüber. Und haben sich in den Gremien darüber Gedanken gemacht. Bereits jetzt, denn wer sich nicht rechtzeitig auf den Weg macht, kommt zu spät an. Bedeutet, spätestens 2030 wären die Kirchengemeinden in Sonnenbühl ins kalte Wasser geworfen worden. Deshalb wurde mit Beratern der Evangelischen Landeskirche eine Lösung gesucht, wie die Weichen gestellt werden können.
Die Kirchengemeinderäte haben die Entscheidung getroffen, dass sich die drei Kirchengemeinden Undingen, Genkingen und Willmandingen-Erpfingen zusammenschließen. Die Fusion wird zum 1. Januar 2025 wirksam. In die dann neue Kirchengemeinde Sonnenbühl als Rechtsnachfolgerin gehen alle bisherigen Stellen über. Auch die der drei Pfarrer. Der Vorteil: So kann fünf Jahre lang erprobt werden, wie die Neustrukturierung ausgerichtet und die Arbeit verteilt werden kann, um so so gut wie möglich vorbereitet zu sein, wenn eine Pfarrstelle, es wird die Stelle Sonnenbühl 3 aus Undingen sein, 2030 gestrichen wird.
Auch die hauptamtlich Angestellten werden viel leisten müssen. Es muss erprobt werden, wie oft eine Sekretärin in einem der Ortsteile ist und wie viel Arbeitszeit alle zusammen in der Zentrale in Undingen verbringen. Das gesamte Vermögen aller Gemeinden kommt in einen Topf. Das Undinger Pfarrhaus wird abgelöst, der Verwaltungssitz zieht in das Undinger Gemeindehaus. Über die Nutzung der weiteren Gebäude in der Gemeinde wird sich der neue Kirchengemeinderat Gedanken machen. Man müsse sich öffnen, es gebe auch Bedarfe in Kommune und bei Vereinen, sagt Peter Kolb vom Kirchengemeinderat Undingen. Denn schließlich geht es auch um die Schonung der finanziellen Ressourcen.

Seit 2023 läuft der Prozess in Sonnenbühl. »Wir müssen sonnenbühlweit denken«, sagt der Undinger Pfarrer Simon Wandel. Auf Ebene der Gruppen und Kreise in den bisherigen Gemeinden ändert sich nichts, aber es öffnet sich auch die Chance, neue Angebote zu schaffen. Das kirchliche Leben in Sonnenbühl laufe gut, es gebe hochengagierte Mitglieder in allen Gemeinden. Und so war klar, dass der Weg bis 2030 nur gemeinsam beschritten werden kann. »Miteinander können wir nur gewinnen.« Aber so mancher Kirchengemeinderat habe auch schlaflose Nächte gehabt, sagen die drei Pfarrer und die Kirchengemeinderatsverantwortlichen Peter Kolb, Emil Schweikardt und Helmut Herrmann.
Was passiert mit dem Besuchsdienst, an welchen Pfarrer wendet man sich, wenn jemand stirbt - es gebe auch Verunsicherung, sagt Schweikardt. Und zieht die Parallele zu Fusion von Banken oder die Schließung von Filialen - die Distanz zum Berater sei da größer geworden. Die Gefahr könne auch für die Kirche bestehen, dass die Bindung ans Gemeindeleben nachlasse. »Wir machen nichts mit der Brechstange«, sagt Simon Wandel. Die Aufgabe sei, in die neue Situation hineinzuwachsen und dabei alle mitzunehmen.

Es habe symbolischen Charakter, dass die Fusion der Sonnenbühler Kirchengemeinden auf das Jahr fällt, in dem die weltliche Gemeinde Sonnenbühl seit 50 Jahren besteht, sagt Peter Kolb. 1975 wurden die Dörfer Undingen, Genkingen, Willmandingen und Erpfingen im Zuge der Kreisreform eins. Ende 2025 wird es neue Kirchengemeinderatswahlen geben. Dann ist künftig auch nur noch ein Rat für Sonnenbühl und die derzeit circa 4.500 Mitglieder - Tendenz ist bis 2030 sinkend (Prognose: 3.980 Gemeindeglieder) - verantwortlich. In ihm sind - im Modus der unechten Teilortswahl - jeweils fünf Mitglieder aus Undingen und Genkingen sowie jeweils drei aus Willmandingen und Erpfingen vertreten, außerdem sollen Ortsausschüsse in den Sonnenbühler Teilorten gebildet werden.
Dem neuen Gremium wollten die bisherigen Kirchengemeinderäte keine unerledigten Aufgaben hinterlassen. Auch bisher hat es schon gemeinsame Gottesdienste oder Tauffeste gegeben, in der Jugendarbeit gibt es Kooperationen, und die Teenies seien gut vernetzt und haben Spaß daran. »Wir fangen nicht bei null an«, sagt Grauer. »Aber es gibt auch noch dicke Bretter zu bohren«, sagt der Genkinger Pfarrer Hansjörg Eberhardt.
Geschäftsführung übernimmt Simon Wandel
Struktur und Verwaltungsfragen seien nicht das Entscheidende, sagt der Erpfinger/Willmandinger Pfarrer Normann Grauer. Sondern wie man das kirchliche Leben gestalte. Es müsse eine Balance zwischen dem geschaffen werden, was im Ort gut laufe, und dem, was neu entstehen könnte und Gemeinschaft schafft, sagt Hansjörg Eberhardt. »Ich bin guten Mutes, dass das klappt«, sagt Grauer.
Für die drei Pfarrer bedeutet die Fusion eine veränderte Aufteilung der Aufgaben: Simon Wandel übernimmt die Geschäftsführung, Normann Grauer und Hansjörg Eberhardt sind für seelsorgerische Belange zuständig. Dann nicht nur in ihrem bisherigen Wirkungsort, sondern für alle Sonnenbühler Mitglieder der evangelischen Kirche. Und auf die ab 2030 verbleibenden zwei Pfarrer kommen mehr Aufgaben zu. Da werde auch das Ehrenamt in hohem Maß gefordert sein. Aber, sagt Simon Wandel, die evangelische Kirche sei eine Mitmachkirche, und so ist die Hoffnung groß, dass die Gemeindeglieder ihre Gemeinde aktiv mitgestalten wollen.
Pfarrstellen sollen attraktiv bleiben
Es werde sich viel erst im Lauf der Zeit zeigen, sagt Helmut Herrmann. Wichtig war zunächst, sich über die rechtliche Form Gedanken zu machen. Und, sagt Simon Wandel, es ist gut, sich »stücklesweise« auf den Weg zu machen, zu versuchen, dass möglichst viel pastorale Arbeitszeit bleibt. Damit sei die Hoffnung verbunden, dass die Pfarrstellen attraktiv bleiben für neue Bewerber. Dafür muss die Struktur sitzen. Als Zeichen nach außen ist geplant, die Fusion am 26. Januar 2025 in der Erpftalhalle zu feiern. »Uns verbindet mehr«, als bloßes Kirchturmdenken an den Tag zu legen, »wir sind Christen«, sagt Grauer. »Wir haben jetzt den Rahmen geschaffen, die nächste Generation wird ihn ausgestalten und mit Leben füllen«, sagt Peter Kolb. Insgesamt sei man zuversichtlich, dass das gelingt - mit zwar immer noch vier Kirchtürmen, aber in einer Gemeinde. (GEA)