BAD URACH. Eine unendliche Geschichte. Zumindest fast. Und noch kein richtiges Happy End in Sicht. Schon eine kleine Ewigkeit steht der rote Iveco-Laster am Rande des Kurgebiets von Bad Urach auf der großen, asphaltierten Fläche bei den beiden Bohrlöchern. Was ist passiert?
Angefangen hat alles in der Nacht vom 23. November 2020. Was den Fahrer des ungarischen Lasters in die Tiefen der Uracher Altstadt gezogen hat, weiß niemand. »Er hat sich wohl verfahren«, sagt Bürgermeister Elmar Rebmann. Aus Unvorsichtigkeit oder im Stress rammte er das Tor der Wilhelmschule am Graf-Eberhard-Platz direkt neben der Amanduskirche.
»Der Fahrer hat sich daraufhin auch aus dem Staub gemacht und den Laster stehen lassen«
Was dann passierte, weiß auch niemand so recht. Nur so viel: Der Fahrer habe nach dem Unfall wohl mit seinem Chef in Ungarn telefoniert, sagt Bürgermeister Elmar Rebmann. Der Boss muss daraufhin offensichtlich so sauer gewesen sein, dass er den Fahrer feuerte - am Telefon. »Der Fahrer hat sich daraufhin auch aus dem Staub gemacht und den Laster stehen lassen«, sagt Rebmann.
Wohin mit einem herrenlosen demolierten Lasten mitten in der mittelalterlichen Altstadt? »Wir mussten ihn abschleppen lassen«, sagt Jochen Wagner, der im Uracher Rathaus den Fachbereich III (Bürgerservice, Öffentliche Ordnung) verantwortet. Im Bauhof, der nur ein paar Hundert Meter von der Unfallstelle entfernt liegt, war zu wenig Platz für den Schrott-Laster. Deshalb ist er beim Bohrplatz gelandet, dem Gelände im Besitz der Stadt Bad Urach im Anschluss ans Kurgebiet Richtung Dettingen. Damals hatte die Stadt noch gehofft, dass ihn die ungarische Spedition schnell abholen würde.
»Die Polizei hat die Weiterfahrt untersagt, weil der LKW nicht mehr verkehrssicher war«
»Anfang 2021 war der Geschäftsführer tatsächlich da«, blickt Jochen Wagner zurück. Und wollte den verunfallten Laster auch mitnehmen. Da spielte aber die Polizei nicht mit. »Sie hat die Weiterfahrt untersagt, weil der LKW nicht mehr verkehrssicher war«, sagt der Leiter des Ordnungsamts. Woraufhin der Spediteur das Gleiche machte wie sein geschasster Fahrer: Er machte sich aus dem Staub und wurde nie mehr gesehen.
Die Stadt Bad Urach ging 2022 zum örtlichen Amtsgericht und klagte auf Entfernung des Schrottlasters. Nicht zuletzt, »weil wir noch Forderungen an die Firma hatten«, so Wagner, »die Kosten also für die Reparatur des Tors der Wilhelmschule und die fürs Abschleppen«. Das wurde wieder nichts: »Die Firma war mittlerweile pleite und aufgelöst«, sagt Wagner. Damit hat die Stadt Bad Urach keinen Ansprechpartner mehr.
»Die Firma war mittlerweile pleite und aufgelöst«
Es sind weniger die Kosten, auf denen die Stadt sitzen bleiben wird. Das Problem ist der Laster als solcher, der auf dem Bohrplatz vor sich hin gammelt. Und der Müll. Am Anfang war die Pritsche noch mit einer Plane bedeckt, inzwischen sind das Verdeck und die Plane heruntergerissen. Auf der Pritsche liegen Autoreifen auf verrosteten Felgen und Müll. Und jetzt auch ein paar versiffte Matratzen an der Seite des Bauzauns, mit dem der Schrott-Laster eingehaust ist, wie SPD/AB-Stadtrat Armin Schidel jetzt im Gemeinderat monierte.
»Wir wollen das juristisch sauber abwickeln«, sagt Jochen Wagner. Was angesichts der Tatsache, dass die Firma nicht mehr existiert - und zwischendurch auch mal ein Anwalt der Gegenseite das Handtuch geschmissen hat -, nicht ganz einfach ist. Der Leiter des Bad Uracher Ordnungsamts ist trotzdem zuversichtlich, dass der herrenlose Schrott-Laster die längste Zeit auf dem Bohrplatz gestanden ist: Die Stadt will ihn über »Zoll-Auktion«, das Auktionshaus von Bund, Ländern und Gemeinden, loskriegen. Hier versteigern Kommunen und Behörden ausgemusterte Fahrzeuge und Gerätschaften von Bauhöfen und Feuerwehren, beschlagnahmte Harleys und gepfändete Mercedes. Aber auch rostende, schimmelnde und vermooste Schrotthaufen ohne Papiere und Schlüssel werden verhökert. Demnächst wird wohl ein roter, demolierter Iveco-Eurocargo-Laster ungarischer Herkunft angeboten, der die letzten vier Jahre auf dem Uracher Bohrplatz vor sich hin gegammelt ist.