PFULLINGEN. »Das beste Alter ist jetzt.« Mit diesem Satz sagt Sieglinde Schairer in den Sozialen Medien Tschüss. Denn die 65-jährige Pfullingerin und Vorsitzende des Gewerbe- und Handelsverein schließt Schairer's Esskultur Ende März. Ein Gespräch über den Traum vom eigenen Laden, Stadtmarketing und Einkaufskultur.
Zu Sieglinde Schairer kommen alle, die etwas Besonderes suchen, für Küche, Bar, Tisch oder Sofa. Qualität ist ihr wichtig und dass das, was draufsteht, auch wirklich drin ist, in den Produkten, die sie verkauft, ob bei Essig, Schokolade, Grillsaucen, Töpfen oder Taschen aus Segeltuch, erklärt »die waschechte Pfullingerin«. In der Echazstadt ist sie aufgewachsen, hat dort die Realschule besucht und ihren Mann kennengelernt. Friseurin hat sie gelernt und zwei Jahre im Beruf gearbeitet. 1981 ist sie zur Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) gewechselt, war dort zuerst in der Verwaltung, dann von 1995 bis 2000 Gewerkschaftssekretärin. Danach hat sie als Verkäuferin gearbeitet.
Mehr als ein Standbein
Eins ist aber immer geblieben. Der Wunsch, einmal einen eigenen Laden zu betreiben. »Schon mit 14 habe ich immer gesagt, dass ich später mal ein Café haben möchte.« Ganz geklappt hat das nicht, doch Kaffee oder einen Sekt gibt es auch bei Schairer's Esskultur - bei entsprechenden Temperaturen auch vor dem Geschäft. »Ich habe eine Ausschankerlaubnis.« Das zeigt nicht nur, dass Sieglinde Schairer an ihrem Traum festhielt, sondern auch, dass ihr immer bewusst war, dass es mehr als ein Standbein braucht, um in der Pfullinger Innenstadt eine Zukunft zu haben.
Am 8. März 2012, dem Weltfrauentag, hat sie Schairer's Esskultur eröffnet. »Das war damals einfacher als heute«, sagt die Vorsitzende des Pfullinger Gewerbe- und Handelsvereins (GHV) und zählt auf: eine Drogerie, einen Schuhladen, einen Schuhmacher, einen Blumenladen, ein Modegeschäft, der Bauralada .... Die Innenstadt sei damals stärker frequentiert gewesen, weil einfach mehr geboten war. Die Geschäfte sind heute verschwunden.
Das heißt aber nicht, dass der Anfang leicht war. Ohne sich an den Wünschen der Kunden zu orientieren, auf diese einzugehen, hätte es nicht geklappt, betont die 65-Jährige. Und auch wenn sie das Wort schon nicht mehr hören kann, Corona hat auch ihr zu schaffen gemacht. Die Kunden wieder in die Geschäfte zurückzuholen, sei schwierig gewesen und in den Online-Handel einzusteigen, dafür sei ihr Geschäft einfach zu klein gewesen. »Das Sortiment hätte ich gar nicht vorrätig halten können.«
Innenstadtbelebung mit »Dolce Vita«
Mädels-Abende, Gin- oder Rumevents, Marktfrühstücke hat sie gemeinsam mit ihrer langjährigen Mitarbeiterin Katja Trump auf die Beine gestellt, um Kunden zu gewinnen und zu halten und dabei sei sie immer von der Stadt unterstützt worden. Der Weg ins Rathaus ist nicht nur wegen der räumlichen Nähe kurz. Wenn sie eine Idee gehabt habe, habe die Verwaltung immer nach Möglichkeiten gesucht, sie gemeinsam umzusetzen. Etwa »Dolce Vita«, veranstaltet von der Initiative Innenstadt, um trotz Corona und Marktplatzbaustelle die Innenstadt zu beleben. Sieglinde Schairer war dabei die treibende Kraft, denn die Stadtentwicklung liegt ihr am Herzen.
Sie war immer dabei, wenn's um die Zukunft der Innenstadt und der Zukunft von Handel und Gewerbe ging. Folgerichtig wählten sie dann die Mitglieder des Gewerbe - und Handelsvereins im April 2023 zu ihrer Vorsitzenden. Das wird sie auch noch ein weiteres Jahr bleiben, »falls das nicht jemand unbedingt machen will«, sagt sie mit einem Schmunzeln. Doch in der laufenden Amtszeit gibt es noch einiges zu erledigen.
Zwei verkaufsoffene Sonntage stehen an, ein »Dolce-Vita«-Event, einfach weglaufen, das kann Sieglinde Schairer nicht. »Und ich wäre eine schlechte GHV-Vorsitzende, wenn ich mich nicht auch nach einer Nachfolgerin für mein Geschäft umgeschaut hätte«, sagt sie. Noch ist der Mietvertrag mit der potenziellen Interessentin, Vermieterin ist die Stadt, die seinerseits den Laden von Eigentümer gemietet hat, nicht in trockenen Tüchern. Doch Sieglinde Schairer ist zuversichtlich, dass das letztlich klappt.
Klare Worte zum Abschied
Die 65-Jährige geht jedenfalls spätestens Ende März in die Rente, aber liegt dann sicher nicht in die Hängematte. Nichts zu machen, ist nicht ihr Ding. Sie freut sich darauf, endlich mehr Zeit für sich zu haben, will mehr Sport machen, sich um ihre Gesundheit, um Enkel und Mann kümmern. Aber sie hat auch noch viele Ideen, wie man der Innenstadt unter die Arme greifen kann. Die wird sie auch weiter an den entscheidenden Stellen anbringen, versichert sie. Auch bei denen, die immer beklagen, dass in Pfullingen zu wenig geboten ist. Ja, eine Stelle fürs Stadtmarketing in der Verwaltung könnte dazu beitragen, die Situation zu verbessern, auch eine bessere Verknüpfung von Tourismus und Handel könnte Kaufkraft schaffen. Letztlich sei aber auch der Kunde gefragt: »Wer nicht in der Innenstadt einkauft«, dürfe sich nicht darüber beschweren, dass dort immer weniger los ist. Um ein klares Wort ist Sieglinde Schairer zum Abschied nicht verlegen. (GEA)