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Schäfer in der Region: Angst vor der Blauzungenkrankheit

Der Uracher Stadtschäfer Christoph Röhner freut sich über den mit 1.500 Euro dotierten Kulturlandschaftspreis des Schwäbischen Heimatbundes. Das Geld nimmt er gern mit, es nimmt ihm aber nicht die Sorgen, die gerade ganz vielen Schäfern schlaflose Nächte bereiten.

Der Uracher Stadtschäfer Christoph Röhner mit seiner Partnerin Jacqueline Kaeber auf dem Seeburger Burgberg, wo sich die Schafe
Der Uracher Stadtschäfer Christoph Röhner mit seiner Partnerin Jacqueline Kaeber auf dem Seeburger Burgberg, wo sich die Schafe um die Landschaftspflege kümmern. Kürzlich sind sie mit dem Kulturlandschaftspreis ausgezeichnet worden, den der Schwäbische Heimatbund und die Sparkassen-Finanzgruppe jährlich ausloben. Bei aller Freude über die Anerkennung: Die Schäfer haben gerade viele Sorgen, weil die Blauzungenkrankheit in der Region angekommen ist. Foto: Andreas Fink
Der Uracher Stadtschäfer Christoph Röhner mit seiner Partnerin Jacqueline Kaeber auf dem Seeburger Burgberg, wo sich die Schafe um die Landschaftspflege kümmern. Kürzlich sind sie mit dem Kulturlandschaftspreis ausgezeichnet worden, den der Schwäbische Heimatbund und die Sparkassen-Finanzgruppe jährlich ausloben. Bei aller Freude über die Anerkennung: Die Schäfer haben gerade viele Sorgen, weil die Blauzungenkrankheit in der Region angekommen ist.
Foto: Andreas Fink

KREIS REUTLINGEN. Christoph Röhner, der Stadtschäfer von Bad Urach, ist mit dem Kulturlandschaftspreis 2024 ausgezeichnet worden. Mit dem jährlich vom Schwäbischen Heimatbund und von der Sparkassen-Finanzgruppe ausgelobten Preis werden Initiativen ausgezeichnet, die sich für die Bewahrung der traditionellen Kulturlandschaft einsetzen. Christoph Röhner, der den Betrieb zusammen mit seiner Partnerin Jacqueline Kaeber führt, freut sich über den mit 1.500 Euro dotierten Hauptpreis. Das Geld nimmt er gern mit, es nimmt ihm aber nicht die Sorgen, die gerade ganz vielen Schäfern schlaflose Nächte bereiten.

»Die Blauzungenkrankheit ist bei uns angekommen«, sagt Christoph Röhner. Die Blauzungenkrankheit ist eine durch Gnitzen – zwischen 1 und 4 Millimeter große blutsaugende Mücken – übertragene Virus-Infektion bei Wiederkäuern wie Schafen, Ziegen und Rindern. Ein erstes Krankheitszeichen ist bei den Tieren häufig eine blau gefärbte, heraushängende Zunge.

Die Schafe des Uracher Stadtschäfers Christoph Röhner sind überwiegend in der Landschaftspflege im Einsatz.
Die Schafe des Uracher Stadtschäfers Christoph Röhner sind überwiegend in der Landschaftspflege im Einsatz. Foto: Andreas Fink
Die Schafe des Uracher Stadtschäfers Christoph Röhner sind überwiegend in der Landschaftspflege im Einsatz.
Foto: Andreas Fink

Die Symptome können noch wesentlich schlimmer sein, hat Anette Wohlfahrt in Norddeutschland gesehen. Kürzlich war die Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbands Baden-Württemberg in Norddeutschland, wo die Krankheit wie die Pest wütet. Sie berichtet von Schafen mit Maden im Maul, mit Fieber, ein Teil ist blind geworden. »Das sieht einfach nur schrecklich und eklig aus«, sagt sie. Wohlfahrt berichtet von einem Oldenburger Betrieb, der tausend Tiere verloren hat – tausend von viertausend. Die Tiere sind rasend schnell gestorben, Multiorganversagen. »Ich habe vorher noch nie Schäfer heulen gesehen«, sagt Anette Wohlfarth.

»Ich habe vorher noch nie Schäfer heulen gesehen«

Das Wissen von dem, was in Norddeutschland abläuft, relativiert die Situation in der Region. »Auch bei uns gibt es in 40 bis 50 Prozent der Betriebe erkrankte Tiere«, sagt Anette Wohlfarth, »auch mit ein paar Ausfällen.« Ausfälle heißt, dass Schafe an der Blauzungenkrankheit gestorben sind. Aber bei Weiten nicht so viele wie im Norden. Der Uracher Stadtschäfer Christoph Röhner berichtet von einer Handvoll toter Tiere. Jedes ist eins zu viel, und ein bisschen Schwund ist immer, aber bei mehr als tausend Tieren ist das zu verkraften.

