ENINGEN. Rainer Maria Rilke ist weltweit einer der bekanntesten und meistübersetzten deutschsprachigen Schriftsteller. Am Freitagabend würdigte die Veranstaltung »Pop & Poesie, vollendet in der Kunst« in der Bücherei Eningen den Autoren. Leiterin Karin Bähr begrüßte die Gäste zur gelungenen Synthese im restlos besetzten Foyer.
Wie nähert man sich der schillernderen Person Rilkes an, der 1875 in Prag zur Welt kam und 1926 in Montreux starb? Dieser Frage hatte sich Künstlerin Christa Schuster-Salas gewidmet, die aktuell zehn Ölbilder in der Bücherei ausstellt. Neun davon sind von Rilke inspiriert, wie Moderator Wolf Lehner berichtete. Dem »Panther«, dem berühmtesten Gedicht Rilkes, sei wohl jeder in seiner Schulzeit begegnet. Das Leid des freiheitsliebenden, stolzen Wildtieres, das nun in einem Käfig gefangen ist und dessen Verzweiflung und Ausweglosigkeit der Dichter 1903 mit den Worten »Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt« so mitfühlend beschrieb, gibt die Malerin treffend in ihrem Ölbild wieder.
Ein Frosch, ein Hund, eine Gazelle, ein Löwe - sie alle sind Themen in den großformatigen, leuchtend farbigen Bildern, in denen Christa Schuster-Salas die Tiere und ihre Schilderung in Rilkes Gedichten einfängt. Sie sind für ihn Verkörperung der ursprünglichen Natur, stehen aber auch für Unterwerfung, Anpassung, Gefangensein. Doch auch Menschen sind Sujets. Die Künstlerin hat auch das Gedicht des »Träumers« (»Träume scheinen mir wie Orchideen. – So wie jene sind sie bunt und reich.«) umgesetzt: In ihrem Gemälde liegt ein junger Mann entspannt schlafend auf einem Sofa. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass er tief in eine Traumwelt versunken ist. Ein anderes Bild zeigt ein innig verschlungenes Paar, das das Gedicht »Wenn es nur einmal so ganz still wäre« interpretiert.
Für den Vortrag der entsprechenden Gedichte konnte keine geringere als Anne Mundig, ausgebildete Sopranistin, gewonnen werden, die die Werke ausdrucksstark und mit klarer Stimme rezitierte. Das Publikum sah dazu die Gemälde als Projektion vor sich und genoss so die Kunst auf zweifache Weise.
Als dritter Aspekt kam die Musik hinzu. Passend zu Gedicht und Bild hatte das Duo »Hans & Harry & Friends« Stücke ausgewählt. Zum Gedicht des zärtlichen Paares erklang in vielfältiger Instrumentierung das romantische »Woman«, zum »Träumer« der wiegende »Finnish Waltz«.
Moderator Wolf Lehner hatte den Schweizer Diplomaten und Historiker Carl Jacob Burckhardt (1891-1974) zu Rate gezogen, um sich der Person Rilkes anzunähern. Er beschrieb dessen Jugend als tragisch, wurde er doch bis zum achten Lebensjahr von der Mutter als Mädchen erzogen, um dann vom Vater in den unmenschlichen Drill einer Kadettenschule gesteckt zu werden. Rilkes Ehe mit Clara Rilke-Westhoff sei keine gewesen, mehr Einfluss hätte Marie von Thurn und Taxis gehabt, die Rilke »gerettet und geführt« habe. Eine weitere wichtige Frau, in die sich Rilke verliebt hatte, war Lou Andreas-Salomé, Schriftstellerin und Psychoanalytikerin.
Mit großem Beifall bedankte sich das Publikum und würdigte den sehr aufwendig gestalteten Abend, zu dem in der Pause auch Snacks und Getränke gereicht wurden. (GEA)