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Aktuell Projekt

Fünf Jahre von der Idee bis zum Start des Pfullinger Bürgerbusses

Die Umsetzung des Pfullinger Vorzeige-Projekts war ein Kraftakt: Erste Tour am 30. Mai 2011

Das Team der ersten Stunde präsentiert den Bürgerbus am 27. Mai 2011 auf dem Pfullinger Marktplatz und erhält von Bürgermeister
Das Team der ersten Stunde präsentierte den Bürgerbus am 27. Mai 2011 auf dem Pfullinger Marktplatz und erhielt vom damaligen Bürgermeister Rudolf Heß den symbolischen »Fahrzeugschlüssel«. Foto: Privat
Das Team der ersten Stunde präsentierte den Bürgerbus am 27. Mai 2011 auf dem Pfullinger Marktplatz und erhielt vom damaligen Bürgermeister Rudolf Heß den symbolischen »Fahrzeugschlüssel«.
Foto: Privat

PFULLINGEN. »Ja wia lang brauchet ihr no?«, fragt eine Passantin, als das Bürgerbus-Team beim Pfullinger Maimarkt 2011 das frisch eingetroffene Leasing-Fahrzeug vorstellt und den Betriebsstart für den 30. Mai 2011 ankündigt. Die Ungeduld ist verständlich, denn zu diesem Zeitpunkt liegen ein Testlauf und eine Umfrage der Stadt, wer einen innerörtlichen Bus nutzen und wer ehrenamtlich mitmachen würde, schon eineinhalb Jahre zurück.

Die Überlegungen reichen aber viel weiter zurück. »Wir sind im Elsterweg vor 43 Jahren eingezogen«, erzählte ein Fahrgast der ersten Stunde. »Das Rathaus hat uns schon damals einen Bus versprochen.« Lange musste sich Bürgermeister Rudolf Heß Klagen anhören, dass große Wohngebiete keinen Bus-Anschluss hätten. So wird er hellhörig, als bei einer Bürgermeister-Woche im Jahre 2006 der Ebersbacher Kollege sein neues Projekt Bürgerbus vorstellt, ein innerörtlicher Linienverkehr mit einem Kleinbus, ehrenamtlich betrieben von einem Verein.

Testlauf im Herbst 2009

Zu Hause bespricht Heß die Idee mit den Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats. Martin Fink von der UWV springt sofort darauf an und treibt die Idee im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats voran. Dieser zögert und einigt sich zunächst darauf, eine Nahverkehrsuntersuchung in Auftrag zu geben. Sie liegt 2008 vor, identifiziert die fehlende Anbindung der Ost- und Weststadt als Hauptmangel und skizziert verschiedene Lösungsmöglichkeiten. Martin Fink, der die Option Bürgerbus favorisiert, fährt zusammen mit seiner Fraktion nach Ebersbach, kommt begeistert zurück und gewinnt den Gemeinderat dafür, Ordnungsamtsleiter Manfred Wolf mit der Umsetzung des Projekts zu beauftragen

Im Herbst 2009 gibt es einen Testlauf. An drei Freitagen fährt ein gemieteter Großraum-Pkw eine Reihe provisorisch aufgestellter H-Schilder in einer Achterschleife zweimal ab, einmal zur Hinfahrt vom Wohnort ins Zentrum und einmal zur Rückfahrt. Gleichzeitig geht ein Fragebogen an die Pfullinger Haushalte, der sowohl die Nutzungswünsche als auch die Bereitschaft zur ehrenamtlichen Mitarbeit abfragt. 146 Rückläufe bieten ein recht gutes Bild, wo sich der Bedarf konzentriert; etwa 30 Personen wollen das Projekt unterstützen.

Im Mai 2010 lädt Wolf die Interessenten zu einer Informationsrunde. Mit dabei ist Theo Brenner, der Vorsitzende des bürgerschaftlich engagierten Bürgertreff-Vereins. Beim nächsten Treffen im Juli beginnt die Arbeit: Wer würde fahren, wer organisatorisch unterstützen? An was muss gedacht, was als Erstes angepackt werden? Ein Fahrer- und ein Organisationskreis werden gegründet. Alle sprühen vor Tatendrang.

