WANNWEIL. Zwischen der Hauptstraße und dem Echazufer liegt ein Gebäude im Dornröschenschlaf. Die Alte Spinnerei war in der Vergangenheit ein Meilenstein, der aus dem Bauerndorf einen Industriestandort machte. Doch heute arbeiten dort keine Menschen mehr an Maschinen. Stattdessen ist das Gelände mit den großen, weißen Häusern weitgehend verwaist.
Doch genau solche Gebäude sind für manche Leute interessant. Zu denen zählt auch Birgit Hettich aus Stuttgart. Sie betreibt die Locationmanagement-Agentur Watch Out für Film- und Fotoproduktionen. Neulich war sie auf dem Gelände in Wannweil. Die Film Commission der Region Neckar-Alb hatte vor einiger Zeit eine Rundfahrt auf den Spuren der Textilindustrie zu möglichen Drehorten angeboten. So standen Hettich und weitere Teilnehmer dann auf dem Gelände der Alten Spinnerei. Diese wurde 1868 als Spinnerei und Weberei gegründet. Im Jahr 1987 wurde die Produktion aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Ein Jahr später kaufte die Hugo Boss AG das Gelände und nutzte es als Lager. Inzwischen ist es im Besitz der Metzinger Holy AG, die das Areal entwickeln und dort Lofts schaffen will. Doch weil sich bisher keine Interessenten gemeldet haben, geht es dort nicht voran. Daher ist das Areal für Zwischennutzer interessant.
Einige Wochen nach der geführten Tour der Film Commission sitzt die 54-jährige Hettich in einem Café im Stuttgarter Westen. Dort hat sie ihre Agentur Watch Out. Hettich spricht über ihre Eindrücke aus Wannweil: »Die Alte Spinnerei hat mir sehr gut gefallen.« Damit meint sie vor allem das Batteurgebäude. Dort wurde damals die Baumwolle geschlagen, verwirbelt und zu Fasern gebündelt.
Zum zweiten Mal in Spinnerei
Für Hettich war es bereits der zweite Besuch auf dem Gelände. »Vor fünf Jahren war ich schon mal da, als ich eine historische Anlage gesucht habe«, erzählt sie. Die große Halle hat allerdings einen Nachteil: »Dort gibt es so viele Pfeiler. Darin ist ein Fotoshooting nicht einfach.« Genau daran ist es damals gescheitert. Das alles sei beim Batteurgebäude anders, in das sie damals nicht gehen konnte. Nun war sie drin. Dieses Gebäude wird beispielsweise als Ausstellungsraum genutzt.
Auf die Alte Spinnerei ist Birgit Hettich neulich bei der Rundfahrt eher zufällig aufmerksam geworden. Sie fährt immer bei den Touren der Film Commission mit. »Sie zeigen auch Orte, zu denen sie andere Drähte und einen anderen Zugang haben«, sagt die Location-Sucherin.
Ulla Matzen von der Film Commission Region Stuttgart kümmert sich etwa für Filmschaffende um Drehgenehmigungen und kennt daher viele besondere Orte in den Regionen Stuttgart und Neckar-Alb. Sie hat speziell zur Alten Spinnerei in Wannweil positive Resonanz bekommen. »Die Teilnehmer waren sehr an dem Areal interessiert, vor allem auch, weil es sich um ein nicht restauriertes, historisches Gesamtensemble handelt«, sagt Matzen. Dort lasse sich sehr vielseitig erzählen. Iris Hettich nennt ein Beispiel: »Innen lässt sich alles Mögliche realisieren.« Außen gefalle ihr die Lage an der Echaz. »Man sieht an den Gebäuden die Jahrzehnte, die die Häuser erlebt haben.« Dort könne zum Beispiel ein alter Mercedes vorfahren und so die Gebäude in eine andere Zeit versetzen.
Hettich ist bereits seit 1993 als Location Scout selbstständig. Zuvor hatte sie als Fotoassistentin bei Mode- und Werbefotografen im Großraum Stuttgart gearbeitet, unter anderem bei Dieter Blum in Esslingen. Der hatte zunächst jemand anders als Location Scout beschäftigt, beauftragte dann aber seine Kollegin Hettich damit.
Straße ohne Markierung gesucht
Immer wieder hat Hettich Orte in der Region für Filme gesucht, an denen sich der Zweite Weltkrieg erzählen lässt. Sie nennt ein Beispiel: »Ich habe Drehorte für den Fernsehfilm Rommel gesucht.« Dieser wurde 2011 gedreht und handelt vom General Erwin Rommel während des Zweiten Weltkriegs. Für eine Szene sei die Suche besonders anspruchsvoll gewesen: »Rommel fährt in der Normandie mit seinem Mercedes eine Straße entlang und wird von Bombern verfolgt.« Für den Film wurde auf der Alb gedreht, weil Gelder von der Baden-Württembergischen Filmförderung flossen. »Wir brauchten einen Weg ohne Fahrbahnmarkierung, Strom- und Leitpfosten am Rand, und es durften keine Maisfelder zu sehen sein. All das gab es damals in der heutigen Form noch nicht.« Schließlich fand Hettich einen landwirtschaftlichen Weg auf der Alb, auf den all dies zutraf.
Schon einmal wurde die Location-Sucherin in der Nähe von Wannweil fündig: In den früheren Gebäuden der Schmiede Henning in Metzingen spielt eine Szene des Films über den schwäbischen Uhrmacher und Hitler-Attentäter Georg Elser. (GEA)