PFULLINGEN. Schwertschwingende Ritter, hämmernde Schmiede, lehmverschmierte Töpfer: Im Schlösslespark erwacht am kommenden Wochenende, 15. und 16. Juni, das Mittelalter zum Leben, und zwar das echte. Das betont Dr. Michael Kienzle von der Universität Tübingen, der mit seinem Greifensteinprojekt in den vergangenen Jahren für Aufsehen gesorgt hat. Was er und sein Team über das Leben im Mittelalter im Echaztal zutage gefördert haben, ist die Basis für ein Geschichts-Event, wie es Pfullingen noch nicht gesehen hat. Bei gutem Wetter erwartet Kienzle bis zu 5.000 Besucher zu einem authentischen Spektakel im Schlösslespark unter dem Titel »Lebendiges Mittelalter! Ritter und Burgen im Echaztal«.
Pfullingens Bürgermeister Stefan Wörner und sein Lichtensteiner Amtskollege Peter Nußbaum haben sich schnell von der Begeisterung des Tübinger Archäologen anstecken lassen, der seit 2020 mit einem Team und unterstützt von vielen Partner dem Adelsgeschlecht der Greifensteiner auf der Spur ist. Dieses war bis dato eher aus Sagen und Erzählungen bekannt. Jetzt ergeben die neusten Forschungen und Ausgrabungen, unter anderem am Stahleck, ein ganz anderes Bild der Greifensteiner, die zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert maßgeblich die Geschicke der Menschen im Echaztal und damit der Geschichte der Region prägten.
Mindestens ein Schwertkampf am Tag
Zu sehen ist das auch in einer Ausstellung im Pfullinger Schlössle, in der wichtige Funde des Greifensteinprojekts zu sehen sind und eingeordnet werden. Die vor Kurzem präsentierten Spielfiguren, unter anderem ein Springer aus einem Schachspiel, werden allerdings nur in Kopien gezeigt - aus versicherungstechnischen Gründen. Beim Gang durch die Ausstellung erleben die Besucher ein ganzes Jahr auf der Burg Stahleck. Rüstung, Jagd, Frömmigkeit, Küche, Tischkultur und natürlich die Spielsteine werden dort thematisiert und damit auch die Wechselwirkungen zwischen Burg, Adel und Kulturlandschaft aufgezeigt. Ein zentrales Feld der Forschungen des Greifensteinprojekts.
Mindestens einmal am Tag greifen die Schwertkämpfer zu ihren Waffen, um ein Turnier auszutragen. Auch Kämpfe des Fußvolks werden zu sehen sein. Im Schlösslespark gibt es einen Handels- und Handwerksplatz, einen Ort für den Adel und für historische Musik. Der Spielmann singt, eine Schreibwerkstatt zeigt die Kunst der Büchergestaltung. Viele der Akteure sind selbst Historiker und Archäologen, die regelmäßig in Museen auftreten und mit ihren Darstellungen Geschichte erlebbar machen. Dies alles auf der Basis fundierter wissenschaftlicher Forschungsarbeit und so detailgetreu wie möglich. Dabei müssen sich die Besucher nicht aufs Zuschauen beschränken. Das Kreisarchiv bietet eine Schreibwerkstatt für Kinder an, wer will, kann einen Helm aufziehen oder ein Schwert halten. Die Geschichte, das Leben der Menschen damals sollen erfahrbar werden.
Öffnungszeiten
Die Schau »Ritter und Burgen im Echaztal« ist am Samstag, 15. Juni, von 11 bis 20 Uhr und am Sonntag, 16. Juni, von 11 bis 17 geöffnet. Der Eintritt kostet für Erwachsene 6 Euro, Schüler und Studenten zahlen 4 Euro, Kinder bis 12 Jahre sind frei. Der gesamte Eintritt kommt den weiteren Forschungsarbeiten im Echaztal zugute. Wer kann, sollte am Wochenende zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Pfullinger Schlösslespark kommen. Extra Parkmöglichkeiten gibt es der Innenstadt an den beiden Tagen nicht. (GEA)
Kienzle und Dr. Jonathan Scheschkewitz vom Landesamt für Denkmalpflege ist es wichtig, dass Ausstellung und Event auch zeigen, wie die Archäologen, die Historiker arbeiten, wie sie ihre Schlüsse ziehen und warum etwa die gefundenen Spielfiguren ein Hinweis auf die Bedeutung und den Einfluss der Greifensteiner sind.
Eintritt kommt den Forschungsarbeiten zugute
Am Rande des Parks gibt es zahlreiche Infostände und Mitmach-Gelegenheiten. Wer Hunger hat, kann sich bei einem der fünf Foodtrucks verköstigen, erklärt Sabine Hohloch, die von den beiden Bürgermeister für ihr Engagement bei der Organisation ausdrücklich gelobt wurde, denn Pfullingen und Lichtenstein unterstützen die Veranstaltung, die, wie Hohloch betont, ohne das ehrenamtliche Engagement aus beiden Kommunen nicht zu stemmen gewesen wäre. Die Geschichtsvereine aus Lichtenstein und Pfullingen, der Pfullinger Albverein, die Initiative für ein Kulturhaus (I'kuh) und der Förderverein Kulturhaus Klosterkirche (KuK) sind an den beiden Tagen mit im Boot. Ihr Überschuss, etwa bei der Bewirtung, kommt ebenso der weiteren Forschungsarbeit im Echaztal zugute wie der Eintritt an beiden Tagen.
Neben der Abteilung für Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen sowie dem Sonderforschungsbereich »Ressourcen Kulturen« gehört das Landesamt für Denkmalpflege zu den Taktgebern der Aktion, außerdem der Landkreis Reutlingen und das Schwerpunktprogramm »Auf dem Weg zur fluvialen Anthroposphäre«. Mit einem wesentlichen finanziellen Beitrag unterstützt auch das Biosphärengebiet Schwäbische Alb das Spektakel.
Der breite Kreis der Förderer zeigt, das Greifensteinprojekt ist nicht allein für die Forschung relevant, sondern es ist auch ein Beitrag zur Erschließung neuer touristischer Ziele in der Region. Doch abseits aller höheren Ziele verspricht die Veranstaltung, ein richtiger Spaß zu werden und das nicht nur für ausgemachte Mittelalterfans. (GEA)