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Droht dem Albaufstieg bei Lichtenstein das Aus?

Mühsam hatten sich die Lichtensteiner mit dem Regierungspräsidium bei der geplanten Verlegung des Albaufstiegs der B312 bei Lichtenstein auf eine Trasse mitten durch Unterhausen geeinigt. Jetzt sagt ein Verkehrsgutachten, dass diese nicht geeignet ist, und favorisiert eine wesentlich teurere Straßenführung. Die Initiative Albaufstieg Lichtenstein befürchtet deshalb ein Aus für das Straßenbauprojekt .

2010 gingen die Lichtensteiner für den Neubau des Albaufstiegs der B 312 auf die Straße. Heute befürchtet die Initiative, die da
2010 gingen die Lichtensteiner für den Neubau des Albaufstiegs der B 312 auf die Straße. Heute befürchtet die Initiative, die damals die Demonstration organisierte, ein Aus für das Straßenbauprojekt. Foto: Gerlinde Trinkhaus
2010 gingen die Lichtensteiner für den Neubau des Albaufstiegs der B 312 auf die Straße. Heute befürchtet die Initiative, die damals die Demonstration organisierte, ein Aus für das Straßenbauprojekt.
Foto: Gerlinde Trinkhaus

LICHTENSTEIN. Anfang Oktober veröffentlichte das Tübinger Regierungspräsidium (RP) die Ergebnisse seiner bisherigen Verkehrsuntersuchung zum Albaufstieg Lichtenstein, »die wohl intern bereits Ende April dieses Jahrs vorlag«, vermutet die Bürgerinitiative Albaufstieg Lichtenstein. Das kam für die engagierten Bürger zunächst überraschend, da sie in den vergangenen Monaten immer wieder dort nachgefragt hatten, wie der Stand der Planungen sei – aber dazu keine inhaltlichen Auskünfte bekommen haben. Dass das Regierungspräsidium jetzt mit der 5b auf eine Trassenvariante setzt, die längst aus dem Spiel zu sein schien, überraschte die Mitglieder aber noch mehr: »Die Schlussfolgerungen des RP in dieser Vorplanung übertrafen unsere schlimmsten Befürchtungen, sind sie doch letzten Endes ein drohendes komplettes Aus für jeglichen neuen Albaufstieg.« Und das, obwohl auch das RP von steigenden Verkehrszahlen ausgehe.

Denn in der Prognose werde deutlich, dass selbst nach Inbetriebnahme der Regionalstadtbahn und bei erfolgreicher Mobilitätswende die Verkehrsbelastung entlang der B 312 deutlich zunehmen wird, insbesondere auch der Lkw-Schwerverkehr, der ja auch nicht durch die geplante Regionalstadtbahn reduziert werden kann. Damit mache eigentlich auch das RP bereits klar: »Das geht nicht mehr auf den bestehenden Straßen.« Während jedoch bisher die Vorplanung vor allem auf der am ehesten finanzierbaren Anmeldetrasse 1b erfolgte, schwenkt nun die Planung des RP radikal um: »Diese Trassenvariante wird als nicht leistungsfähig genug erklärt und stattdessen die Variante 5b mit insgesamt über sechs Kilometer bergmännischem Tunnel und einem Viadukt über das vordere Reißenbachtal als einzige weiter zu verfolgende Lösung angegeben.«

Wie das RP auf die Variante 5b kam

Das Regierungspräsidium Tübingen plant im Auftrag des Bundes die Verlegung der B 312 bei Lichtenstein (Albaufstieg). Grundlage einer solchen Planung ist eine Verkehrsuntersuchung. Die im Jahr 2021 gemachte Verkehrserhebung zeigt, dass zwischen Pfullingen und Unterhausen derzeit rund 25.000 Fahrzeuge pro Werktag unterwegs sind, davon rund 6,6 Prozent Schwerverkehr. Für das Jahr 2035 wird ein Anstieg um rund 1.500 Fahrzeugen pro Tag erwartet. Bei der Verkehrswirksamkeit, das heißt letztlich, wie viele Fahrzeuge nutzen voraussichtlich die Neubaustrecke, hat die 1b die Nase vorn. Im Verkehrsgutachten wurde aber auch die Leistungsfähigkeit der Varianten bewertet. Dabei sind die Kurvigkeit und die Steigung besonders für den Schwerlastverkehr von Bedeutung. Die Ergebnisse zeigen, dass die Variante 1b nur mit zwei Fahrstreifen je Richtung leistungsfähig genug wäre, um den ausreichend Verkehr aufnehmen zu können. Allerdings wäre diese Variante derzeit mit einem vierstreifigen Straßenquerschnitt nicht umsetzbar. Auch Variante 7c wäre mit nur einem Fahrstreifen je Richtung nicht leistungsfähig. Die Varianten 5b und 5a*, die westlich an Unterhausen vorbeiführen, erfüllen als einzige vollständig die Vorgaben des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen. Sie wären verkehrswirksam und genügend leistungsfähig. Die Variante 5a* schloss aber schon in früheren Untersuchungen aus umweltfachlicher Sicht schlechter ab als 5b. (GEA)

Was auf den ersten Blick »wie eine tolle großzügige Erleichterung für alle verkehrsgeplagten Einwohner Lichtensteins« aussehe, sei jedoch ein K.-o.-Schlag für das gesamte Vorhaben. Zwar kenne die Initiative die aktuellen Kostenschätzungen noch nicht, aber die Relationen zwischen den Varianten dürften annähernd die gleichen sein wie bisher, vermuten deren Vertreter. Damit wäre die Variante 5b zwei- bis dreimal so teuer wie 1b. Das Regierungspräsidium geht selbst von einer Spanne von 395 Millionen Euro bis 1,09 Milliarden Euro für die unterschiedlichen Varianten aus. 1b gehörte zu den günstigen.