Dass die Fahrer eine Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung brauchen und sich einer medizinisch-psychologischen Eignungsprüfung unterziehen müssen, hält man für eine Formsache. Aber diese Tests sind nicht einfach, und so macht sich Ernüchterung breit, als mehrere scheitern. Mit einer Handvoll Fahrerinnen und Fahrern kann der Betrieb nicht starten. Ende Oktober 2010 wird daher mit aller Kraft für Verstärkung geworben.

14 Fahrer der ersten Stunde

Zum Glück hatte der Organisationskreis bereits weiteres Werbematerial erstellt: Plakate und ein Info-Blatt, das an die Haushalte verteilt wird. Info-Stände an drei Samstagen im November und die Suche im privaten Umfeld erbringen acht weitere fahrwillige Personen. Im Dezember 2010 ist der Fahrerkreis zuversichtlich: Drei Tage pro Woche können abgedeckt werden. Am Ende werden es 14 Personen sein, die ab Ende Mai 2011 an vier Vormittagen und zwei Nachmittagen pro Woche auf Tour gehen.

Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Der Fahrerkreis bildet eine Fahrzeugkommission, während der Organisationskreis aus Bettina Abele, Theo Brenner, Elvira Fesseler und Roland Hecht eine Unmenge an Detailfragen abarbeitet. Roland Hecht und das Ehepaar Fesseler fahren nach Ebersbach, um den dortigen Betriebsablauf hautnah mitzuerleben.

RSV als dritter Partner

Bis Anfang März entwickeln sie den Fahrplan mit Routenverlauf, Haltestellen und Zeitplan. Dazu ziehen sie die Studie von 2008 und die Umfrageergebnisse heran, bilden sie auf großformatigen Stadtplänen ab, unternehmen Probefahrten mit Stoppuhr und Protokollblock, inspizieren die realen Gegebenheiten vor Ort und tragen die Ergebnisse grafisch und tabellarisch zusammen. Ende März stellt Werner Fesseler das Ergebnis dem Gemeinderat vor, der die Finanzierung eines zweijährigen Probebetriebs beschließt.

Nun ist Eile geboten. Bis zum geplanten Start bleiben nur noch zwei Monate. Während Wolf das gewünschte Fahrzeug beschafft, Genehmigungen einholt, Verträge schließt und die Haltestellen einrichten lässt, kümmert sich das Team um viele praktische Einzelheiten und präsentiert das Konzept auf Wochenmärkten und beim Maimarkt.

Der Pfullinger Fahrlehrer Hans Reiff weist die Fahrer ein; die Schulung in rechtlichen Besonderheiten des Linienverkehrs übernimmt die RSV, die als Konzessionsinhaber für den örtlichen Busverkehr Projektpartner wird – als dritter Vertragspartner neben der Stadt als Finanzier und dem Bürgertreff Pfullingen als Betreiberverein.

Für den Einsatz als Linienbus braucht das Fahrzeug noch einiges an zusätzlicher Ausstattung. Die ausfahrbare Trittstufe und ein zusätzlicher Handgriff am Fahrgasteinstieg sind die einzigen Extras, bei denen ein fester Anbau unumgänglich ist. Alles andere – wie Fahrscheinvorrat, Kasse, Schirm- und Stockständer, Schilder und Fixierungen für Gepäckstücke – werden mit Riemen, Klemm- und Klebevorrichtungen angebracht, denn das Fahrzeug ist ja nur gemietet.

Am Freitag, 27. Mai 2011, steht der Kleinbus geschmückt und betriebsbereit auf dem Marktplatz. Bürgermeister Heß übergibt den »Fahrzeugschlüssel« in Form eines großen Hefezopfs an das Team, das so viel Arbeit in die Vorbereitungen gesteckt hat. Am Montag, 30. Mai, startet der Bürgerbus zur ersten fahrplanmäßigen Tour. Eineinhalb Jahre vergehen vom Testlauf und der Umfrage bis zur Realisierung: eine lange Zeit? Für die beteiligten Ehrenamtlichen ist sie damals wie im Flug vergangen. (fm)

ZEHN JAHRE BÜRGERBUS

Der Pfullinger Bürgerbus fährt seit zehn Jahren seine Touren durch die Stadt und bringt die Bewohner aus der Ost- und der Weststadt komfortabel in die Innenstadt. Ermöglicht wird das Angebot dank des Einsatzes vieler Ehrenamtlicher. Im GEA erscheint aus Anlass des »Geburtstags« am 30. Mai eine Artikel-Reihe. (GEA)