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Mitglieder des Naturschutzvereins Rana schneiden Weiden in Honau

Traditionell werden Weiden mitten im Winter geschnitten. Die Ruten der Bäume werden zum ersten Mal für den Zaun des Kindergartens verwendet.

Der Rana-Vorsitzende Jürgen Tröge verpasst einer Weide an der Echaz, unterhalb von Schloss Lichtenstein, einen gründlichen Rücks
Der Rana-Vorsitzende Jürgen Tröge verpasst einer Weide an der Echaz, unterhalb von Schloss Lichtenstein, einen gründlichen Rückschnitt. Foto: Gabriele Böhm
Der Rana-Vorsitzende Jürgen Tröge verpasst einer Weide an der Echaz, unterhalb von Schloss Lichtenstein, einen gründlichen Rückschnitt.
Foto: Gabriele Böhm

LICHTENSTEIN. Zapfig kalt ist es an diesem Morgen an der Echaz. Noch ist die Sonne nicht über den Berg gekommen, und der Fluss kühlt die Luft auf minus zwei Grad. Man könnte im Warmen bei einem Kaffee sitzen, doch die Mitglieder des Naturschutzvereins Rana (Reptilien Amphibien Neckar-Alb) widmen sich lieber ehrenamtlich der Pflege von Kopfweiden. Denn diese stellen, so der Vorsitzende Jürgen Tröge, einen wichtigen Lebensraum dar.

Einige der Weiden am Echazufer sind bereits um die 100 Jahre alt. »Sie wurden damals möglicherweise gezielt gepflanzt, um sie für den Bau von Fachwerkhäusern zu nutzen«, vermutet Tröge. »Die Stecken wurden in die Fächer aus Holzbalken eingesetzt und mit Lehm beworfen.« So entstanden die Wände aus Naturmaterial.

Samuel Kick schneidet eine Weide, die noch keine Kopfform erkennen lässt.
Samuel Kick schneidet eine Weide, die noch keine Kopfform erkennen lässt. Foto: Gabriele Böhm
Samuel Kick schneidet eine Weide, die noch keine Kopfform erkennen lässt.
Foto: Gabriele Böhm

Doch Weiden können noch viel mehr. Tröge hat eine lange Liste mitgebracht: Demnach wurden die biegsamen Ruten schon in der Römerzeit genutzt, um beispielsweise Reben anzubinden. Die schier endlose Reihe der aufgezählten Verwendungsmöglichkeiten umfasst Flechtwerk wie Tragekörbe, Reusen, Bienenkörbe und Zäune. Weidenblätter dienten als Tierfutter und Färbemittel. Die Rinde wurde gegen Kopfschmerzen, Fieber oder Entzündungen eingesetzt. Die Altvorderen wussten sich zu helfen. Nicht umsonst findet sich der lateinische Name der Weide, Salix, in der Salicylsäure wieder. Auch Zeichenkohle ließ sich aus Weide herstellen.

Dem Verein Rana geht es aber vielmehr um die Bedeutung der Weiden als Lebensraum. »Kürzt man die langen Triebe regelmäßig, bilden sich Kopfweiden, regelrechte Nester auf Stämmen, in denen viele Tiere Unterschlupf finden«, berichtet Samuel Kick. Käfer, Schmetterlinge, Vögel und Kleinsäuger, zum Beispiel Siebenschläfer, suchen dort Schutz. Außerdem wurden auf Kopfweiden schon mehr als 180 Pflanzenarten ermittelt, die darauf leben. »Je älter die Weide ist, desto größer und wertvoller ist sie auch«, sagt Tröge. Zwischen den Trieben bilde sich Mulch, der sowohl einen Nährboden als auch ein Wärme- und Polstermaterial darstelle.

Die Weide hat schon die passende Form mit einem Kopf.  Aber die neuen Triebe müssen regelmäßig nachgeschnitten werden.
Die Weide hat schon die passende Form mit einem Kopf. Aber die neuen Triebe müssen regelmäßig nachgeschnitten werden. Foto: Gabriele Böhm
Die Weide hat schon die passende Form mit einem Kopf. Aber die neuen Triebe müssen regelmäßig nachgeschnitten werden.
Foto: Gabriele Böhm

Eine Weide könne sich jahrzehntelang selbst erneuern, in dem sie auf der einen Seite absterbe und auf der anderen wieder neu austreibe. Alle zwei bis drei Jahre kürzen die Rana-Mitglieder die Triebe, sodass sich die typischen rundlichen Köpfe der Weiden bilden. Kopfweide – der Begriff bezeichnet die Form, nicht die Sorte. »Es gibt unter anderem Silber-, Mantel-, Hanf-, Bruch- und Salweiden«, so der Fachmann. Die meisten Weiden seien eine Mischung zwischen diesen Sorten.

Mit Motorsägen und Astscheren rücken die Naturschützer den langen Weidentrieben zu Leibe. »Ließe man sie wachsen, würden sie zu schwer und der Baum könnte abknicken«, erläutert Samuel Kick. Eine halbe bis eine dreiviertel Stunde dauert der perfekte Schnitt. Traditionell würden, so Tröge, die Weiden mitten im Winter geschnitten, da dann der Saftfluss am geringsten sei.

In diesem Jahr freue sich der Verein, dass die Weidenruten weiterverwendet würden, betont der Vorsitzende. Dafür eingesetzt hat sich Ortschafts- und Gemeinderat Tobias Feus. »Die Zweige werden im Kindergarten in Honau als Sichtschutz eingesetzt«, erläutert er. »Das leichte Material können die Kinder auch immer wieder selbst ausbessern.« Der Kindergarten selbst habe nach Alternativen für einen teuren Holzzaun gefragt.

Tobias Feus wählt die Weidenruten für den Zaun am Kindergarten aus.
Tobias Feus wählt die Weidenruten für den Zaun am Kindergarten aus. Foto: Gabriele Böhm
Tobias Feus wählt die Weidenruten für den Zaun am Kindergarten aus.
Foto: Gabriele Böhm

Die Weiden werden aber auch in Laichgewässern von Amphibien eingebracht, wo sie unter anderem Kaulquappen Deckung bieten können. Unendlich vielfältig erscheint die Nutzung einer Baumart, die oft unscheinbar am Fluss- oder Bachufer wächst. Am Echazuferweg, Teil der idyllischen Honau-Runde, weist eine Infotafel auf die Bedeutung der Weide hin. (GEA)