RIEDERICH. Aus dem Teufelskreis scheint es kein Entrinnen zu geben, zumal Bürgermeister Tobias Pokrop seit Mitte September erkrankt ist: Weil es im Riedericher Rathaus und bei der Kinderbetreuung massiv an Personal fehlt, arbeitet die Belegschaft am Limit und es müssen bei der Bewältigung der vielfältigen Aufgaben Prioritäten gesetzt werden. Bei Engpässen knirscht es seit Jahren im System. So müssen immer wieder Betreuungszeiten in den Kindertageseinrichtungen gekürzt werden, zurzeit ist dies in der Bismarkstraße und Auf Raise der Fall – letztere hatte im Sommer komplett geschlossen, inzwischen kann es zu tageweisen Schließungen kommen. Der bislang letzte Kindergartenbedarfsplan wurde für das Jahr 2021/ 22 erstellt. Wann er sich um einen aktuellen kümmern wird, kann Hauptamtsleiter Jannis Matthiesen nicht sagen: Im Amt Zentrales und Bürgerservice sei eine 100-Prozent-Stelle nicht besetzt – das müsse aufgefangen werden.
Auch Kämmerin Tanja Dreier hatte aus Personalmangel keine Zeit für die Erstellung eines Haushaltes, deshalb konnte sie das Zahlenwerk für das Jahr 2024 auch erst in der Sitzung vom Mittwoch einbringen. Sie müsse als 75-Prozent-Kraft die 100-Prozent-Stelle der Kassenleitung mit erledigen. Der Bereich sei sehr wichtig: »Bei der Kasse handelt es sich um unseren Puls und das Lebenselixier einer Gemeinde.« Seit vier Wochen sei die Stelle nun besetzt, das habe ihr ermöglicht, sich um den Etat zu kümmern. »Ich weiß, es ist wieder viel zu spät«, entschuldigt sie sich beim neuen Gemeinderat, der zu seiner ersten Sitzung nach der Wahl zusammengekommen war.
Perspektive für 2025 schwierig
Vergangenes Jahr hatte die Kämmerin den Haushalt im November eingebracht, er wurde auch gleich verabschiedet. Verbunden hatte das Gremium sein Ja mit der dringenden Bitte, das neue Zahlenwerk zeitnah vorzulegen – das habe zu ihrem Bedauern wieder nicht geklappt: »Ich tue mich schwer, eine Perspektive zu geben«, gab sie mit Blick auf den Etat für 2025 zu. Petra Bäuerle, die in Vertretung des Bürgermeisters die Sitzung leitete, bat um ein rechtzeitiges Vorlegen: »Es ist in unser aller Anliegen, dass er nicht so spät kommt, um handlungsfähig zu bleiben«, machte sie bei allem Verständnis für den Personalengpass deutlich.
Das Zahlenwerk für 2024 weist ein positives Gesamtergebnis von 381.340 Euro auf, den Ausgaben in Höhe von 11,26 Millionen Euro stehen Ausgaben von 10,8 Millionen Euro gegenüber. Die Liquidität entwickelt sich laut Tanja Dreier gut und liegt bei 3,9 Millionen Euro – das sei nicht verwunderlich: Riederich hatte auch keine Investitionstätigkeit. So muss auch kein Kredit aufgenommen werden. Und: Das positive Ergebnis verbessere die Rücklagen, die bei einer Million Euro liegen. Die Investitionen bleiben überschaubar: In den Posten Grunderwerb fließen 150.000 Euro, 171.900 Euro investiert Riederich in sogenanntes bewegliches Sachvermögen – darunter fällt unter anderem die Funkzentrale der Feuerwehr. Sehr bescheiden sieht es im Bereich Bauen aus: Dafür sind gerade einmal 5.000 Euro veranschlagt. Der Grund: »Das Amt für Bauen und Planen ist seit Monaten unbesetzt«, erklärt die Kämmerin. Immerhin wurden einige private Bauanträge abgearbeitet und zwar von höchster Stelle: Verantwortlich zeichnet Bürgermeister Tobias Pokrop.
Begonnene Projekte stehen still
Was getan werden muss, wird so weit wie möglich von der Verwaltung erledigt – mehr ist kaum drin. Bei nahezu jeder Fragefragestunde beschweren sich Bürger: Standesamtliche Trauungen finden nicht mehr statt, das Bürgerfest fiel aus. Begonnene Projekte wie das Jugendhaus stehen still, von Eltern dringend angemahnte Sanierungen wie die der Toiletten an der Grundschule werden erst gar nicht in Angriff genommen. Das Lehrschwimmbecken ist seit Monaten geschlossen, ob es weitergeht, kann niemand sagen. Die Liste unerledigter Aufgaben ist lang, der Unmut der Riedericher wächst. So kämpft ein Anwohner des Baldauf-Areals dafür, dass eine als Park angedachte Freifläche nicht mehr als Fußballplatz genutzt wird. Vergeblich, wie er am Mittwoch meinte: »Selbst ein Schild wird nicht aufgestellt«. Selbst die Schlagzahl der Gemeinderatssitzungen ist gering: Gerade mal an fünf Terminen traf sich das Gremium dieses Jahr, anberaumte Sitzungen wurden kurzfristig abgesagt. Man habe Verständnis für die schwierige Situation der Verwaltung, erklärte die stellvertretende Bürgermeisterin Bäuerle: »Selbstverständlich sind fünf Sitzungen zu wenig«, erklärte sie auf Anfrage des GEA. »Natürlich fordert und wünscht sich der Gemeinderat, dass Sitzungen im regelmäßigen Turnus alle vier Wochen stattfinden.«
Der Kommunalaufsicht des Landratsamtes ist die Situation in Riederich bekannt, man sei in regelmäßigem Kontakt mit der Gemeinde und stehe ihr mit der gebotenen Zurückhaltung beratend zur Seite. Aber, so Amtsleiterin Elke Weiss: »Es darf keine Einmischung in die kommunale Selbstverwaltung geben.« In deren Hand liege es auch, wie die Erledigung von Aufgaben erfolgt: »Wir haben keine Eingriffsmöglichkeiten und können einem Bürgermeister daher nicht vorschreiben, wie er seine Aufgabe als Bürgermeister und Behördenleiter wahrnimmt.« Konkret heißt das: Die Aufgabe einer Rechtsaufsichtsbehörde beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Gemeinde ihre Aufgaben gesetzeskonform - das heißt im öffentlichen Interesse – erledigt.
Immerhin gab’s auch Lob für die Verwaltung aus den Reihen des Gemeinderats: Jannis Matthiesen hat eine Neufassung der Feuerwehrsatzung vorgelegt. Und vermerkte positiv, dass das Personal im Kindergarten Bismarckstraße in schweren Zeiten sein Bestes gibt - das sei hoch anzurechnen. (GEA)