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Aktuell Prozess

61-Jähriger legte Feuer in Münsinger Mehrfamilienhaus: ein Mordversuch?

Das Tübinger Landgericht verhandelt seit Montag eine höchst gefährliche Brandstiftung in einem Münsinger Teilort. Im Prozess erscheint das Motiv rätselhaft.

Tübinger Landgericht verhandelt eine schwere Brandstiftung in Münsingen. Der Angeklagte muss sich wegen mehrfachen versuchten Mo
Tübinger Landgericht verhandelt eine schwere Brandstiftung in Münsingen. Der Angeklagte muss sich wegen mehrfachen versuchten Mordes verantworten. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/dpa
Tübinger Landgericht verhandelt eine schwere Brandstiftung in Münsingen. Der Angeklagte muss sich wegen mehrfachen versuchten Mordes verantworten.
Foto: Bernd Weißbrod/dpa/dpa

MÜNSINGEN/TÜBINGEN. »Ja, ich war’s«, gab der 61-Jährige sofort zu, als die Polizei ihn unweit des Tatorts aufgriff. Er gestand damit, dass er im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses in einem Münsinger Teilort, in dem über zehn Menschen lebten, Feuer gelegt hatte. Glücklicherweise wurde niemand verletzt, durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr konnte der Rest des Gebäudes gerettet werden. Seit Montag verhandelt das Schwurgericht des Tübinger Landgerichts den merkwürdigen Fall.

In dem Haus hatte in den Monaten zuvor bereits »eine angespannte Atmosphäre« geherrscht, wie es eine der Bewohnerinnen vor Gericht beschrieb. Vor allem der 61-Jährige soll dafür gesorgt haben, dass es immer wieder zu Auseinandersetzungen kam. »Er hat mich mehrmals bedroht und einmal zusammengeschlagen«, berichtete eine Zeugin am Montag.

Nachbarin ins Gesicht geschlagen

Ein Strafbefehl gibt Zeugnis davon. Im Januar 2024 hatte der 61-Jährige der Frau nach einem Streit mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Dafür erhielt er einen Strafbefehl und musste eine Geldstrafe bezahlen. Außerdem hatte ihn die Polizei einmal aufgegriffen, als er betrunken Auto gefahren war, was darauf schließen lässt, dass er ein Alkoholproblem hat. Davon berichteten am Montag auch mehrere Zeuginnen.

Am Vormittag des 10. Juli vergangenen Jahres kam der Angeklagte dann auf eine noch schlimmere Idee. Er ging in dem Mehrfamilienhaus, in dem er wohnte, auf den Dachboden, steckte dort in seinem Holzverschlag Papier in eine Tüte und zündete sie an. Die Flammen griffen schnell auf das Dachgebälk über. Zu diesem Zeitpunkt trug der Mann auch ein Messer bei sich, um im Fall des Falles Hausbewohner davon abhalten zu können, seine Brandstiftung zu verhindern.

Auf einem Parkplatz festgenommen

Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass der Angeklagte auch Feuer im Keller legen wollte. Doch die Flammen auf dem Dachboden loderten offenbar schneller hoch, als der 61-Jährige erwartet habe, und setzten die Rauchmelder im Haus in Gang. Deshalb sei der Angeklagte mit zwei gepackten Reisetaschen gleich aus dem Haus gegangen, so Staatsanwalt Burkhard Werner.

Dies beobachtete auch eine Anwohnerin, wie sie später der Polizei mitteilte. Die Beamten gaben eine »Nahbereichsfahndung« heraus und griffen den mutmaßlichen Täter nicht viel später auf dem Parkplatz eines Discounters auf. »Sie suchen sicher mich«, machte er die Polizei auf sich aufmerksam. »Er kam ganz offen auf uns zu und übergab uns ein Messer und ein Feuerzeug«, berichtete ein Streifenbeamter. Außerdem gestand der Mann den Beamten sofort die Brandstiftung.

Für die Staatsanwaltschaft ist die Tat ein mehrfacher versuchter Mord in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und schwerer Brandstiftung. Vor allem durch die Rauchgase, die sich schnell im Treppenhaus ausbreiteten, schwebten die Bewohner des Hauses in Lebensgefahr. Eine Frau im Obergeschoss konnte sich gerade noch retten, indem sie durch den Rauch nach unten rannte. Im Übrigen verursachte der Brand an dem Haus einen Schaden von rund 150.000 Euro.

Angeklagter schweigt zu den Vorwürfen

Warum hat der Angeklagte den Dachboden angezündet? Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er eine schwerwiegende Tat begehen wollte, um ins Gefängnis zu kommen. Gegenüber der Polizei äußerte er jedenfalls, dass er in finanziellen Schwierigkeiten stecke, keinen Versicherungsschutz mehr habe und an körperlichen Gebrechen leide. Zweimal hatte der Prozess wegen gesundheitlicher Beschwerden des Angeklagten verschoben werden müssen. Die Motivlage wie auch die weitere allgemeine Gefährlichkeit des Angeklagten untersucht ein Psychiater, der am kommenden Verhandlungstag Anfang Mai sein Gutachten erstatten wird. (GEA)

Im Gerichtssaal

Gericht: Armin Ernst (Vorsitzender Richter), Benjamin Meyer-Kuschmierz, Julia Merkle. Schöffen: Ralf Glausinger, Carolin Ruprecht. Staatsanwalt: Burkhard Werner. Verteidiger: Kay in der Stroth. Psychiatrischer Gutachter: Dr. Alex Theodor Gogolkiewicz.