PFULLINGEN. Ein Pastor als Tellerwäscher? Diese Bild haben vielleicht manche vor Augen, wenn sie von der neuen Mensabetreuung in der Wilhelm-Hauff-Realschule (WHR) in Pfullingen hören. Seit September stehen Mitglieder des Vereins Chillmal der evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in der Küche und hinter der Ausgabetheke. Es geht aber weniger um den spülenden Pfarrer, sondern vielmehr um eines: »Es lernt sich besser, wenn man etwas Gutes gegessen hat«, sagt Schulleiter Jochen Wandel.
Wandel ist froh, dass er den neuen Verein für seine Mensa gewinnen konnte. Die Zusammenarbeit sei etwas Besonderes, auch weil es bisher in Pfullingen diese Konstellation nicht gebe, dass eine Kirchengemeinde die Mensa betreibe. Die neuen Mensabetreiber haben in den vergangenen Jahren schon Erfahrungen mit den Schülern gesammelt. Chillmal gibt es bereits seit acht Jahren als Schülertreff in den Räumen der EmK. »Man sieht, dass die Leute vom Verein einen besseren Draht zu der Jugend haben. Es herrscht eine freundlichere Grundstimmung in der Mensa«, stellt Wandel fest.
Seit acht Jahren etabliert
Beim Schülertreff in den Räumen der Friedenskirche können Schüler in ihren Mittagspausen »chillen«, also entspannte Zeit »in Sicherheit und Freiheit verbringen«, wie Oliver Lacher, Initiator des Treffs und Pastor der EmK, beschreibt. Er ist seit 2015 Pfarrer in Pfullingen. Das Projekt war von Anfang an nicht nur Zeitvertreib: »Uns ist schnell klar geworden, dass die Jugendlichen auch etwas zu Essen brauchen«, sagt Lacher. Seitdem bietet Chillmal Kleinigkeiten zu essen an. Und die Jugendlichen kamen zahlreich. So zahlreich, dass im vergangenen Jahr bis zu 80 Schüler im Schülertreff aufschlugen. »Da war die Kapazitätsgrenze erreicht«, erzählt Lacher.
Da zur gleichen Zeit der Vertrag mit dem bisherigen Mensabetreiber der WHR auslief, war schnell die Idee geboren, den Betrieb der Mensa zu übernehmen. Und auch Jochen Wandel war davon sehr angetan. Er habe drei Bewerbungen auf dem Tisch gehabt, aber das Gesamtpaket von Chillmal überzeugte ihn am meisten, vor allem eines: »Sie kochen alles selbst.« Zumal schon immer eine »Grundsympathie« mit der Kirche bestanden habe.
Hochwertiges, regionale Essen
Jetzt steht Koch Marcel Duchesnes täglich schon um 7 Uhr in der Küche. Chillmal hat es sich zur Aufgabe gemacht, hochwertiges Essen für die Schüler zu kochen. »Regional, nachhaltig und möglichst bio«, wie Wandel begeistert berichtet. Die Gerichte seien qualitativ »wirklich gut. Man freut sich auf das Mittagessen.« Und auf ein besonderes Schmankerl: »Es gibt Kaffee für 1 Euro.«
Schon nach den wenigen Wochen zahlt sich das aus. Wo im vergangenen Jahr teils nur noch 20 Essen über die Theke gingen, bereiten Lacher und sein Team jetzt bis zu 140 Mahlzeiten pro Tag zu. Weitere gehen per Lastenrad an die Schloss-Schule, die von Chillmal beliefert wird. Dass der Betrieb nun so steht, war ein hartes Stück Arbeit in der kurzen Zeit seit Mai. »Wir mussten mit heißer Nadel stricken«, drückt es Lacher aus. Als Punktlandung wurde Chillmal am 7. Oktober als Verein registriert, also drei Tage vor Beginn des Schuljahrs. Erst das ermöglichte Lacher und seinen Mitstreitern, Personal einzustellen. Koch Duchesnes war schon früher an Bord und ist deswegen vorübergehend bei der Stadt angestellt.
Wenig Personal
Neben Duchesnes arbeiten noch ein Beikoch und eine Küchenhilfe in der Mensa. Sie wurden vom Jobcenter als Arbeitsgelegenheit (AGH) vermittelt. Das sind sozialversicherungsfreie Tätigkeiten, die im öffentlichen Interesse liegen und als Hilfestellung auf dem Rückweg ins Berufsleben geschaffen wurden. Unterstützt wird das Team von wechselnden Ehrenamtlichen. »Ohne die AGHs wäre es schwer geworden«, sagt Oliver Lacher. Personal zu finden sei auch für den Verein schwer. Aber die, die jetzt da sind, »schaffen wie die Bären«.
Zu den Finanzen sagt der Pastor: »Wir sind guter Hoffnung, dass wir im grünen Bereich sind.« Die Stadt kam dem Verein entgegen, indem sie Kosten für Pacht, Strom und Wasser übernimmt. Die Schule bezuschusst jedes Schüleressen mit 1 Euro. Weitere finanzielle Hilfen gibt es nicht. Dafür aber nicht einkalkulierte Ausgaben, wie den Abtransport der Essensreste. »Es knirscht noch an einigen Stellen«, sagt Lacher und stellt klar: »Wir dürfen alles machen, nur keine Miese.«
Kirchliches Umdenken
Der Start ist also geglückt für die neue Mensabetreuung der WHR und das neue Team blickt in »viele glückliche Kindergesichter«, wie Lacher stolz berichtet. Bleibt nur noch die Frage, ob es die Aufgabe eines Pastors sein sollte, eine Schulmensa zu betreiben. »Die traditionellen Kirchenveranstaltungen zerbröseln«, sagt Lacher. »An vielen Orten hält das klassische Bild der Kirche nicht mehr Stand.« Um dennoch die Menschen, vor allem junge, zu erreichen, müsse man umdenken. »Wenn die Menschen nicht mehr in Kirche gehen, müssen wir zu den Menschen kommen. Es ist eine Herausforderung, aber das ist das Leben.« (GEA)