REUTLINGEN/METZINGEN. Obwohl die Taten schon plusminus drei Jahre zurückliegen, sind viele Handballerinnen immer noch aufgewühlt. Eine Sportlerin, die damals die Kameras entdeckt hatte und jetzt im Gericht als Zeugin auftrat, kämpfte bei ihrer Aussage mit den Tränen. Da ist zum einen die Erkenntnis, in einem maximal geschützten Raum - in der Umkleidekabine ist man nicht nur nackt, man redet auch über fast alles - gefilmt worden zu sein. Zum anderen - vielleicht schlimmer noch - die Furcht davor, dass irgendwo im Internet Videos und Bilder herumgeistern. Das ist nicht passiert, das ungute Gefühl bleibt aber.
»Ich konnte es erst gar nicht glauben«
So sind die Spanner-Kameras aufgeflogen: Als die heute 23-jährige Handballerin ein Duschgel aus ihrer Tasche nehmen wollte, fiel ihr etwas auf, das sich kurz danach als Mini-Kamera herausstellte. Geschockt bedeckte sie sich mit einem Handtuch und ging zu den anderen in die Nebenkabine. »Ich konnte es erst gar nicht glauben«, so die Frau. »Unsere Kapitänin hat daraufhin gleich den Chef angerufen«, erinnert sie sich. Der alarmierte die Metzinger Polizei, die kurz danach in der Öschhalle war. Im Nachhinein ergibt es Sinn, dass in der großen Aufregung auch ein äußerst besorgter Torwarttrainer bei den Spielerinnen stand. Und dass er ihnen plötzlich nicht mehr in die Augen schauen konnte, wie sich die Sportlerin erinnert.
Der damals 29-jährige Torwarttrainer hatte mit schwarzen Kinesiotapes - die Bänder, mit denen Sportler Gelenke und Muskelpartien stabilisieren - in drei Umkleidekabinen neben einer Verteilerdose Mini-Kameras angebracht. Heimlich filmte er nicht nur Spielerinnen der TuS Metzingen, sondern auch der HSG Bad Wildungen und der SG Bietigheim.
»Er hat damals nie ausdrücklich gesagt, dass er die Taten begangen hat, in meinen Augen hat er's aber durch die Blume eingeräumt«
Die Polizei hatte den Torwarttrainer schnell unter Verdacht. Bei der Durchsicht der Videoaufnahmen sah sie, wie er als erster - direkt nachdem er die Spanner-Kameras installiert hatte - durchs Bild lief. Mit dem Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft fuhr sie zu dem Verdächtigen. Der reagierte zunächst weder auf das Klingeln an der Haustür noch auf Anrufe. Also packten die Beamten die Ramme aus und versuchten, die Tür aufzubrechen. Aufgeschreckt und sichtlich überrascht öffnete der Mann dann doch.
»Er hat damals nie ausdrücklich gesagt, dass er die Taten begangen hat«, sagte der Polizist vor Gericht, »in meinen Augen hat er's aber durch die Blume eingeräumt.« Seine Kollegin hatte schon in der Öschhalle »ein ungutes Bauchgefühl«. Beim Blick auf den allzu neugierigen Torwarttrainer sagte sie zu ihrem Kollegen: »Hier stimmt was nicht.«
Der Mann hat zehn Spielerinnen vor dem Prozess schon freiwillig je 1.000 Euro Schmerzensgeld gezahlt. Einer damals 15-Jährigen ließ er 1.600 Euro zukommen. »Weil dieser Prozess sehr öffentlichkeitswirksam ist, rechnen wir mit weiteren Zahlungen«, sagte Verteidiger Robin Schmid. Unterm Strich dürften mit den ganzen Anwaltskosten um die fünfzigtausend Euro zusammenkommen, so der Jurist. Mit den 5.000 Schweizer Franken, die er in seiner neuen Wahlheimat verdient, kann er das nicht aus der Tasche zahlen. Seine Familie stehe hinter ihm und helfe ihm, den Kredit abzuzahlen.
»Weil dieser Prozess sehr öffentlichkeitswirksam ist, rechnen wir mit weiteren Zahlungen«
Die freiwilligen Schmerzensgeld-Zahlungen will Richter Eberhard Hausch wohl würdigen, sie kommen in seinen Augen aber ein bisschen spät. Also erst zu einem Zeitpunkt, als die Anklageschrift da war. »Diese Pluspunkte hätten Sie früher machen können«, so Hausch. Der finanziell erhebliche Verlust und »eine gewisse soziale Brandmarkung« dürfe man durchaus berücksichtigen, so der Richter. Aber auch das Eindringen in einen besonders geschützten Raum. Und die Vielzahl der Geschädigten: mehr als 30 junge Frauen.
Das Urteil des Schöffengerichts: ein Jahr Freiheitsstrafe, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das war's noch nicht: Um sicherzugehen, dass sich der Mann mit den Filmchen »nur« sexuell erregen wollte und dabei die Tatsache, dass einige Frauen noch minderjährig waren, eher billigend in Kauf nahm - im Raum stand nämlich auch die Anklage, jugendpornographische Inhalte hergestellt zu haben -, muss er den Nachweis erbringen, »dass keine Störung der Sexualpräferenz vorliegt«.
Im Gerichtssaal
Richter: Eberhard Hausch, Schöffinnen: Pia Heim und Dagmar Wilke-Jetter, Oberstaatsanwältin: Henriette Nissel-Unsöld.
Dazu kommt die Weisung, sich künftig weder beruflich noch ehrenamtlich mit Jugendlichen abzugeben. Plus je tausend Euro an den Reutlinger Verein »Wirbelwind - Gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend«, den Weißen Ring und das Mütter- und Nachbarschaftszentrum Reutlingen.
Nachdem die Spanner-Kameras aufgeflogen waren, hatte die TuS Metzingen sofort den Torwarttrainer gefeuert. Kurz danach standen die TusSies wieder auf dem Platz und zeigten Stärke. Auf Facebook schrieben sie »nach der widerlichen Tat« unter ein Bild mit den Bietigheimer Handballerinnen »Wir halten ZUSAMMEN!« (GEA)

