BAD URACH. Der nächste, der aufgibt. Schwer vorstellbar – eigentlich unvorstellbar –, dass bei Collmer in absehbarer Zeit die Lichter ausgehen. Es ist aber so. Wilfried Collmer, der Chef des Haushalts- und Spielwarengeschäfts, hat beschlossen, dass er den Laden, den sein Uropa gegründet hat, dichtmacht. Bald beginnt der Ausverkauf, vielleicht nimmt er das Weihnachtsgeschäft noch mit, spätestens im Januar zwanzigfünfundzwanzig ist aber Schluss.
Wilfried Collmer hat sich den Schritt lange überlegt, wollte sich lange nicht vorstellen, dass mit ihm die Familientradition zu Ende gehen soll. »Ich bin jetzt die vierte Generation, ich wollte nicht der sein, der aufgibt«, sagt der 44-Jährige, der das Geschäft als »e. K.« führt, als eingetragener Kaufmann also, und damit unbeschränkt für den Laden haftet, »ich will aber auch nicht derjenige sein, der alles Hab und Gut reinbuttert, um die Tradition am Leben zu erhalten und dann hinterher total am Ende zu sein.«
Es sind eine ganze Reihe Gründe, die ihn dazu bewogen haben, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen. Nein, es ist nicht nur Amazon und Co., es ist auch nicht die Stadt, die zu wenig tut, um Kundschaft in die Stadt zu bringen (»es wäre billig, das zu sagen«) betont er. Collmer: »Es ist das veränderte Kaufverhalten der Menschen, das dazu führt, dass es Läden wie meiner immer schwerer haben und irgendwann aufgeben.«
Als Erstes nennt Wilfried Collmer die großen Ketten, die in den Einzelhandel reindrücken und ihn damit kaputtmachen. Gegen die Kampfpreise der Großen haben die Kleinen keine Chance. Auch Collmer kann immer mal wieder von Sonderaktionen großer Firmen profitieren. Wenn dann Aldi und Co. mit Kampfpreisen (»Die können das über die Masse machen. Ich nicht«) noch mal deutlich drunter gehen, bleibt bei ihm einfach zu wenig hängen. Wenn der Sicomatic, der mit 99 Euro fast unter der Hälfte der unverbindlichen Preisempfehlung von 169 Euro liegt, beim Discounter dann nach drei Tagen weg ist, ist das dem Kunden egal. Das nächste Superangebot kommt ja bald vom anderen Discounter, entsprechend flächendeckend beworben. »Das bleibt dann bei den Leuten haften«, sagt Collmer, »sie vergessen Fachgeschäfte wie mich.« Fachgeschäfte, in denen man nicht nur für die Ware bezahlt, sondern auch für eine fundierte Beratung.
»Viele haben sich daran gewöhnt, automatisch im Internet einzukaufen«
Und dann ist da die Sache mit dem Internet: »Viele haben sich daran gewöhnt, automatisch im Internet einzukaufen«, sagt Collmer. Obwohl dort nicht mal alles billiger ist als bei ihm. Und obwohl es dort zwar Kundenrezensionen gibt, aber keine Beratung eines Fachmanns. »Ich habe von allen Produkten mehrere Angebote«, sagt Wilfried Collmer, »zu unterschiedlichen Qualitäten und Preisen.« Verkaufen würde er nichts, hinter dem er nicht stehen könnte – er will seine Kunden ja wiedersehen. Wenn Wilfried Collmer im Internet ein Produkt findet, das billiger angeboten wird, als er’s beim Großhändler einkaufen kann, muss er traurig und frustriert die Waffen strecken und auf die Kunden hoffen, die noch den Weg zu ihm finden, weil sie sehen und anfassen wollen, was sie kaufen – verbunden mit einem Beratungsgespräch. »Es sind inzwischen aber nur noch 10, 15 Prozent der Bevölkerung, die so etwas zu schätzen wissen«, sagt er.