Das hat Folgen, denn das finanzierende Bundesverkehrsministerium macht deutlich, dass bei Veränderungen des ursprünglich geplanten Verlaufs »regelmäßig eine neue gesamtwirtschaftliche Bewertung zum Nachweis der Bauwürdigkeit des Projekts durchgeführt« wird. Bei aktueller Entwicklung der Baukosten dürfte die Variante 5b nach Schätzungen der Initiative, die sich in ihren wesentlichen Überlegungen einig mit Lichtensteins Bürgermeister Peter Nußbaum sieht, bei ungefähr einer dreiviertel Milliarde Euro liegen: Deshalb sei zu befürchten, dass der Albaufstieg bei einer Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans nicht mehr im vordringlichen Bedarf bleiben wird. Weil die Nutzen-Kosten-Rechnung sich deutlich verschlechtert. Konkret bedeute das: »Das Vorhaben wird in absehbarer Zeit gar nicht umgesetzt, obwohl Autofahrer und Anwohner immer mehr belastet werden.«

Keine Abstimmung mit den Betroffenen

Erschwerend komme noch hinzu, dass mit der jetzt vorgeschlagenen Variante sensible Naturschutzgebiete an den Tunnelenden durchquert würden – was heutzutage häufig schon allein vieles verhindere und so gar nicht in die heutige Bedeutung des Themas Naturschutz passe. »Es ist uns völlig unverständlich, warum das Regierungspräsidium angesichts dieser Risiken plötzlich auf eine solche Variante umschwenkt. Ohne Abstimmung mit den Betroffenen, mit den Gemeinden und Interessenvertretern werden mögliche umsetzbare Alternativen verworfen und stattdessen letzten Endes eine realistische Aussicht auf jegliche Verbesserung zu Grabe getragen.«

Die Bürgerinitiative habe zusammen mit weiten Teilen der Lichtensteiner Bevölkerung und im Schulterschluss mit der Gemeindeverwaltung dafür gekämpft, »dass die unzumutbare Verkehrsbelastung durch unsere Heimatorte in absehbarer Zeit ein Ende findet«. Dabei sei allen klar geworden: »Die beste Lösung ist nur die, die auch gebaut wird.« Deshalb wurde von allen Beteiligten, einschließlich des RP, nach intensiver Diskussion in der Gemeinde die Variante 1b als realistischste Lösung angesehen. Damals beschloss der Gemeinderat: Das RP soll die Variante verfolgen, bei der die größte Aussicht besteht, in den vordringlichen Bedarf des BVWP 2030 zu kommen. Dies gelang, mit einem Nutzen-/Kosten-Wert von 6,0 war die Variante 1b in der »Poleposition« gegenüber anderen Projekten für die Priorisierung und damit der voraussichtlichen Mittelvergabe aus dem Etat des Bundes.

Lieber die zweitbeste als keine Lösung

Und auch wenn die damals vom RP favorisierte Variante 1b ihre Schwächen habe: »Sie ist immer noch besser als der heutige Zustand – und über eine Minimierung von Schwächen im Detail muss diskutiert werden«, schreibt die Initiative. Technische Standards und allgemeine Empfehlungen für den Straßenbau dürften nicht dazu genutzt werden, Gesundheit der Anwohner und Geduld der Autofahrer aufs Spiel zu setzen. »Für uns ist dann eben auch die technisch zweitbeste Lösung besser als gar nichts.«

Die Initiative begrüßt es, dass viele in der Region den Untersuchungsbericht ebenfalls kritisieren. Bürgermeister, Gemeinderäte, Landrat, Abgeordnete, Regionalverband und Vertreter des Projekts Regionalstadtbahn hätten bereits Fragen gestellt und das RP und das Bundesverkehrsministerium zur Rückkehr zu konstruktiver Zusammenarbeit aufgefordert. Es dürfe nicht sein, dass die Ansicht von Planern über die Priorität von Straßenbau-Empfehlungen dazu genutzt werde, die Ergebnisse des Willensbildungsprozesses in der ganzen Region zu ignorieren. Der vorgelegte Bericht dürfe deshalb noch nicht der Abschlussbericht sein, sondern es müsse diskutiert werden mit dem Ziel, umsetzbare Lösungen zu erarbeiten statt zu verhindern, betont die Bürgerinitiative, die alle Betroffenen auffordert, ihren Unmut zu äußern. (GEA)