LICHTENSTEIN. Hahn aufdrehen und das Wasser sprudelt, heute ist das eine Selbstverständlichkeit. Vor gut hundert Jahren war es eher die Ausnahme – erst recht auf der wasserarmen Alb. Ein großes Wasserfass, gezogen von Pferden, gefüllt am Sauerbrunnen in Engstingen, deckte über viele Jahrzehnte den Wasserbedarf des Schlosses Lichtenstein. Dem umständlichen Wasserfassen bereitete erst Wilhelm Karl von Urach ein Ende. Der technikaffine Chef des Hauses von Urach ließ ein Pumpstation in Lichtenstein bauen, die von 1896 bis 1990 Quellwasser aus Honau zum Schloss beförderte. Schon vor einigen Jahren hatten geschichtsbeflissene Lichtensteiner das Pumpenhäusle grundlegend renoviert. Jetzt hat sich erneut eine Gruppe der Anlage angenommen und sie für Führungen fit gemacht.
Seit gut einem Jahr sind Walter Saur, Tobias Feus, Rolf Werz, Georg Langeneck, Reinhard Hermann, Thomas Biffart, Eberhard Etter, Jochen Etter, Hermann Kazmeier, Philipp Stoll und Hans Gerstenmaier in wechselnder Besetzung im Pumpenhäusle in Einsatz. Einige davon waren schon dabei, als 2004/5 das Pumpenhäusle grundlegend renoviert und aus seinem Dornröschenschlaf geweckt wurde. In den es durch den großen Ölunfall in der Honauer Steige 1990 geschickt worden war.
Damals war ein Tanklaster in der Steige umgekippt und 10.000 Liter seiner Ladung im Boden versickert. Die Folge: Die Trinkwasserbrunnen in Lichtenstein wurden geschlossen, große Teile Pfullingens, Reutlingens und Lichtensteins über eine Ersatzversorgung mit Bodenseewasser beliefert. Während die großen Trinkwasserbrunnen wieder in Betrieb gingen, blieb die Honauer Quelle für die Pumpanlage zu. Das Schloss wurde zuerst über das Forsthaus versorgt und bekam wenige Jahre später eine eigene Trinkwasserversorgung.
Die Pumpenanlage, die die Truppe um Hans Gerstenmaier und Walter Saur jetzt wieder ansehnlich hergerichtet hat, beförderte mehr als hundert Jahre zuverlässig jede Wochen bis zu 60.000 Liter in den Hochbehälter des Schlosses nahe dem Hauff-Denkmal. Dabei legte das Wasser rund sechshundert Meter in Gussrohren zurück und überwand eine Höhendifferenz von 255 Metern. Bergauf getrieben hat es eine Pumpe der Kölner Gasmotorenfabrik Deutz, in Schwung gebracht hatte diese über große Transmissionsriemen zuerst ein Benzin- und später dann ein Elektromotor.
Einmal in der Woche lief die Pumpe
Angeschaltet hat ihn etwa Karl Häbe, Gemeinderat und Handwerker im Schloss. Einmal in der Woche, so erinnert sich Hans Gerstenmaier, musste Häbe - oder ein anderer - den Schalter umlegen und den Hochbehälter füllen. Gerstenmaier ist an diesem Morgen mit einem Teil der engagierten Männer vor Ort. Es gilt, die letzten Fragen zu klären, bevor wieder Schaulustige in das unauffällige Gebäude rechts am Weg zur Echazquelle stehen. Etwa nach der Versicherung, oder wer denn letztlich den Schlüssel hat, damit das Honauer Ortsamt weiß, an wen es ich wenden kann, wenn sich Interessenten für eine Führung melden.
Im Mittelpunkt steht an diesem Morgen aber die Bedienung der Pumpe und damit die Sicherheit für Besucher und Führer. »Es wäre schade, wenn man das verkommen lässt«, sagt Walter Saur, bevor er ins Innere des Backsteinhäusles geht. »Als Bua durfte man da nie rein«, erinnert sich Hans Gerstenmaier und drückt wenig später den Hauptschalter für den Motor. Die Transmissionsriemen bewegen sich. Deshalb ist es besonders wichtig, von diesem Zeitpunkt an die Besuchergruppe zusammenzuhalten. Gemeinsam gehen sie weiter in den Keller: »Aufpassen, dass niemand allein oben bleibt.« Und aus Neugier seine Finger in die Transmission bringt. Noch drehen sich die Räder im Leerlaufmodus. Unten im Keller strahlt die Plungerpumpe wie neu und verdeutlicht, was die Männer in einem Jahr mit ihrer Aufhübsch-Aktion geschafft haben, aber auch was noch angegangen werden muss – etwa die Renovierung der Fenster.
Führungen beim Ortsamt anmelden
Ganz langsam zieht Gerstenmaier den Riemen auf das große Schwungrad der Pumpe. Das Gestänge setzt sich in Bewegung, das Herz der ehemaligen Wasserversorgung fürs Schloss beginnt zu schlagen. Könnte sie heute noch Wasser fördern? Eher nicht, erklären die Macher, irgendwo in der sechshundert Meter langen Leitung geht der Druck flöten. Das Manometer an der Leitung regt sich kaum. Eine Reparatur würde keinen Sinn ergeben. Zu zeigen, dass ganz schön viel Aufwand dahinter steckte, bis man auch in einem Schloss den Hahn aufdrehen konnte, schon. Und die Männer zeigen’s gerne. Wer wissen will, was sich hinter der Fassade des Backsteinhäusle verbirgt, kann sich gerne beim Honauer Ortsamt, Telefon 07129 4115, melden. Einer der Männer hat nach Vereinbarung sicher Zeit, das Pumpenhäusle aufzusperren. (GEA)