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Schrotthaus von Wittlingen: Was wussten die Makler?

Laura Pippig und Roman Raffler haben ihr mangelhaftes Haus über die Kreissparkasse Reutlingen vermittelt bekommen. Wie wurde das vor dem Verkauf bewertet? Eine Spurensuche.

Um dieses Haus in Wittlingen geht es im Prozess zwischen den Käufern Laura Pippig und Roman Raffler und dem Verkäufer. Die Kreis
Um dieses Haus in Wittlingen geht es im Prozess zwischen den Käufern Laura Pippig und Roman Raffler und dem Verkäufer. Die Kreissparkasse Reutlingen hat das Haus vermittelt. Foto: Steffen Schanz
Um dieses Haus in Wittlingen geht es im Prozess zwischen den Käufern Laura Pippig und Roman Raffler und dem Verkäufer. Die Kreissparkasse Reutlingen hat das Haus vermittelt.
Foto: Steffen Schanz

BAD URACH-WITTLINGEN. Im Immobilien-Exposé der Kreissparkasse Reutlingen zeigen Fotos helle, schön möblierte Räume. Und der Text beschreibt blumig das 170 Quadratmeter große Haus in Bad Urach-Wittlingen, als wäre es eine Freude in dem »Modernen Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung in sonniger Lage« zu wohnen. Doch die Realität sieht wegen vieler Mängel ganz anders aus. So anders, dass die beiden Käufer Laura Pippig und Roman Raffler ihren Kaufvertrag von 2021 rückgängig machen und den gezahlten Preis von 550.000 Euro zurückhaben möchten. Sie sehen sich vom Verkäufer-Ehepaar getäuscht und vermuten, dass dieses von den heftigen Mängeln gewusst hat, die sie selbst bei der Besichtigung nicht bemerkt hätten.

Deshalb haben sie Klage vor dem Landgericht Tübingen eingereicht. Allerdings müssen Pippig und Raffler dem Verkäufer-Paar arglistige Täuschung nachweisen, um den Immobilienkauf rückgängig zu machen. Das ist aber nicht so einfach. Mittlerweile zieht sich der Prozess seit 2023. Am 8. Januar 2025 hat die Richterin Birgitta Fuhrmann den - unter anderem wegen Krankheit - bereits drei Mal verschobenen Termin für den nächsten Tag kurzfristig abgesagt. Richterin Fuhrmann sieht noch weiteren Klärungsbedarf zum Zustand des Hauses, um eine Entscheidung treffen zu können.

Fragen zum Zustand und zum Preis

Zurück zum Exposé, das in Laura Pippig und Roman Raffler so viel Interesse für das Haus in Wittlingen weckte, dass sie es statt für 495.000 Euro sogar für 550.000 Euro gekauft haben. Weil die positive Darstellung der Kreissparkasse im Exposé und der tatsächliche Zustand mit all den Mängeln so unterschiedlich sind, hat der GEA Fragen an die Mitarbeiter der Immobilienabteilung zum Zustand, der Preisberechnung und dem Prozedere der Bewertung gestellt. Dabei stellen sich unter anderem die Fragen, wie intensiv sich die Mitarbeiter der Kreissparkasse das Gebäude angeschaut haben, wie deren Eindruck war, ob sie Mängel wahrgenommen hatten und ob die Kreissparkasse einen Gutachter beauftragt hatte, um den Wert zu ermitteln.

Doch Thilo Schmid, der Pressesprecher der Kreissparkasse Reutlingen, antwortet nicht auf die detaillierten Fragen. Er begründet das mit dem laufenden Verfahren zwischen Pippig und Raffler, und dem Verkäufer-Ehepaar. Auch dazu, wie bei der Kreissparkasse die Prozesse der Immobilienvermittlung ablaufen, gibt Schmid keine Antwort. Im Übrigen haben sich die Vorbesitzer und Verkäufer auf eine schriftliche GEA-Anfrage, wonach sie doch ihre Sicht auf den Rechtsstreit schildern sollen, vom Herbst 2023 bis heute nicht gemeldet.

