BAD URACH-SIRCHINGEN. Aus nach nur zehn Monaten: Am Samstag, 31. August, schließt der Tante-M-Laden in Sirchingen. »Ab dem 01.09.2024 ist diese Filiale dauerhaft geschlossen«, wird die Kundschaft auf einem folierten DIN-A4-Blatt in dem Nahversorger vor dem Sirchinger Dorfgemeinschaftshaus informiert. Die erste Nachricht kam schon vor einem Monat und schlug im Dorf wie eine Bombe ein. Per Mail hatte Tante-M-Geschäftsführer Christian Maresch, Ortsvorsteherin Dorothea Koch und Bürgermeister Elmar Rebmann informiert, dass er den Sirchinger Laden »aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit« schließen werde. »Das kam nicht nur völlig unerwartet und ohne Vorankündigung«, sagt Dorothea Koch, »es kam auch nur eine gute Woche vor dem geplanten Datum. So knapp, dass ich nicht mal mehr die Möglichkeit gehabt hätte, die Information in das Mitteilungsblatt, den 'Uracher', zu bringen.«
»Das kam völlig unerwartet und ohne Vorankündigung«
Dorothea Koch und Elmar Rebmann setzten alle Hebel in Bewegung, um mit Tante-M-Geschäftsführer Christian Maresch ins Gespräch zu kommen. Ein äußerst schwieriges Unterfangen nicht nur für Gemeindeverwaltungen, sondern auch für die Presse - auf die GEA-Anfrage, sich zu Sirchingen zu äußern, reagierte Maresch bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht. »Irgendwann hat's Bürgermeister Rebmann aber geschafft«, sagt Dorothea Koch. Der Uracher Verwaltungs-Chef konnte immerhin einen Aufschub erreichen: Christian Maresch macht seinen Sirchinger Laden erst Ende August dicht. Damit konnte sich die Bevölkerung wenigstens auf die Situation einstellen und Kunden ihre bezahlten Wertkarten im Tante M aufbrauchen.
»Die Leute sind schon sehr enttäuscht«, sagt Dorothea Koch, »ich auch, weil wir vor vollendete Tatsachen gestellt worden sind.« Koch weiter: »Dabei gibt man einem neuen Laden doch normalerweise erst mal ein, zwei Jahre, um zu sehen, wie er läuft und was man ändern muss.« Die Ansage von Christian Maresch kam indessen ohne Vorwarnung. Nach zehn Monaten steht das Dorf nun wieder ohne Nahversorger da, auf den so viele Hoffnungen gesetzt wurden. »Es liegt an uns, dass sich der Laden hält«, hatte die Ortsvorsteherin bei der Einweihung im Oktober 2023 gesagt, »ich rechne mit Ihnen.« Das Dorf hat den Tante M ganz offensichtlich nicht in dem Maße angenommen, sodass es sich für Christian Maresch rechnen würde.
»Herr Maresch ist seinen Verpflichtungen nicht mehr nachgekommen «
Was nicht nur in Sirchingen aufgefallen ist, sondern auch in den anderen Tante-M-Dörfern: Seit einiger Zeit gibt es keine frischen Backwaren mehr von Becka-Beck. Was einen ganz einfachen Grund hat, erklärt Heiner Beck, der damit Gerüchte bestätigt, die rund um die Tante-M-Läden kursieren: »Herr Maresch ist seinen Verpflichtungen nicht mehr nachgekommen und hat bei mir einen größeren Betrag ausstehen«, so Beck, »wir beliefern keine Tante-M-Läden mehr.« Eine Zeitlang lagen noch die Bäckertüten in den leeren Brötchen-Regalen. Die hat der Unternehmer aus Römerstein inzwischen auch abholen lassen.

Nicht nur diese Tatsache, von der auch Dorothea Koch und Elmar Rebmann wissen, werfen eine ganze Reihe Fragen auf. »Was aus dem Container wird, wissen wir aktuell nicht«, sagt die Ortsvorsteherin, »wir wissen also nicht, ob der Herrn Maresch gehört oder ob er den gemietet hat.« Vom Hersteller hat sie erfahren, dass der Container in nächster Zeit nicht abgeholt werden soll. Die Stadt Bad Urach hat für die Nahversorgung in Sirchingen mittels eines Tante-M-Ladens rund 25.000 Euro investiert. Sie hat die Fundamente neben dem Dorfgemeinschaftshaus errichtet und den Container mit Strom und Wasser erschlossen. Außerdem hat sie die barrierefreie Rampe erstellt.
»Wir beliefern keine Tante-M-Läden mehr«
»Natürlich haben wir darüber nachgedacht, wie wir wieder eine kleine Nahversorgung ins Dorf holen können«, sagt die Ortsvorsteherin, »vielleicht in Form eines genossenschaftlich organisierten Ladens wie in Hülben.« Darüber ernsthaft Gedanken machen können sich die Sirchinger und Uracher aber erst nach der Sommerpause, wenn nicht alle Welt im Urlaub ist. Das Interesse ist auf jeden Fall groß, dass es in Sirchingen weitergeht, betont Dorothea Koch. Die Ortsvorsteherin weiß wohl, dass es mit guten Ideen nicht getan ist, »sondern dass es auch jemanden braucht, der sich vor den Karren spannt«. Sie allein kann's und will's nicht tun, sie will aber nach Mitstreitern suchen.
»Es liegt an uns, dass sich der Laden hält«
Dorothea Koch schaut nicht nur Richtung Hülben, sondern auch nach Holzelfingen, wo die Schwestern Sabine und Petra Reiff zusammen mit ihrem Bruder Siegfried Bertsch vor zwei Jahren die »LAND LEBEN LECKER GmbH« gegründet haben. Der neue Laden ist auf der 15 Quadratmeter großen Fläche des Containers untergebracht und läuft so gut, dass er inzwischen sogar erweitert wurde.
»Anfragen kommen inzwischen aus nahezu allen Bundesländern«
Derweil liest man auf der Tante-M-Homepage von einer »Feierlichen Neueröffnung« nach der anderen. Zuletzt am Freitag, 30. August, in Enzklösterle, dann am 6. September in Neibsheim, am 20. September in Buchen-Götzingen, am 22. Oktober in Ubstadt-Weiher, drei Tage später in Schopfloch-Oberilfingen. Am 8. November dann in Gundelsheim-Obergriesheim und in Gochsen - gleich zwei an einem Tag. Als der GEA über das Phänomen Tante M anlässlich des fünfjährigen Bestehens groß berichtete, berichtete Christian Maresch von zwei bis vier neuen Läden pro Monat. Hatte er sein Konzept zunächst vor allem in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen verbreitet, kämen »Anfragen inzwischen aus nahezu allen Bundesländern«. (GEA)