Wenn sie überhaupt den Weg zu seinem Laden finden. Die großen Parkplätze bei den Supermärkten in der Gebrüder-Groß-Straße sind keine 200 Meter entfernt – »trotzdem kommen viele einfach nicht in die Stadtmitte«, sagt Collmer. Von der Erfahrung, dass viele Kunden am liebsten direkt vor dem Laden parken würden, berichten auch andere Einzelhändler. »Wenn ich nur 30 Prozent dessen hätte, was ich an einem verkaufsoffenen Sonntag habe, wenn die Stadt voll ist, wäre ich glücklich«, sagt der 44-Jährige. »Wenn die Stadt voll ist, profitieren alle davon, auch die ganze Gastronomie.« Ein Grund, warum der Gewerbe- und Handelsverein Bad Urach aktiv, bei dem sich Collmer als stellvertretender Vorsitzender neben Sabine Hunzinger engagiert, den Stadtstrand nicht nur gutheißt (»eine tolle Sache«), sondern mit eine Spielzeugkiste für Kinder unterstützt.
Dass die Stadt in jüngerer Zeit einiges getan hat, um die Innenstadt zu beleben – durch die IHK-Innenstadtberatung ebenso wie durch den Stadtstrand – hat Wilfried Collmer sehr wohl bemerkt und lobt das Engagement. Allein: Es reicht nicht, um den Laden einigermaßen sicher in die Zukunft zu führen. Zu wenig Kundschaft.
Wenn Touristen in seinen Laden am kleinen Marktplatz gegenüber des Rathauses kommen, um ein kleines Souvenir oder Postkarten zu kaufen und dann die ganzen Haushaltswaren entdecken und sich begeistert zeigen über das Angebot wie aus den guten, alten Zeiten, freut das Wilfried Collmer. »Vom Lob allein krieg ich aber keine Butter aufs Brot.«
»Vom Lob allein krieg ich keine Butter aufs Brot«
Das Fachwerkhaus steht in allerbester Lage, direkt gegenüber des Uracher Rathauses. Der Schwerpunkt des Gründers Wilhelm Collmer lag auf Bürsten und Besen, der andere Hausrat gehörte einfach dazu. Opa Wilhelm war Bürstenmacher-Meister, er führte das Geschäft weiter, wie es sein Vater getan hatte – damals tickten die Uhren viel langsamer. Wilfried Collmers Vater Werner hatte sich in den 70er-Jahren noch eine große Bürstenmacher-Maschine angeschafft. »Die Kreiskliniken waren damals unser Hauptabnehmer«, sagt Collmer. Weil die Holzbürsten irgendwann als unhygienisch galten und die Klinken auf Kunststoff setzten, fiel dieser Erwerbszweig weg. Ein Glück, dass es immer noch die Haushaltswaren gab. Die Spielwaren-Abteilung war früher noch im ersten Stock, jetzt nimmt sie nur noch einen kleinen Teil des Ladens im Erdgeschoss ein. Die Eisenbahnabteilung war zwar von Liebhabern der Mini-Technik geschätzt, die hat Collmer aber schon Ende 2023 aufgegeben. »Schön, aber eine brotlose Kunst.«
Seit anderthalb Jahren quält er sich mit dem Gedanken, seinen Laden dichtzumachen. Mit den Problemen setzt er sich schon lange auseinander, die hat er schon von seinem vor dreieinhalb Jahren verstorbenen Vater Werner mitbekommen. »Seit 15 Jahren denke ich, dass es die Leute doch irgendwann wieder zu schätzen wissen müssten, was wir bieten«, sagt der 44-Jährige, »dass es Qualitätsware und Beratung nur in solchen Geschäften gibt – dass also ein Umdenken stattfindet.« Es ist anders gelaufen. Die Kunden denken nicht um. Collmer hat umgedacht und zieht jetzt einen Schlussstrich. (GEA)