Dreißig Prozent Wahlbeteiligung wären schon schön. Dieser Wunsch von Elmar Rebmann ist gestern nicht in Erfüllung gegangen. Der alte und neue Bürgermeister wird vermutlich versuchen, diesen 20. Oktober und vor allem die zwei Wochen zuvor möglichst schnell abzuhaken. Man hat ihm die Anspannung angesehen. Der Tag vor der Wahl muss die Hölle für den 61-Jährigen gewesen sein, nachdem Unbekannte nicht nur in den »sozialen Medien« für Michael Schweizer geworben hatten, sondern in der Stadt auch noch mit Plakaten für seinen ehrenamtlichen Stellvertreter geworben hatten, der gar nicht auf dem Stimmzettel stand.
»Aus Liebe zur Stadt« solle man den 42-jährigen Gemeinderats-Stimmenkönig wählen, forderten die anonymen Unterstützer. In den »sozialen Medien« argumentieren die Unterstützer der Pro-Schweizer-Kampagne dem Amtsinhaber teilweise mit reinen Fake-News.
Dass Rebmann die lange nichtöffentlich geführte Diskussion um die Amazon-Ansiedlung in Hengen Stimmen gekostet und Gegner mobilisiert hat, war klar. Jüngst wurde er im Zusammenhang mit den Plänen zur Zukunft des Gymnasiums ein weiteres Mal mit dem Vorwurf konfrontiert, zu wenig zu kommunizieren. Und dann ist da die Gartenschau, die so furchtbar viel Geld kostet. Ist zwar vom Gemeinderat abgesegnet, die Kritik kriegt aber der Schultes ab. Mangelnde Liebe zur Stadt kann man ihm nicht unterstellen. Die steht gut da, und sie könnte mit der Gartenschau eine noch bessere Zukunft haben – wenn der Gemeinderat mitzieht.
Michael Schweizer hat dem GEA gegenüber beteuert, dass die Facebook-Kampagne nicht von ihm initiiert worden ist. Das darf man ihm abnehmen. Der Stimmenkönig im Stadtrat ist aber der Frage ausgewichen, ob er im Fall der Fälle – wenn er entweder mehr als 50 Prozent bekommt oder wenn der Amtsinhaber frustriert das Handtuch werfen würde – die Wahl annehmen würde. Das hat nicht unbedingt dazu beigetragen, die Lage zu beruhigen. Zumal plötzlich alle von der Wahl in Bissingen gesprochen haben, die ein Bürgermeister-Stellvertreter gewonnen hat, der auch nicht auf dem Wahlzettel stand. Der war zwar nicht gegen den Schultes angetreten, spätestens da war aber klar, dass man auch so Bürgermeister werden kann. Und: Michael Schweizer hat in der Woche vor der Wahl nicht nur ein Mal gesagt, dass er sich das Amt zutrauen würde. Nicht mit dem Megafon auf dem Marktplatz, aber so etwas bleibt nicht verborgen.
Jetzt geht Elmar Rebmann also mit 71,4 Prozent in eine dritte Amtszeit. Er hat keine leichten Zeiten vor sich. Nicht nur wegen des nicht gerade traumhaften Wahlergebnisses: Etliche Stadträte haben die Pro-Schweizer-Facebook-Posts geliked, also genau genommen für gut befunden. Die neue konservative Mehrheit aus CDU und FWV im Stadtrat, die sich schon vor der Kommunalwahl auf die Gartenschau eingeschossen hat, wird nach dieser Wahl bestimmt nicht leiser werden. Die erste Sitzung nach der Wahl am Dienstagabend wird spannend.
Die Wahlbeteiligung von 29,3 Prozent wirft Fragen auf. Gehen die Leute nur an die Urne, wenn ihre ureigensten Interessen betroffen sind? In Hengen und in Seeburg sind 35 beziehungsweise 42 Prozent wählen gegangen, die Mehrheit wählte Schweizer statt Rebmann, weil sie den für Entscheidungen des Gemeinderats verantwortlich machen, in dem der Bürgermeister aber nur eine Stimme hat.
Die Wahl ist kein Schlag für den Bürgermeister, sondern für das Demokratieverständnis.