Immobilie im besten Licht präsentiert

Ein Artikel aus dem Immobilienmagazin Zuhause der Kreissparkasse Reutlingen aus dem Jahr 2018 gibt Einblicke ins Maklergeschäft. Demnach schauten sich zumindest damals die Mitarbeiter der KSK-Immobilienabteilung mit dem Verkäufer das zu verkaufende Haus an. Es folgte die Preiseinschätzung: »Im Nachgang zu unserem Gespräch ermitteln wir einen Marktwert für ihre Immobilie. In einem zweiten Termin erklären wir die ermittelten Werte gerne und stimmen gemeinsam mit Ihnen einen passenden Angebotspreis ab«, heißt es in der Zeitschrift. Und weiter: »Wir erstellen einen professionellen Marktauftritt und präsentieren Ihre Immobilie im bestmöglichen Licht. Die optimale Präsentation Ihrer Immobilie ist unser Anspruch.«

So hat die Kreissparkasse Reutlingen früher die Immobilie beworben, die für die Käufer zum Alptraum-Haus geworden ist.
So hat die Kreissparkasse Reutlingen früher die Immobilie beworben, die für die Käufer zum Alptraum-Haus geworden ist. Foto: Andreas Fink
So hat die Kreissparkasse Reutlingen früher die Immobilie beworben, die für die Käufer zum Alptraum-Haus geworden ist.
Foto: Andreas Fink

Das Fertighaus in Bad Urach-Wittlingen beschreibt die Kreissparkasse so: »Diese tolle Immobilie besticht durch ihre Geräumigkeit und optimale Lichtverhältnisse.« Sie eigne sich wegen der Lage in einem ruhigen Wohngebiet hervorragend für Familien mit Kindern. »Ohne großen Aufwand können sie die Räumlichkeiten direkt beziehen.« Zwar sind Laura Pippig und ihr Ehemann Roman Raffler mit ihrer damals einzigen Tochter Eleanor nach wenigen Monaten eingezogen. Für sie stellte sich aber bald heraus, dass die Einliegerwohnung wegen Schimmel und Feuchtigkeit nicht bewohnbar ist. Ein von Laura Pippig und Roman Raffler in Auftrag gegebenes Gutachten hat ergeben, dass sie mindestens 440.000 Euro in das schadhafte Haus investieren müssten.

Schwarzschimmel unterm Bett

Eines der Probleme ist in der Einliegerwohnung 2023 deutlich zu sehen: Sie hat nämlich einen heftigen Schimmelbefall. Laura Pippig erzählte dem GEA damals vor Ort, wie sie die Schäden bemerkt habe: »Ich wollte die Außenwand streichen und habe mich gewundert, dass das Malertape nicht gehalten hat.« Die Stelle an der Wand sei nass gewesen. Dann gingen sie und ihr Mann der Sache auf den Grund und rissen das eingebaute Bett in der Zimmerecke raus: »Darunter war es schwarz verschimmelt.« Die Kreissparkasse preist im Exposé an: eine »schöne Einliegerwohnung, die einen separaten Eingang hat und eine Wohnfläche von 47 Quadratmeter inklusive Wintergartenanteil«. Diese lasse sich »sicherlich gut vermieten, kann aber auch von anderen Familienmitgliedern wie Eltern oder Kindern genutzt werden.«

Für das Käuferehepaar ist der Zustand der Einliegerwohnung ein Desaster: »Wir wollten sie nächteweise an Wanderer vermieten.« Durch den Schimmelbefall geht das nicht. »Die Luft hier unten ist gesundheitsgefährdend. Darum fehlt uns diese Einnahmequelle.«

Gefahr für Leib und Leben

Eine ganz unterschiedliche Sichtweise gibt es von der Kreissparkasse und dem Gutachter der Familie Pippig und Raffler auf den Vorgarten: »Das Highlight im Außenbereich ist der große Fisch- und Schwimmteich, der über eine Filteranlage verfügt«, heißt es im Exposé. Der Gutachter findet hingegen deutliche Worte: Wegen der schlechten Elektroinstallation und weil die leitfähige Metallleiter zum Einstieg nicht ausreichend abgesichert ist, »besteht aktuell bei Nutzung des Schwimmbeckens Gefahr für Leib und Leben«. Die Pumpen- und Filteranlage sei in einem desolaten Zustand, bescheinigt er.

Der Beschreibungstext im Exposé der Kreissparkasse schließt mit den Worten: »Verschaffen Sie sich Ihren eigenen Eindruck von dieser charmanten Immobilie bei einer persönlichen Begehung. Zögern Sie nicht, und rufen Sie mich einfach an und vereinbaren einen Besichtigungstermin.« Für Laura Pippig und Roman Raffler begann damit ihr noch andauernder Alptraum. (GEA)