SONNENBÜHL. »Es ist wichtig, dass Schule lebensnah ist«, sagt Ingrid Rück, Leiterin des Albgymnasiums. »Wir sind ständig im Prozess, zu überlegen, wie wir das umsetzen und mit den Bildungsstandards in Einklang bringen können.« In Kooperation mit der Sonnenbühler Firma Schmid hat Rück dafür eine Möglichkeit gefunden. Der NWT-Unterricht von Klasse 9 (Naturwissenschaft und Technik) ist im vergangenen Schuljahr etwas anders gelaufen als gewöhnlich. Den haben die Azubis im dritten Lehrjahr von der Firma Schmid in nahezu Eins-zu-eins-Betreuung übernommen: Zehn Schüler und sechs Auszubildende bildeten eine Lerngruppe. Die gestellte Aufgabe: Es sollte ein elektronisch gesteuerter Locher aus Metall hergestellt werden, ein Gerät konstruiert werden, das Mechanik und Elektronik vereint. Per Lichtsignal zeigt es an, in welcher Stellung es sich befindet und ob es das zu lochende Material ganz durchgestanzt hat.
Die Albgymnasiasten gingen in die Firma, haben sich dort die Fertigung der benötigten Einzelteile an den Maschinen angesehen. Auch einen Blick in die Konstruktion konnten sie werfen. Sie haben die Platine gelötet, gefeilt, angekörnt und Bohrungen gesetzt und das Gerät montiert, also alle möglichen Fertigungsschritte kennengelernt. Zusätzlich haben die Azubis den Neuntklässlern auch noch viel Wissen über Material- und Werkstoffkunde, Stahl und Aluminium sowie Elektronik, technische Zeichnung und mehr während des Arbeitsprozesses vermittelt. Gearbeitet wurde in der Schule, der Abschluss fand in der Lehrwerkstatt der Firma statt.
»Unsere Auszubildenden haben ihre Rolle sehr ernst genommen«, sagt Christel Bez, Geschäftsführende Gesellschafterin der Emil Schmid Maschinenbau GmbH & Co KG. Die angehenden Elektroniker und Mechaniker haben dabei auch erfahren, was es heißt, Ausbilder zu sein. Wie vermittel ich Wissen, wie gehe ich auf Probleme ein, wie helfe ich? Und Schüler trauten sich, Fragen zu stellen, die sie einem Lehrer vielleicht nicht stellen würden. Alle hätten auch sozial viel dazugelernt, sagen Rück und Bez, sind zur Gruppe, zum Team zusammengewachsen, es herrschte ein harmonisches Miteinander, Schüler wie Azubis haben wichtige Schlüsselkompetenzen erworben. »Es ist eine super Sache, dass Bildungsträger und Unternehmen gemeinsame Sache machen«, sagt Bez. Natürlich floss das Projekt auch in die NWT-Note ein, die aus den Teilen Schriftlich, Mündlich und Praktisch zusammengesetzt ist. »Die praktische Notenfindung« hätten Lehrerin und der Ausbildungsleiter gemeinsam anhand der angefertigten Locher vorgenommen, sagt Ingrid Rück.
Im September wird die Firma Schmid 33 Azubis haben. »Ausbildung ist für uns ein wichtiges Thema. Wir müssen schauen, dass wir die Fachkräfte der Zukunft finden. Man muss junge Menschen für solche Berufe begeistern«, sagt Christel Bez, an Technik heranführen. Auch deshalb ist die Kooperation mit dem Albgymnasium für die Firma ein Gewinn. »Wir brauchen später Leute, die über den Tellerrand hinausschauen, Lösungsvorschläge erarbeiten.« Das haben beide Seiten - Schüler und Azubis - bei diesem Projekt getan. »Eine Win-win-Situation für alle - Schule, Firma, Schüler und Azubis«, sagen Bez und Rück. Und wenn durch eine solche Zusammenarbeit erreicht werden könne, dass Menschen oben auf der Alb bleiben und einen Arbeitsplatz haben, ist das auch noch günstig für die Gemeinde, die von den Steuereinnahmen profitiert, sagt Bez. »Uns als Familienbetrieb ist es wichtig, dass wir Menschen aus dem Umfeld beschäftigen.« Und vielleicht motivieren Erlebnisse wie dieser lebensnahe Unterricht Schüler dazu, vor dem Studium eine Ausbildung zu absolvieren. »Das Projekt trägt auch zur Berufsorientierung bei«, sagt Ingrid Rück. Ein Thema, Inhalte im wahrsten Sinne zu begreifen, anstatt nur im Frontalunterricht vom Lehrer vermittelt zu bekommen, hat eine andere Qualität.
Die Firma Schmid bietet auch Praktikumsplätze an, 40 seien es im Jahr. »Wer anfragt, bekommt keine Absage«, sagt Christel Bez, außer im Sommer. Aber, ergänzt sie, bei einer Praktikumswoche könnte nur ein kleiner, überschaubarer Teil der Arbeitsabläufe vermittelt werden, anders als in dem über mehrere Wochen laufenden Unterrichtsprojekt am Albgymnasium. Das NWT-Projekt soll keine Einmal-Veranstaltung bleiben und im kommenden Schuljahr fortgesetzt, sogar ausgeweitet werden. Laut Rück sind solche Projekte oft lehrerabhängig, sie möchte sie fest ins Schulkonzept aufnehmen. Das Albgymnasium wird auch überlegen, wie ähnliche Kooperationen in anderen Fächern und mit anderen Firmen realisiert werden können. Theorie und Praxis verknüpfen, ist das Ziel. Es sei der Auftrag der Schule, dass Schüler Erfahrungen machen können, die helfen zu überlegen, wohin ihr Weg sie führt. »Und das kann ich nur herausfinden, wenn ich die Möglichkeit habe, auch in Unternehmen hineinzuschnuppern und etwas auszuprobieren«, sagt Christel Bez.
Im Newsletter hat Christel Bez im Unternehmen über das Projekt informiert. Und beim Albgymnasium gibt's einen Podcast darüber, in dem Schüler und Azubis über ihre Erfahrungen berichten, auch Christel Bez wird von Ingrid Rück interviewt. Beide sind überzeugt, dass das Projekt ein Erfolg war. Ingrid Rück sagt außerdem: »Das Konzept am Albgymnasium hat mit den Abiturienten gezeigt, dass es Früchte trägt. Unser Abiturschnitt ist weit besser als der Landesschnitt.« Mittlerweile hat der zweite Jahrgang seinen Abschluss in der Tasche, nachdem die private Schule in den Pfingstferien 2022 das neue Gebäude in Sonnenbühl-Undingen bezogen hat. (GEA)