Warum die Blauzungenkrankheit hier im Süden nicht so übel zugeschlagen hat wie im Norden? »Ganz genau wissen wir es nicht«, sagt Anette Wohlfarth, »es gibt verschiedene Erklärungsversuche.« Es könnte sein, dass von Holland – wo die Krankheit zuerst ausgebrochen ist – nicht so viele Mückchen in den Süden geflogen sind. »Könnte aber auch gut sein, dass wir davon profitieren, dass wir hier relativ früh mit Impfen angefangen haben«, sagt Anette Wohlfarth.

Ein Schaf auf dem Seeburger Burgberg beim Kriegerdenkmal am frühen Morgen. Im Hintergrund Schloss Uhenfels.
Ein Schaf auf dem Seeburger Burgberg beim Kriegerdenkmal am frühen Morgen. Im Hintergrund Schloss Uhenfels. Foto: Andreas Fink
Ein Schaf auf dem Seeburger Burgberg beim Kriegerdenkmal am frühen Morgen. Im Hintergrund Schloss Uhenfels.
Foto: Andreas Fink

Eine Impfung ist der einzige Schutz gegen schwere Verläufe der Tierseuche. Als 2019 und 2020 der 8er- und der 4er-Serotyp am Start war, war die Impfung noch Pflicht. Vielleicht ist davon noch ein kleiner Impfschutz erhalten geblieben. Jetzt sind die Herden von dem aggressiver Serotyp 3 bedroht. Gegen die helfen die alten Impfstoffe nicht mehr. Für die drei neuen, die wirken, gibt es bislang nur eine Notzulassung.

Eine Impfung kostet zwischen 2,90 und 3,10 Euro. Das Landwirtschaftsministerium empfiehlt zwei Impfungen. Gut für die Schäfer: Das Land übernimmt 90 Prozent der Kosten. In einer Branche, die sehr hart kalkuliert, ist das trotzdem ein Posten, auf den die Schäfer lieber verzichten würden. Weil die Blauzungenkrankheit keine anerkannte Tierseuche ist, kommt nichts aus der Tierseuchenkasse. Für verendete Tiere gibt’s eh kein Geld.

»Die Sorge ist, dass die Blauzungenkrankheit im Frühjahr wieder auftaucht«

Die Impfung ist nicht mit Risiken verbunden, aber mit Nebenwirkungen: Sie macht die Böcke 50 bis 60 Tage unfruchtbar. Erst dann sind sie wieder zeugungsfähig. »Wenn in dieser Zeit meine Schafe nicht gedeckt werden können, bedeutet das für mich natürlich auch Ausfälle«, sagt Stadtschäfer Christoph Röhner. Schafe tragen rund fünf Monate.

Wenn Schäfer ein hinkendes Schaf sehen, läuten bei ihnen die Alarmglocken. Im Idealfall ist es »nur« ein Dorn, der sich in die Klauenspalte gebohrt hat. Den kann der Schäfer rausmachen, die Wunde desinfizieren, zur Not gibt’s noch Schmerzmittel und Antibiotika, damit ist die Sache aber relativ schnell erledigt. Es könnte aber auch etwas deutlich Schlimmeres sein: Schafe, die von der Moderhinke befallen sind, hinken ebenfalls. Tritt die hochinfektiöse Krankheit auf, muss die ganze Herde behandelt werden. Alle Klauen müssen zurückgeschnitten werden, die ganze Herde mehrfach durch in ein zinkhaltiges Klauenbad. Die dritte Ursache für ein hinkendes Schaf kann aber auch ein erstes Anzeichen dafür sein, dass ein Schaf an der Blauzungenkrankheit erkrankt ist. Seit im August diesen Jahres das Leistungshüten des Markgröninger Schäferlaufs kurz vor knapp abgesagt wurde, weil in der Herde des dortigen Stadtschäfers erkrankte Tiere aufgefallen waren, ist allen klar, dass die Krankheit da ist.

Zärtlichkeitsbedürftig und zutraulich: Ein Schaf kommt zu Jacqueline Kaeber und lässt sich graulen.
Zärtlichkeitsbedürftig und zutraulich: Ein Schaf kommt zu Jacqueline Kaeber und lässt sich graulen. Foto: Andreas Fink
Zärtlichkeitsbedürftig und zutraulich: Ein Schaf kommt zu Jacqueline Kaeber und lässt sich graulen.
Foto: Andreas Fink

Ausblick: Der Winter ist eine schlechte Zeit für Mücken und damit für die Weiterverbreitung der Blauzungenkrankheit. »Wenn’s aber immer mildere Winter gibt, kommen immer mehr Mucken durch«, gibt Schäfer Christoph Röhner zu bedenken. Daran knüpft Anette Wohlfarth an: »Die Sorge ist, dass die Blauzungenkrankheit im Frühjahr wieder auftaucht, wenn kein Impfstoff da ist.« Deshalb fordert die Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes: »Der Impfstoff muss unbedingt verlängert werden.« (GEA)